Die Wahrscheinlichkeit, dass es in den nächsten Jahren zu grundlegenden Änderungen kommt, ist aus Sicht von Experten und Brancheninsidern allerdings gering.

"Ich glaube nicht, dass sich da kurzfristig etwas ändern wird", sagt ein hochrangiger Banker der Nachrichtenagentur Reuters. "Die Crux ist, dass die Nationalstaaten ihre Großbanken bei Problemen im Notfall weiter retten müssen." Das werde sich frühestens Ende des Jahrzehnts ändern, wenn der einheitliche EU-Abwicklungsfonds weitgehend gefüllt sei. Die europäischen Geldhäuser zahlen in den kommenden acht Jahren 55 Milliarden Euro in den Fonds ein. Dieser soll künftig nach Eigentümern und Gläubigern für kriselnde Großbanken aufkommen.

Fürs erste gilt jedoch weiter die Aussage von Mervyn King, dem ehemaligen Chef der Bank of England: "Globale Banken sind zu Lebzeiten global, aber beim Sterben national." Auch Deutschland hat diese Erfahrung nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 gemacht. Die Einlagensicherung der deutschen Privatbanken musste damals einspringen, als die Deutschland-Tochter des Geldhauses mit in den Abgrund gezogen wurde.

Die deutsche Finanzaufsicht BaFin verhindert deshalb seit Jahren, dass zu viel Kapital und Liquidität von deutschen Bank-Töchtern an ihre ausländischen Mütter abfließt. Das trifft besonders die italienische Großbank UniCredit, die 2005 die Münchener HypoVereinsbank (HVB) geschluckt hatte. Die Abschottung ausländischer Banktöchter ("Ringfencing") gebe es aber nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern, berichtet UniCredit-Chef Federico Ghizzoni. Aus seiner Sicht ist das ein großes Problem für Europa. Überflüssige Liquidität, die Banken auf Druck der nationalen Aufseher vorhalten müssen, werde bei den Zentralbanken geparkt und könne folglich nicht in Form von Krediten in die Wirtschaft anderer Euro-Länder fließen.

Auf Seite 2: ABWARTEN UND TEE TRINKEN



ABWARTEN UND TEE TRINKEN

Die EU-Kommission hat diese Problematik schon länger im Auge und 2013 ein Gutachten dazu in Auftrag gegeben. Der bisher unveröffentlichte Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass nationale Aufsichtsbehörden in einigen Fällen unverhältnismäßig und im Alleingang gehandelt haben. Sie hätten sich teils nicht mit ihren Kollegen in anderen Ländern abgesprochen, "auch wenn sie dazu gemäß EU-Bankengesetzen verpflichtet gewesen wären". Die Kommission hat die nationalen Regulierer deshalb aufgefordert, bei Entscheidungen über Geldtransfers von Banken ins Ausland nicht übermäßig restriktiv vorzugehen.

Auch führende EZB-Mitglieder wie Daniele Nouy und Yves Mersch haben sich dafür ausgesprochen, es Banken einfacher zu machen, Liquidität über Ländergrenzen hinweg zu verschieben. Ob dieser Wunsch in Erfüllung geht, ist aus Sicht von Bankern und Experten aber ungewiss. "Wir müssen einfach abwarten und sehen, was passiert", sagt UniCredit-Chef Ghizzoni. Er weiß, dass es bei vielen nationalen Aufsichtsbehörden Widerstand gegen zu viel Freizügigkeit gibt. "In Deutschland ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass Banken auch nach der Einführung des einheitlichen europäischen Abwicklungsmechanismus ein bestimmtes Level an Liquidität und Kapital vorhalten", sagt ein deutscher Bankenaufseher. Er geht jedoch davon aus, dass die Summen, die HVB, ING-Diba und andere ins Ausland verschieben dürfen, künftig tendenziell steigen werden.

Die vage Aussicht auf moderate Erleichterungen wird Bankchefs nach Einschätzung von Experten nicht motivieren, nach dem europaweiten Gesundheitscheck große grenzüberschreitende Übernahmen in Angriff zu nehmen. Die Fragmentierung der Aufsicht mache es extrem schwer, bei solchen Deals genügend Synergien zu erzielen, sagt ein hochrangiger Banker. Auch ein Londoner M&A-Berater rechnet auf absehbare Zeit nicht mit Mega-Deals in der europäischen Finanzbranche. "Es gibt überall nationale Beschränkungen", sagt er. "Dieser politische und regulatorische Gegenwind ist nicht förderlich für große Fusionen und Übernahmen."

Reuters