Er hoffe aber, dass die Lufthansa bald ein neues Angebot in dem Streit über die Frührenten-Regelung für die 5400 Flugzeugführer vorlege. Europas größter Luftfahrtkonzern hingegen setzt auf Gespräche und signalisiert bislang keine neue Offerte. "Es ist noch kein Tarifkonflikt durch Streiks gelöst worden", sagte ein Unternehmenssprecher. In der Bundesregierung wächst derweil die Sorge vor negativen Folgen für die Konjunktur in Deutschland.

Mit einem 35-stündigen Streik erhöhen die Flugzeug-Kapitäne in dieser Woche den Druck in dem monatelangen Arbeitskampf. Seit Montagmittag bestreiken die Piloten innerdeutsche Verbindungen und Europa-Flüge und seit dem frühen Dienstagmorgen auch Langstreckenflüge. Ab Frankfurt fallen fast alle Interkontinental-Verbindungen aus. Auch ein Großteil der Kurz- und Mittelstreckenflüge am größten deutschen Flughafen wurde annulliert.



Einfach nervig."
Die US-Politikerin Bonnie Lowenthal zu ihrer Reise von Los Angeles nach Prag und ihren unfreiwilligen Zwischenstopp in Frankfurt.


Die Folgen waren offensichtlich: Vor den Check-In-Schaltern in Frankfurt bildeten sich teils lange Schlangen. Fest hing etwa die US-Politikerin Bonnie Lowenthal, die von Los Angeles nach Prag unterwegs war, um dort zwei Wochen Urlaub zu machen. Wegen des Lufthansa-Streiks müsse sie auf den Zug ausweichen, die Fahrt dürfte acht Stunden dauern, sagte die 74-jährige. Da sie sich beruflich für Arbeitnehmer-Rechte einsetze - sie sitzt für die Demokraten im Parlament von Kalifornien -, habe sie Verständnis für den Piloten-Ausstand. "Aber für mich als Reisende ist es einfach nervig."

Von den geplanten 2330 Lufthansa-Flügen fallen etwa 1500 aus, also zwei von drei. Rund 166.000 Passagiere sind betroffen. "Die Streikbeteiligung ist sehr hoch - wir sind zufrieden", sagte Cockpit-Vorstand Wahl. Noch mehr Ausfälle, nämlich 3800, hatte die Lufthansa lediglich im April zu verkraften. Damals legten die Flugzeugkapitäne die Arbeit für drei Tage komplett nieder. Luftfahrt-Experten beziffern den direkten Schaden für die Lufthansa aus dem siebenmonatigen Arbeitskampf bislang auf 100 Millionen Euro. Ein Rückgang der Flugbuchungen in Folge der Ausstände ist noch nicht mitgerechnet. Um den jüngsten Streik in letzter Minute zu verhindern, hatte die Lufthansa gegen Cockpit geklagt. Der Antrag auf ein Verbot der Arbeitsniederlegung wurde jedoch vom Hessischen Landesarbeitsgericht abgeschmettert.

Auch nach Ende des mittlerweile achten Piloten-Ausstands in diesem Jahr - um Mitternacht - kann die Lufthansa nicht sofort zum Normalbetrieb zurückkehren. Für Mittwoch wurden bereits rund 60 Verbindungen annulliert. Die Flugzeugführer kämpfen für die Beibehaltung der Frührentenregelung. Die Lufthansa sieht sich wegen harter Konkurrenz außerstande, die im Branchenvergleich großzügigen Vorruhestandsregeln weiter zu finanzieren. Bislang konnten die Piloten frühestens mit 55 Jahren das Steuer aus der Hand legen - durchschnittlich starten sie mit 59 Jahren in die Rente. Die Lufthansa will den Schnitt auf 61 Jahre erhöhen. Zudem kämpfen die Piloten gegen Pläne der Konzernleitung für eine neue Billig-Fluglinie.

MINISTER FÜRCHTET SCHADEN FÜR KONJUNKTUR

In Deutschland streiken derzeit nicht nur die Lufthansa-Piloten, sondern immer wieder auch Lokomotivführer. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt warnt vor einer weiteren Ausdehnung der Arbeitskämpfe. "Eine Dauerblockade würde der Konjunktur schaden", sagte der CSU-Politiker der "Bild"-Zeitung. Die Verkehrswege seien das zentrale Nervensystem Deutschlands und seiner Wirtschaft. "Dieses Nervensystem darf nicht lange lahmgelegt werden", warnte er. Bisher aber hätten die Streiks noch keine nachhaltigen Schäden verursacht.

Eine Dauerblockade würde der Konjunktur schaden."
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt sieht durch die anhaltende Streikwelle bei Lufthansa und der Bahn allmählich Gefahren für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland.


Wirtschaftsvertreter und Ökonomen teilen die Ansicht. "Die Streiks sind sicherlich im Einzelfall hinderlich und ärgerlich für Reisende. Selbstverständlich verzögern sie auch bestimmte Lieferketten", sagte Eckart Tuchtfeld, Konjunktur-Analyst der Commerzbank. Aber bisher seien die Ausstände eher punktueller Natur gewesen. "Insofern gehen wir bisher von recht begrenzten Auswirkungen auf die Konjunktur aus." Falls es aber zu weiteren Streiks vor allem bei der Bahn komme, könne sich das rasch ändern. Insbesondere die Streiks im Güterverkehr machen nach Aussagen des Außenhandelsverbands BGA einigen Branchen zu schaffen.

rtr