Die Kursreaktion ist deutlich. Mit einen Plus von fast drei Prozent finden Börsianer offensichtlich gefallen an Lindes drittem Quartal. Die Ergebnisse sind zwar weiter von sinkenden Umsätzen und Gewinnen gekennzeichnet, doch das Zahlenwerk fällt weniger schlecht aus als erwartet. Der Umsatz und das operative Ergebnis (Ebitda) sanken im Vergleich zum Vorjahreszeitraum jeweils um zwei Prozent auf 4,4 Milliarden und 1,01 Milliarden Euro. Der Markt hatte hingegen für beide Werte mit einem Minus von je über neun Prozent gerechnet.

Neben einem langsameren Wachstumsrückgang als befürchtet, dürften die Aktionäre einige weitere Aspekte an den zurückliegenden Monaten gefallen haben. Die sinkenden Umsätze im gehen Großteils auf negative Währungseffekte zurück. Bei stabilen Wechselkursen sanken die Einnahmen in den ersten neun Monaten nur 1,1 Prozent. Gleichzeitig gab das operative Ergebnis nur halb so stark nach wie der Ertrag. Dem Konzern ist es also gelungen, seine Margen dank ersten Restrukturierungserfolgen und sinkender Einkaufspreise für Erdgas zu steigern. Am erfreulichsten erscheint jedoch die Entwicklung im angeschlagen Anlagenbau. Großprojekte für die Erdöl- und Erdgasaufbereitung werden wegen der niedrigen Rohstoffkosten derzeit kaum umgesetzt. Ergebnis: Ein Umsatzrückgang von 13,1 Prozent. Dafür zog der Auftragseingang stark an und auch die Gewinnspanne konnte bei 8,4 Prozent stabilisiert werden. Als Schleife um dieses Paket wickelt Linde trotz der wirtschaftlichen Probleme das Versprechen, die Dividende für 2016 weiter zu steigern.

Um dem Umsatz- und Ertragsrückgang entgegenzuwirken, hat Linde sich zudem ein neues 370 Millionen Euro schweres Sparprogramm bis 2019 auferlegt. Zusammen mit den bereits laufenden Kostenkürzungen, sollen so bis 2019 insgesamt 550 Millionen Euro eingespart werden. Dabei macht der Ex-Vorstandsvorsitzende und jetzige Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle vor nichts halt. Das Ziel: Linde soll zu einem der profitabelsten Konzerne der Branche werden. In der Gas-Sparte fragt sich Linde, ob das Unternehmen wirklich in jedem Winkel der Erde und allen Produktgruppen vertreten sein will. Im Anlagenbau sollen die Kapazitäten angepasst werden, was Spekulationen um einen bevorstehenden Personalabbau weiter Vortrieb geben dürfte. Zudem will sich der Konzern von Bereichen, die nicht zum Kerngeschäft gehören, trennen. Alle Maßnahmen zusammen sollen die Marge des Dax-Konzerns verbessern, während für das Wachstum auch Ergänzungsakquisitionen geplant sind.

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Einschätzung der Redaktion



Nach der geplatzten Mega-Fusion mit dem amerikanischen Gas-Konzern Praxair, ist das Sparprogramm die logische Konsequenz angesichts sinkender Umsätze und Gewinne. Das soll die Anstrengungen nicht schmälern, die Maßnahmen gehen in die richtige Richtung und zeigen bereits zarte Erfolge. Doch der Weg wird noch hart. Die Kürzungen werden Einmalkosten in Höhe von 400 Millionen Euro verursachen, der Großteil davon dürfte 2017 anfallen. Den Lohn aus den Einspareffekten wiederum glaubt Linde erst ab 2018 wirklich sehen zu können. Gleichzeitig zieht der französische Weltmarktführer Air Liquide den Deutschen weiter davon. Während Linde im Bereich Gas im abgelaufenen Quartal einen Rückgang verkraften musste, konnten die Franzosen und Amerikaner hier Zuwächse erzielen. Nach dem Preissprung der Aktie scheint das Kurspotential daher vorerst weiter begrenz, weshalb sich ein Einstieg derzeit noch nicht aufdrängt. Allerdings gehört der Wert auf die Beobachtungsliste. Kann Linde weiter Verbesserungen bei seinen Margen zeigen, ergeben sich zwei Spekulationen: Zieht die Weltkonjunktur in den kommenden Jahren etwas stärker an, sollten die verbesserten Margen überproportionale Gewinne ermöglichen. Bleibt diese Entwicklung aus, sehen die Wachstumschancen für Linde zwar schlechter aus, doch als mögliche Profit-Perle wäre der Konzern ein potentielles Übernahmeziel.