Die Tücke steckt augenscheinlich im Detail. Auf den ersten Blick stellt die Norma Group einfache Kleinteile her: Schellen, Passstücke, Kupplungen und Adapter, mit denen sich Rohre oder Schläuche verbinden oder befestigen lassen. Auf einen Hersteller simpler Massenware will sich Vorstand Werner Deggim aber schon mal gar nicht reduzieren lassen. "Es steckt jede Menge Technologie in unseren Produkten", stellt er klar. Der Laie hört und staunt: Hightech in der Schlauchschelle?

Sieht ganz danach aus. Viel Grips müssen die Ingenieure des Unternehmens etwa aufwenden, um Schellen zu entwickeln, die Turbolader in Automotoren mit dem Abgassystem verbinden. "Diese müssen unter extremen Bedingungen vollkommen dicht sein", sagt Deggim. Klingt einfach, ist es aber nicht. Bis zu 1000 Grad heiß ist das Gas, das aus einem hochdrehenden Turbolader in den Abgastrakt eines Automotors gelangt. Die Metallteile müssen sich extrem ausdehnen - und danach bei Minusgraden dichthalten.

Dass die Hessen die Kunst des Dichtens beherrschen, hat sich unter den großen Automobilherstellern dieser Welt herumgesprochen. Die Teile mit dem Ingenieur-Knowhow aus Deutschland sind begehrt, Kunden zahlen gute Preise, schließlich kostet so eine Schelle dann doch nicht die Welt. Undichte Teile aber können dem Image eines Autoherstellers erheblich schaden, wenn sie Pannen verursachen.

Auf Seite 2: Im MDAX ganz vorn

Im MDAX ganz vorn

Da die rund 30 000 Produkte, die aus den weltweit 19 Werken des Mittelständlers im Maintal bei Frankfurt kommen, in aller Regel funktionieren, ist die Nachfrage hoch. Deggim lenkt inzwischen einen Weltmarktführer, der bei solidem Wachstum hohe operative Gewinnmargen erwirtschaftet - gut 17 Prozent waren es 2013. So lässt sich erklären, dass die Aktie 2013 unter den Top Ten im MDAX rangierte - und in diesem Jahr wieder vorn liegt.

Mit der Automobilindustrie macht die Norma Group über die Hälfte des Umsatzes. Im Motorraum muss jede Menge verkuppelt, verbunden und gedichtet werden. Das umso mehr, je schärfer die Abgasvorschriften werden. Die Norm Euro 6 etwa, die im Januar für Nutzfahrzeuge in Kraft getreten ist, wird ab September auch für Pkw gelten. Neuwagen müssen dann noch sauberer werden. Turbolader kommen deshalb verstärkt zum Einsatz, denn die Industrie baut zunehmend kleinere Motoren, die sauberer sind, Autofans aber dennoch mit Leistung versorgen. Für Norma ist das ein sauberer Wachstumstrend: "Die Anzahl der Teile pro System steigt. Euro 6 gibt uns einen deutlichen Impuls", sagt Norma- Chef Deggim.

Überdies kommt der europäische Markt nach jahrelanger Absatzflaute wieder in die Gänge. 2013 verkaufte die Branche zwei Prozent weniger Fahrzeuge in Europa, in diesem Jahr soll es endlich wieder aufwärts gehen. "Die Signale aus der Autobranche zum Jahresanfang waren gut", sagt Deggim - das Gros des Umsatzes der Hessen kommt aus Europa.

Auf Seite 3: Von Bewässerung bis Biotech

Von Bewässerung bis Biotech

Die Erfahrungen aus den Jahren 2008 und 2009, als die Krise die Autoindustrie besonders hart traf und Norma Verluste schrieb, haben den Vorstandschef aber vorsichtig gemacht. Deggim steuert das Unternehmen deshalb auch in andere Branchen, die ebenfalls Wachstumspotenzial versprechen. 2012 übernahmen die Hessen einen Schweizer Spezialisten für Befestigungs- und Dichtsysteme, der an die Pharmaund Biotechindustrie liefert. Im vergangenen Jahr stieg Norma mit zwei Zukäufen in Australien in den Markt für Bewässerungssysteme ein. Vor allem in Asien sieht der Norma-Chef noch großes Umsatzpotenzial. Auch die Flugzeugindustrie will der umtriebige Maschinenbauingenieur, der während seiner sieben Jahre bei einem US-Autozulieferer internationale Erfahrung sammelte, künftig verstärkt beliefern.

In neue Absatzmärkte steigt Norma meist mit Zukäufen ein - die Unternehmen bringen das notwendige Know-how und die Marktverbindungen mit. Drei bis vier Übernahmen pro Jahr, das ist das Pensum, das die Hessen stemmen. An der Strategie will Deggim nichts ändern. "Wir sind in Gesprächen mit einigen interessanten Zielen", sagt er.

Die finanzielle Power ist vorhanden. Denn seit dem Börsengang im April 2011 hat das Unternehmen die anfänglich hohe Verschuldung deutlich reduziert. Rund 100 Millionen Euro an Mitteln aus Krediten sind Deggim zufolge jederzeit für Übernahmen abrufbar.

In der Vergangenheit hat das Management die neuen Geschäfte stets effektiv mit dem eigenen verbunden - sozusagen renditedicht. Die operative Gewinnmarge soll auch künftig über der Marke von 17 Prozent liegen. "Wir machen keine Übernahmen auf Kosten der Marge. Die soll stabil blieben", sagt der Chef.

Beim Umsatz könnte es im laufenden Jahr dank des Schubs in der Autoindustrie besser laufen. 2013 soll es - Übernahmen herausgerechnet - um mindestens ein Prozent aufwärtsgehen. "Für das laufende Jahr blicken wir zuversichtlicher nach vorn", meint Deggim - ausnahmsweise einmal unverbindlich.

Auf Seite 4: Unsere Einschätzung zur Aktie