Zuvor hatten die Wirtschaftsweisen die Europäische Zentralbank unter ihrem Chef Mario Draghi aufgefordert, sich allmählich von der Politik des ultrabilligen Geldes zu verabschieden.

Der Ökonom Friedrich Heinemann vom Mannheimer ZEW, das Börsianern monatlich den Puls fühlt, warnt vor langfristigen Risiken einer verspäteten Abkehr: "Die US-Notenbank ist dabei, sich einen ausreichenden Spielraum für die zinspolitische Bekämpfung der nächsten Krise zu erarbeiten. Sie ist inzwischen um Welten besser aufgestellt als die EZB." Die Fed schaffe mit den aktuellen Erhöhungen der Zinsen die Möglichkeit, sie in einem konjunkturellen Abschwung bei Bedarf wieder zu senken.

Die EZB hat jedoch nach Ansicht von Kritikern mit ihrem Festhalten an den Nullzinsen wenig Munition, um für einen solchen Fall gerüstet zu sein. "Der nächste globale Abschwung könnte schneller kommen, als viele das derzeit glauben. Die US-Notenbank wird dann handlungsfähig sein, während sich die EZB durch ihre Zögerlichkeit in eine hilflose Lage manövriert", sagte Heinemann.

Die EZB hält dagegen, dass ihr weiterhin unkonventionelle Instrumente bleiben, wie etwa ihre großangelegten Anleihenkäufe. Es sei eine der wichtigsten Lehren aus den Krisenjahren gewesen, dass solche unorthodoxen Maßnahmen in Notfallsituationen notwendig seien, betonte der scheidende EZB-Vizechef Vitor Constancio unlängst. Die EZB hat bereits Papiere im Volumen von mehr als zwei Billionen Euro aufgekauft und will das Programm noch mindestens bis September fortführen, wobei aber eine kurze Auslaufphase bis zum Jahresende im Gespräch ist. EZB-Direktor Benoit Coeure hatte jüngst gewarnt, eine weitere Finanzkrise in Europa könnte die Zentralbank an ihre Grenzen treiben.

"EZB WIRD SICH NOCH VIEL ZEIT LASSEN"



Für den Fall steigender Zinsen sollten sich die deutschen Geldhäuser laut Bundesbankchef Jens Weidmann jedoch rechtzeitig rüsten. Wegen der damit verbundenen Zinsänderungsrisiken müssten "jetzt Rückstellungen gebildet werden", sagte Weidmann der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Donnerstag. Das scheidende Bundesbank-Vorstandsmitglied Andreas Dombret hatte jüngst darauf hingewiesen, dass der geringe Unterschied zwischen kurzfristigen und langfristigen Zinsen dafür sorge, dass Institute vermehrt kurzfristig fällige Einlagen erhielten. Reichten sie gleichzeitig vermehrt langlaufende, festverzinsliche Kredite aus, erhöhen sich hierdurch die Liquiditäts- und Zinsänderungsrisiken.

Die EZB wird sich nach Einschätzung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) jedoch mit der Straffung ihrer Geldpolitik noch viel Zeit lassen. "Zwar dürften die Nettokäufe im Wertpapierprogramm Ende September eingestellt werden. Allerdings rechnen wir damit, dass die EZB danach rund ein Jahr bis zur ersten Zinsanhebung warten wird.

Die Federal Reserve in den USA setzte hingegen am Mittwochabend auf der ersten Sitzung unter Regie ihres neuen Präsidenten Jerome Powell den Leitzins erneut um einen Viertelpunkt hoch - auf eine Spanne von 1,5 bis 1,75 Prozent. Es ist die sechste Zinserhöhung seit Ende 2015.

rtr