Plötzlich rumpelt es. Jeder Flugreisende wird diese unangenehme Erfahrung schon durchlebt haben. Auch Aktionäre der Lufthansa sind Turbulenzen gewöhnt - ein Tagesverlust von 15 Prozent ist aber selbst für die stark schwankenden Notierungen des Airlinesektors extrem. Die beruhigenden Worte aus dem Cockpit werfen im Fall der Lufthansa-Aktie allerdings eher Fragen auf.

Vor wenigen Wochen noch schien alles in Ordnung. Auf der Hauptversammlung Ende April hatte der scheidende Vorstandschef Christoph Franz "viele positive Nachrichten" für die Aktionäre. Besonders gut kam der Dividendenvorschlag an: 45 Cent je Aktie zahlte der Kranich, mehr als die meisten Analysten zu Jahresbeginn erwartet hatten.

Jetzt die Gewinnwarnung. Anstelle des neuen Konzernchefs Carsten Spohr bemühte sich Finanzvorstand Simone Menne, den Umschwung zu erklären: Die Anfang Mai genannten Risiken hätten sich "leider konkretisiert".

Für das laufende Jahr peilt die Lufthansa jetzt nur noch einen operativen Gewinn von einer Milliarde Euro an - ein Drittel weniger als zuvor. Für das kommende Jahr stutzte der Kranich das Ziel von 2,65 auf zwei Milliarden Euro. Vor allem das Amerika- und Europageschäft der Lufthansa leide unter steigenden Überkapazitäten, heißt es aus dem Konzern. Als Konsequenz will die Lufthansa den Winterflugplan "spürbar reduzieren", so die Finanzchefin.

Die angeführten Probleme sind nicht neu. Das Geschäft der Fluggesellschaften war schon immer hart umkämpft. Die Kosten für Treibstoff sind über die vergangenen Jahre deutlich gestiegen, die Margen der Airlines sind selbst in wirtschaftlich guten Phasen niedrig. Durch den Aufstieg der Billigflieger und die Attacken der arabischen Airlines hat der Wettbewerb an Schärfe gewonnen.

Mit dem Optimierungsprogramm Score wollte Franz die Strukturen der in vielen Bereichen noch immer schwerfälligen Lufthansa verbessern und die Kosten deutlich senken. Das sorgt im Konzern für große Unruhe, kam an den Finanzmärkten aber gut an: Über die vergangenen zwei Jahre hat sich der Aktienkurs der Lufthansa mehr als verdoppelt. Börsianer rätseln jetzt, ob die Gewinnwarnung noch andere Hintergründe als die Entwicklung des Tagesgeschäfts haben könnte.

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Auf den Boden der Realität

Spohr wäre nicht der erste Konzernchef, der zu Beginn seiner Amtszeit die Messlatte niedrig legt. Nach dem Motto: Eine Gewinnwarnung gleich zu Beginn ist einfacher zu verkaufen als nach drei oder sechs Monaten. Denkbar wäre aber auch, dass unter dem neuen Chef die Sorgen der Belegschaft stärker gehört werden. Das könnte bedeuten, dass Aktionäre künftig kürzertreten müssten, etwa bei der ohnehin stets wackeligen Dividende.

Eine unaufgeregte Erklärung hat die Fondsgesellschaft Union Investment: Der neue Chef positioniere die Lufthansa wieder auf einem "realistischen Level", meint Fondsmanager Christoph Niesel. Unter Analysten hatte es schon vor der Gewinnwarnung Zweifel an Franz’ Gewinnzielen gegeben. Die Konsensschätzung ging laut Datendienst Bloomberg für 2015 lediglich von einem operativen Gewinn von 2,12 Milliarden Euro aus. Das relativiert die auf den ersten Blick drastische Gewinnwarnung etwas. Inzwischen haben viele Analysten ihre Gewinnziele weiter nach unten geschraubt. Die aktualisierte Konsensschätzung liegt jetzt auch unter der reduzierten Konzernprognose.

Die Euphorie um die Lufthansa-Aktie hat sich mit der Gewinnwarnung gelegt. Mehre Banken stuften das Papier herab. Der Anteil der Kaufempfehlung ist unter 50 Prozent gefallen. Da Analysten generell zu Optimismus neigen, ist das eine schlechte Quote. Die eingetrübte Stimmung muss aber kein schlechtes Zeichen sein: Nach dem deutlichen Kursrutsch in dieser Woche hat die Aktie auf relativ soliden Unterstützungslinien aufgesetzt. Bis zum Juli, wenn Spohr auch "strukturelle Maßnahmen" präsentieren will, bleibt wohl Zeit, den Kursschocker zu verdauen.

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