"Noch vor zwei, drei Jahren wäre das ein Horror-Szenario gewesen, weil es keine Notfall-Pläne gab", sagt Folker Hellmeyer, Chefökonom der Bremer Landesbank. Für ruhigere Nerven der Börsianer sorgt vor allem die Europäische Zentralbank (EZB). Sie will gut eine Billion Euro in die Finanzmärkte pumpen.

Paras Anand, der Leiter des europäischen Aktienteams des Vermögensverwalters Fidelity, verweist zudem auf die Reform des Bankensektors. "In den vergangenen drei Jahren haben die Finanzinstitute der Euro-Zone Kapital aufgebaut und gegenseitige Verflechtungen reduziert. Der jüngste Stresstest hat gezeigt, dass die Banken im Großen und Ganzen deutlich besser für Krisen gerüstet sind als noch 2011." Und viele haben sich im Laufe der Krise Schritt für Schritt aus Griechenland verabschiedet: 23,5 Milliarden Euro haben die deutschen Geldhäuser dort aktuell noch im Feuer, viel weniger als vor Jahren.

Auch Holger Schmieding, Chef-Volkswirt der Berenberg Bank blickt dem Grexit ruhig entgegen. "Wir würden einen griechischen Unfall mit dreimonatigen Kursturbulenzen überleben."

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GREXIT - IMAGESCHADEN ODER BEFREIUNGSSCHLAG?

Nach Ansicht von Stefan Gäde von der HSH Nordbank wäre im Falle eines "Grexits" vor allem der Image-Schaden verheerend für die Währungsunion und für das Interesse der Investoren an einem finanziellen Engagement im Euroraum. "Die Euro-Zone lebt von dem Gedanken der Einheit und wenn diese zu bröckeln beginnt, dürfte das den Euro in Mitleidenschaft ziehen." Der erlebt seit Monaten ohnehin eine massive Abwertung, allerdings von der EZB gewollt und zur Freude der Exporteure - nicht zuletzt in Deutschland. Ihre Waren werden deshalb auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähiger und der Absatz steigt. "Eine Staatspleite im Euro-Raum ist für alle Beteiligten neues und unbekanntes Terrain", warnt Marcel van Leeuwen, Geschäftsführer des Vermögensverwalters DPWT. "Es ist eine Entwicklung mit dem Potenzial einer hohen Eigendynamik."

Commerzbank-Analyst Lutz Karpowitz hält dagegen sogar eine Erleichterungsrally als Reaktion auf den "Grexit" für möglich. "Unsere Devisenhändler haben mir gesagt, dass sie bei einem Austritt Griechenlands den Euro sofort kaufen würden." Auch Jens Klatt, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses FXCM in Deutschland, sieht die Gemeinschaftswährung bei einem "Grexit" nicht automatisch unter Druck. "Viele Anleger wären sicher froh, wenn man sich keine Gedanken mehr über den Unsicherheitsfaktor Griechenland machen müsste." Aus Sicht des Aktienstrategen Carsten Klude von MM Warburg, könnte der "Grexit" sogar ein Befreiungsschlag für die Euro-Zone werden. "Es könnte euroskeptischen Parteien in Ländern wie Spanien oder Italien den Wind aus den Segeln nehmen."

Reuters