1. Folker Hellmeyer, Bremer Landesbank, Chefvolkswirt/Chefanalyst



Gesunde Korrektur



Die Nervosität an den Börsen wächst. Ist das nur ein Wackler in einem Aufwärtstrend oder sind das bereits ernste Vorboten einer bevorstehenden Korrektur?

Ich sehe in der aktuellen Bewegung bereits die Korrektur. In den letzten Monaten bewegen wir uns sehr volatil in einer Bandbreite zwischen 8920 und 9.800 Punkten. Auslöser der beiden Korrekturen im laufenden Jahr waren maßgeblich die politischen Entwicklungen in der Ukraine. Ergo sind keine Konjunktur- oder Unternehmensdaten für die Korrekturen verantwortlich, sondern politische Risiken. Politische Börsen haben bekanntlich kurze Beine. Daher messe ich den aktuellen Korrekturbewegungen keine Trendqualität bei. Im Gegenteil sind die Korrekturen innerhalb der Bandbreite aus technischer Sichtweise gesund, da Überhitzung abgebaut wird.

Es gibt allerdings auch Börsianer, die extrem skeptisch sind: Viele Börsianer ziehen schon die Parallelen zum Absturz im Oktober 1987. Damals hatten wir auch eine fünfjährige Hausse und dann krachte der Markt urplötzlich zusammen. In der Szene grassiert derzeit der Chart of Doom, der 1987 einen ähnlichen Chartverlauf im S&P500 suggeriert wie aktuell. Ist das alles nur Schwarzmalerei?  

Ich nehme Charttechnik ernst. Ich bin aber derzeit nicht bereit, diesen Indikatoren als solitärem Impulsgeber zu folgen. Hintergrund ist die Lage der Weltwirtschaft. Nach 2012 und 2013, die von hohen politischen Risiken begleitet waren, ob Defizitkrise in der Eurozone oder US-Haushaltsstreit, ergibt sich auf globaler Ebene in elementaren Sektoren der Weltwirtschaft eine Untersättigung. Die gilt es abzuarbeiten. Das bietet Raum für positive makroökonomische Überraschungen und entsprechende Skaleneffekte bei Umsätzen und Gewinnen der Unternehmen. Die aktuellen Anpassungen der Wachstumsprognosen liefern die Begleitmusik.

Es gibt ja noch andere Parallelen zu vorangegangen Korrekturphasen: Die Bewertungen sind inzwischen teilweise sehr ambitioniert. Der Anteil der kreditfinanzierten Aktienkäufe ist extrem hoch. 70 Prozent der jüngsten Börsengänge waren Unternehmen ohne Gewinne. Das gab es zuletzt in der Endphase des Techbooms 2000? Dazu kommt die Krise in der Ukraine. Wie ernst ist die Lage aus Ihrer Sicht?

Es gibt keinen Raum für Euphorie, sondern nachhaltige Zuversicht. Die Bewertungen in den USA sind in der Tat hoch und dort ist das mit Kredit finanzierte Volumen kritisch zu bewerten. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Liquiditätslage der internationalen Märkte einen Vergleich mit 1987 oder 2001 förmlich verbieten. Wir sind mit finanzieller Repression in nie gekannter Form konfrontiert. Daraus ergeben sich andere Wechselwirkungen als in den "Normallagen" 1987 oder 2001.

Was sollten Anleger also jetzt tun?  

Es gibt keine Garantien. Für nervöse Anleger empfehle ich am Optionsmarkt die Position zu versichern. Damit erhält man sich das Aufwärtspotential am Aktienmarkt und definiert ein "Worst Case" Szenario. Von einem Ausstieg aus dem Aktienmarkt halte ich nichts. Der Rentenmarkt bietet bei dem aktuellen Renditeniveau im Investment Grade Sektor keine nachhaltige Alternative.

Gold gilt als Krisenwährung. Sollten Anleger hier aufstocken und welcher Anteil im Depot ist aktuell sinnvoll?

Ich bin seit 2001 Verfechter der Anlage in Edelmetallen. Dieser Markt ist jedoch nicht frei von verdeckter Intervention. Auf dem aktuellen Niveau ist es sinnvoll, Positionen weiter aufzustocken. Man muss aber Geduld mit sich bringen und Investor sein. Wer China folgt, das Goldreserven aufbaut und konfuzianisch organisiert ist - ganz im Gegensatz zur kurzfristigen Ausrichtung des Westens - macht keinen Fehler.

2. Prof. Max Otte, Marktexperte und Börsenbuchautor



Die Bewertung vieler Börsen ist noch grotesk niedrig



Die Nervosität an den Börsen wächst. Ist das nur ein Wackler in einem Aufwärtstrend oder sind das bereits ernste   Vorboten einer bevorstehenden Korrektur?

Meistens gibt es im Sommer eine Korrektur. Ich wäre nicht   überrascht, wenn es diesmal auch der Fall wäre. Allerdings ist der DAX nicht überbewertet, viele andere Märkte sind auch nach fünf Jahren noch deutlich unterbewertet: in Südeuropa, Japan, Lateinamerika. Anleihen und Immobilienmärkte sind allerdings teuer. Deswegen würde es mich ebenfalls nicht überraschen, wenn die Märkte nach der Korrektur munter weiter steigen.

Es gibt allerdings auch Investoren, die extrem skeptisch sind: Viele Börsianer ziehen schon die Parallelen zum Absturz im Oktober 1987. Damals hatten wir auch eine fünfjährige Hausse und dann krachten die Börsen urplötzlich zusammen. Am Markt grassiert derzeit der Chart of Doom, der 1987 einen ähnlichen Chartverlauf im S&P500 suggeriert wie aktuell. Ist das alles nur Schwarzmalerei?

Das Jahr 1987 ist gar nicht so schlecht als Vergleich: denn danach ging es ziemlich rasch wieder hinauf und weiter. Eine Megakorrektur wie 1987 erwarte ich nicht, aber eine gewisse Korrektur wäre normal.

Es gibt ja noch andere Parallelen zu vorangegangen Korrekturphasen: Die Bewertungen sind inzwischen teilweise sehr ambitioniert. Der Anteil der kreditfinanzierten Aktienkäufe ist extrem hoch. 70 Prozent der jüngsten Börsengänge waren Unternehmen ohne Gewinne. Das gab es zuletzt in der Endphase des Techbooms 2000. Dazu kommt die Krise in der Ukraine. Wie ernst ist die Lage aus Ihrer Sicht?

Diesmal ist der Hype aber viel selektiver als um 2000 herum. Die   Bewertungen von Facebook, Twitter & Co. sind aufgrund des Hypes und  der niedrigen Zinsen auf Blasenniveau. Das kann man aber von vielen anderen Aktienmärkten nicht sagen: Da sind die Bewertungen im   Gegenteil oftmals noch grotesk niedrig.

Was sollten Anleger also jetzt tun?

Wer will, kann etwas Cash aufbauen. Den Großteil würde ich aber weiter in Aktien investiert lassen. Es gibt auch unter den sehr   krisensicheren Unternehmen noch solche, die halbwegs billig sind, zum Beispiel Microsoft, IBM oder McDonalds.

Gold gilt als Krisenwährung. Sollten Anleger hier aufstocken und welcher Anteil im Depot ist aktuell sinnvoll?

Definitiv. Wir wissen nicht, wie sich die Krise in der Ukraine weiter entwickeln wird. Die Lage dort ist hoch gefährlich. Hoffen wir, dass das Schlimmste vermieden wird. Aber es kann nicht schaden, sich mit Gold dagegen zu versichern. Bei Gold fährt man den Depotanteil nicht einfach rauf oder runter, da man es physisch kaufen sollen. Man sollte schon so viel haben, dass man ein Jahr seine Ausgaben davon bestreiten könnte.

3. Matthias Thiel, Aktienstratege M.M. Warburg



Die Märkte sind nicht überbewertet



Die Nervosität an den Börsen wächst. Ist das nur ein Wackler in einem Aufwärtstrend oder sind das bereits ernste Vorboten einer bevorstehenden Korrektur?

Die skeptischen Stimmen am Markt haben in der Tat zugenommen. Die Aktienmärkte sind in vielen Ländern nicht mehr günstig bewertet, die Berichterstattung über geopolitsche Risiken hat zugenommen und die Hausse dauert mittlerweile seit fünf Jahren an. In einem solchen Umfeld nimmt natürlich die Bereitschaft zu, Gewinne mitzunehmen, und es kann durchaus zu kurzen, aber scharfen Rücksetzern kommen. Eine ausgeprägte Korrektur oder gar ein Ende des Aufwärtstrends halten wir zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht für wahrscheinlich. Fundamental bleibt das Umfeld an den Börsen konstruktiv: In Europa und in den USA setzt sich die konjunkturelle Erholung fort, aus einigen Schwellenländern gibt es ermutigende Signale. Die Unternehmensgewinne dürften in diesem Umfeld tendenziell weiter zulegen können, so dass Aktien weiteres Potenzial haben. Bei alledem bleibt die Geldpolitik in den Industrieländern extrem expansiv, und in Europa wird diskutiert, ob die Europäische Notenbank ebenfalls mit einer quantitativen Lockerung auf einen starken Euro und die niedrige Inflation reagieren wird. An den Rentenmärkten lassen sich auskömmliche Renditen nur noch erzielen, wenn Anleger sehr aktiv agieren und höhere Risiken eingehen. Unseres Erachtens bleibt ein erhöhter Aktienanteil im Depot in diesem Umfeld ohne Alternative.

Es gibt allerdings auch Börsianer, die extrem skeptisch sind: Viele Investoren ziehen schon die Parallelen zum Absturz im Oktober 1987. Damals hatten wir auch eine fünfjährige Hausse und dann krachten die Börsen urplötzlich zusammen. Am Markt grassiert derzeit der Chart of Doom, der 1987 einen ähnlichen Chartverlauf im S&P500 suggeriert wie aktuell. Ist das alles nur Schwarzmalerei?

Völlig ausschließen lässt sich das natürlich nicht. Ein wesentlicher Faktor für den Kurssturz 1987 war ja, dass viele institutionelle Anleger Modelle verwendet haben, die Kursverluste am Aktienmarkt automatisch durch Verkäufe beschränken. Das hat damals eine Kettenreaktion ausgelöst. Derartige Modelle zur Sicherung von Portfolios werden auch heute teilweise noch verwendet. Auf der anderen Seite gibt es unseres Erachtens durchaus Anleger, die günstigere Kurse als Kaufgelegenheit ansehen würden. Und was den Zeitpunkt von derartigen extremen Kursrückgängen angeht: Es lassen sich doch immer Chartverläufe finden, die bei einer anderen Skalierung heutigen Kursmustern ähnlich sehen. Eine Garantie, dass sich die Geschichte deshalb so wiederholt gibt es jedoch nicht.

Es gibt ja noch andere Parallelen zu vorangegangen Korrekturphasen: Die Bewertungen sind inzwischen teilweise sehr ambitioniert. Der Anteil der kreditfinanzierten Aktienkäufe ist extrem hoch. 70 Prozent der jüngsten Börsengänge waren Unternehmen ohne Gewinne. Das gab es zuletzt in der Endphase des Techbooms 2000? Dazu kommt die Krise in der Ukraine. Wie ernst ist die Lage aus Ihrer Sicht?

Nun sind Sie aber wirklich pessimistisch! Natürlich sind die Bewertungen nicht mehr so günstig wie 2009. Aber die Sorge vor einer massiven Überbewertung am Aktienmarkt halten wir teilweise für weit übertrieben. Das DAX-KGV für die kommenden 12 Monate liegt derzeit bei rund 12,9. Im Mittel der letzten 25 Jahre lag das KGV bei knapp über 15. Die Bewertung des europäischen Aktienmarktes liegt gemessen am KGV derzeit ungefähr im historischen Durchschnitt. Dabei besteht unseres Erachtens durchaus die Möglichkeit, dass die Unternehmen in der Eurozone von der wirtschaftlichen Erholung profitieren, und die Gewinne in Zukunft weiter steigen. Lediglich der US-Aktienmarkt weist Zeichen einer leichten Überbewertung auf. Viele Anleger berücksichtigen dies bereits, und haben ihre Aktienquoten in Europa erhöht und ihren Anteil in den USA etwas reduziert. Allerdings besteht tatsächlich ein relativ enger statistischer Zusammenhang zwischen den Bewertung und den mittelfristigen Ertragsaussichten von Aktien. Die derzeitigen Bewertungsniveaus sind immer noch mit moderaten Kursgewinnen in den nächsten drei bis vier Jahren vereinbar, selbst in den USA. Anleger sollten sich jedoch darüber im klaren sein, dass die Kursgewinne aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr ganz so hoch ausfallen werden wie in den vergangenen Jahren. Natürlich verbleiben auch Risiken. Der Anteil der kreditfinanzierten Aktienkäufe erhöht die Gefahr, dass Korrekturen selbst aufgrund von kleineren Störfeuern schärfer und tiefer ausfallen. Grundsätzlich sollten Anleger auch die Situation in der Ukraine genau verfolgen. Bislang bleiben die wirtschaftlichen Auswirkungen des Konfliktes vor allem auf die Ukraine selbst und Russland beschränkt, und wir gehen davon aus, dass dies auch so bleiben wird. Im Falle einer weiteren, entscheidenden Eskalation nehmen die Risiken für die Weltwirtschaft und den Finanzmarkt jedoch erheblich zu.  

Was sollten Anleger jetzt also tun?

Das hängt natürlich sehr stark von der individuellen Situation des Anlegers ab. In einem gemischten Portfolio besteht unseres Erachtens mit der Korrektur jedoch die Möglichkeit, Aktien günstig zuzukaufen. Grundsätzlich dürften europäische Aktien unter den Industrieländern das größte Potenzial haben. Titel aus Südeuropa, Exporteure und Bankenwerte könnten besonders profitieren, wenn die Europäische Notenbank tatsächlich mit einer quantitativen Lockerung beginnen sollte.

Gold gilt als Krisenwährung. Sollten Anleger hier aufstocken?

Gold zählt mit zu den am schwierigsten einzuschätzenden Anlageklassen und hat auch in Krisensituationen nicht immer an Wert gewonnen. Wir können daher nicht empfehlen, den Goldanteil kurzfristig zu erhöhen um sich gegen Rücksetzer am Aktienmarkt abzusichern. Grundsätzlich gehört es aber durchaus zu einer vernünftigen langfristigen Anlagestrategie, einen kleinen Anteil an Gold physisch vorzuhalten.

4. Robert Halver, Börsenexperte, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank



Wir bleiben weiter positiv für Aktien



Die Nervosität an den Börsen wächst. Ist das nur ein Wackler in einem Aufwärtstrend oder sind das bereits ernste Vorboten einer bevorstehenden Korrektur?

Einerseits gibt es ohne Zweifel Risiken an den Finanzmärkten. Die Schwellenländer befinden sich im Übergang von einer export- und investitionsgetriebenen Volkswirtschaft hin zu einer Stärkung der Binnenkonjunktur. Bei diesem an sich gesunden Prozess kann es immer wieder zu Reibungsverlusten kommen, die die Aktienmärkte und insbesondere die deutschen - die im Vergleich deutlich stärker weltkonjunktur- bzw. exportsensitiv sind - zwischenzeitlich negativ beeindrucken können. In den USA halten sich die Befürchtungen vor einer zinspolitischen Wende hartnäckig. Und nicht zuletzt zeigt die Ukraine-Krise uns derzeit, dass politische Börsen auch längere Beine haben können.

Andererseits gibt es auch kraftvolle Pro-Argumente: Nach meiner Einschätzung wird sich Frau Yellen erstens mit Zinserhöhungen noch viel Zeit lassen und zweitens werden diese Zinserhöhungen im Vergleich zu früheren Zinsanstiegen homöopathisch ausfallen. Denn die US-Notenbank betreibt eine lockere Geldpolitik insbesondere für die Schwellenländer. Sie hat noch in guter Erinnerung, dass die Asien-Krise von 1997 die gesamte Weltkonjunktur und auch die amerikanische negativ heimsuchte. Auch Amerika verkauft mittlerweile volumenstarke Produkte und Dienstleistungen in die Emerging Markets. Ein früher gebranntes Fed-Kind scheut heute das Feuer. Überhaupt, die EZB und die Bank of Japan haben den Gipfel ihrer Offensive noch nicht erreicht. Mit der geldpolitischen Finanzierung neuer Staatsschulden, die die Volkswirtschaften Eurolands und Japans antreiben sollen, werden fundamental auch die Aktienmärkte gestärkt. Aufgrund der negativen Anleger-Psychologie und politischer Börsen bleibt den Notenbanken gar keine andere Wahl, als eine freizügige Geldpolitik zur Stimulierung von Konjunktur und Finanzmärkten zu betreiben. Denn würden nach einbrechenden Aktienmärkten - wie üblich - auch die Konjunktur kollateralen Schaden nehmen, wären alle Rettungsaktionen seit der Lehman-Pleite für die Katz, umsonst gewesen.

Sicherlich ist die Ukraine-Krise aktuell ein schwer einzuschätzendes geopolitisches Phänomen. Insbesondere diese Krise wird die Aktienmärkte vorerst mit hohen Kursschwankungen konfrontieren. Das Wohl und Wehe der insbesondere deutschen Aktienmärkte hängt stark vom Live-Ticker ab.

Eine Korrektur kann damit zunächst weitergehen, sollte aber die Marke von 9.000 DAX-Punkten - abseits massiver Kriseneskalation - schonen.

Es gibt allerdings auch Börsianer, die extrem skeptisch sind: Viele Investoren ziehen schon die Parallelen zum Absturz im Oktober 1987. Damals hatten wir auch eine fünfjährige Hausse und dann krachten die Börsen urplötzlich zusammen. Am Markt grassiert derzeit der Chart of Doom, der 1987 einen ähnlichen Chartverlauf im S&P500 suggeriert wie aktuell. Ist das alles nur Schwarzmalerei?

Man kann für jeden Anlass den passenden Chart ziehen. Aber wenn man schon die Aktien-Geschichte bemüht, sollte man sie nicht nur selektiv nach dem Motto heranziehen "Ich picke mir die Dinge heraus, die passen", sondern komplett betrachten. Im Vorfeld des Einbruchs des S&P 500 1987 hatte die US-Notenbank nämlich ihre lange Phase der Zinssenkungen beendet und die Zinswende angetreten. Die war schließlich der Beschleuniger für fallende Aktienkurse. Genau dies ist aber heute nicht zu befürchten. Im Hinblick auf die Probleme der Schwellenländer und der Ukraine-Krise wird eine US-Notenbank die Stimmung an den Finanzmärkten mit einer wirklich restriktiven Geld- und Zinspolitik nicht weiter verschärfen. Dann würde die Büchse der Pandora erst richtig geöffnet. Dann müssten wir eine Weltkonjunkturkrise befürchten, weil die weltweiten Anleger das Geld gerade aus den Schwellenländern, die für uns ja konjunkturelle Sorgenpausen sind, abziehen würden. So dumm wird kein Geldpolitiker sein. Erneut verweise ich auf die anderen zwei großen Notenbanken EZB und Bank of Japan, die ihr Pulver noch nicht verschossen haben.

Es gibt ja noch andere Parallelen zu vorangegangen Korrekturphasen: Die Bewertungen sind inzwischen teilweise sehr ambitioniert. Der Anteil der kreditfinanzierten Aktienkäufe ist extrem hoch. 70 Prozent der jüngsten Börsengänge waren Unternehmen ohne Gewinne. Das gab es zuletzt in der Endphase des Techbooms 2000? Dazu kommt die Krise in der Ukraine. Wie ernst ist die Lage aus Ihrer Sicht?

Ich behaupte nicht, dass im Rahmen der seit 2009 laufenden Liquiditätshausse keine Auswüchse entstanden sind. Wir sind sportlich bewertet und haben viel zu günstige Zinsen, die dann auch für kreditfinanzierte Aktienkäufe voluminös ausgenutzt werden. Dieser Preis der instabilen Rettung der Finanzwelt müssen die (Geld-)Politiker in Kauf nehmen, um die Stabilität der westlichen Finanzwelt zu gewährleisten. Man kann sagen, dass die alten Sünden an den Finanzmärkten bis 2008 mit neuen Sünden ab 2009 geheilt werden mussten. Auch weil in der Eurozone die dringend notwendigen Wirtschafts- und Finanzreformen zur nachhaltigen Wirtschaftsstabilisierung nicht getätigt werden - Wer reformiert, wird abgewählt - muss die EZB in die Bresche springen. Damit ist aus meiner Sicht die Rückkehr zur alten schönen heilen Finanzwelt mit einer der Stabilität verpflichteten Deutschen Bundesbank leider nicht mehr möglich. Denn die Finanzmärkte sind drogenabhängig, abhängig von der Droge Geld. Ein kalter Entzug würde zu schmerzhaften Stimmungseintrübungen auf Aktien- und nachfolgend auf realwirtschaftlichen Märkten führen.

Übrigens, auch die Irritationen aus der Krise in der Ukraine wird man zur Not mit billigem und viel Geld begrenzen. Denn bis zu einer hoffentlich politischen Lösung, die meines Erachtens eine Föderalisierung der Ukraine mit Neutralitätsstatus wie früher in Österreich umfassen wird, haben gerade solche politischen Börsen das Zeug, Aktienmärkte - in Ermangelung historisch verlässlicher Verlaufsmuster - zu verunsichern. Wo die Not bzw. Krise am größten, ist die Geldpolitik am nächsten. Aus dieser geldpolitischen Rettungsnummer kommen wir nie mehr heraus, mit allen Vorteilen für die Aktienmärkte, aber auch allen Nachteilen für die Stabilität und Bonität zum Beispiel der peripheren Euro-Staaten.

Was sollten Anleger also jetzt tun?

Für einen Komplettausstieg sehe ich keine Veranlassung. Eine bessere Alternative ist es, der Volatilität mit regelmäßigen Aktiensparplänen entgegenzuwirken, um im Auf und Ab der Aktienmärkte attraktive Durchschnittspreise zu erzielen. Im Einkauf liegt auch bei Aktien der Gewinn.

Persönlich bin ich immer erstaunt, wenn ich sehe, was längerfristig für Ausbildung oder Altersvorsorge zusammenkommt, wenn man z.B. das Kindergeld regelmäßig anlegt. Übrigens, den Zinseszinseffekt gibt es auch bei Dividenden, wenn sie wiederangelegt werden. Mit diesem fast schon banalen Instrument können Sie nicht verhindern, reich zu werden.

Daneben ist eine Höhergewichtung von euroländischen Substanzaktien aus den Bereichen Pharma, Konsum, Rückversicherer, Telekom und Versorgern, die sich in schwierigeren Marktphasen auch aufgrund ihrer hohen Dividenden stabiler verhalten. Zur allgemeinen Kursabsicherung sind aber auch Teilschutzprodukte wie Bonuszertifikate oder auch Puts geeignet. Auf eine noch stärkere Gewichtung von renditeschwachem Zinsvermögen sollte grundsätzlich verzichtet werden. Denn Zinsvermögen hat schon jeder über die staatliche Rente, Versicherungen, Festgelder und Sparbücher bis Oberkante Unterlippe. Der Durchschnitt der deutschen Anleger investiert sein Geldvermögen zu 80 Prozent in Zinspapieren. Da muss niemand mehr nachlegen

Gold gilt als Krisenwährung. Sollten Anleger hier aufstocken und welcher Anteil im Depot ist aktuell sinnvoll?

Grundsätzlich bleibt Gold ein wichtiger Stabilitätsanker in der Vermögensaufteilung, unabhängig von Krisen wie in der Ukraine. Die Notenbanken werden Edelmetalle zwar weiter im Kurs drücken. Denn sie können keine Ersatzwährung zu Geld zulassen, da ihre Rettung der Finanzwelt eben auf Geld basiert. Es würde ansonsten die geldpolitischen Rettungsmanöver im Extremfall zahnlos machen. Wenn ich mir aber anschaue, dass die Notenbanken zu den von ihnen selbst gedrückten Goldpreisen Gold physisch aufkaufen, kann ich nur sagen: Sie werden wissen, warum.

Früher oder später wird unsere immer mehr in Schuldenschönheit erstarrte Finanzwelt von geldpolitischen Gnaden einen hohen Preis zahlen müssen. Wenn die Staatswirtschaft die Privatwirtschaft verdrängt, ist früher oder später Schluss mit Wirtschaftswachstum. Dann nähern wir uns Zuständen wie in der DDR, die sozialpolitisch nicht zu halten sind. Dann schlägt die Stunde von Edelmetallen, denen dann die wichtige Werterhaltungsfunktion zukommt. Ich persönlich halte neben anderen sachkapitalistischen Anlageformen wie Aktien einen Vermögensanteil von 10 % Prozent in Edelmetallen. Das muss aber jeder für sich selbst entscheiden.