Die Deutsche Bahn erklärte am Dienstag, sie wolle Engpässe im Güterverkehr trotz der ab Dienstagnachmittag vorgesehenen Arbeitsniederlegung verhindern. Für Mittwoch und Donnerstag, wenn zusätzlich auch Personenzüge betroffen sind, kündigte der Staatskonzern einen Ersatzfahrplan an. Mit Verspätungen und Ausfällen muss dennoch gerechnet werden, wie die Erfahrung der vorangegangenen sechs Streikrunden lehrte. Fahrgäste können ihre Tickets und Reservierungen kostenlos erstatten lassen. Profitieren dürften von dem Streik die Fernbusgesellschaften. "Der Umsatz der Branche könnte wegen des Streiks um mehrere Millionen Euro steigen", sagte der Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer (bdo), Matthias Schröter.

Der Streik Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) soll im Güterverkehr von Dienstagnachmittag (15.00 Uhr) bis Freitag (09.00 Uhr) und damit 66 Stunden dauern. Der Personenverkehr soll von Mittwoch (02.00 Uhr) bis Donnerstag (21.00 Uhr) bestreikt werden.

In der Wirtschaft stieß der Arbeitskampf auf Kritik. "Bei durchgängigen Streiks sind in der Industrie empfindliche Produktionsausfälle zu erwarten", sagte Dieter Schweer, Mitglied der Hauptgeschäftsführung im BDI. "Streikbedingte Schäden können von einstelligen Millionenbeträgen schnell auf bis zu 100 Millionen Euro Schaden pro Tag wachsen." Besonders hart betroffen seien Branchen, die auf die Bahn angewiesen seien, etwa Chemie-Gefahrgut-Transporte, die Stahlindustrie oder die Autowirtschaft. Ein kurzfristiges Ausweichen auf andere Verkehrsträger sei nur sehr eingeschränkt möglich, kritisierte die Wirtschaftsvereinigung Stahl.

Eine Bahn-Sprecherin sagte, das Unternehmen stehe in engem Kontakt zu Kunden. "Besonders versorgungsrelevante Transporte haben Vorrang, damit es nicht zu Produktionsausfällen kommt." Dies gelte etwa für die Auto- und Chemieindustrie. Ein Krisenteam in der europäischen Leitstelle in Frankfurt koordiniert demnach die Züge.

Von den rund 20.000 Lokführern sind über 4000 Beamte und dürfen daher nicht streiken. Weitere 5000 sind nach Angaben der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG bei ihr und nicht bei der GDL organisiert. Auch diese sind einsetzbar.

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"JEDES AUGENMASS VERLOREN"

Für ihr Vorgehen erntete die GDL scharfe Kritik. "Eine kleine Gruppe versucht wieder einmal, auf dem Rücken von Wirtschaft und Bevölkerung ihre Partikularinteressen durchzusetzen", erklärte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes BGA, Gerhard Handke. Die Streiks untergrüben das Vertrauen von Industrie und Handel in die Zuverlässigkeit der Bahn und konterkarierten alle Bestrebungen der Politik, mehr Güter auf die Bahn zu bringen. Die GDL säge damit "an dem Ast, auf dem sie sitzt". Der BDI kritisierte, die Gewerkschaft handele verantwortungslos und habe das Augenmaß verloren.

Die GDL verteidigte dagegen ihr Vorgehen. "Wenn wir streiken, streiken wir nicht gegen die Bahnkunden, sondern wir streiken gegen den Arbeitgeber. Wir fügen ihm wirtschaftlichen Schaden zu", sagte ihr Vorsitzender Claus Weselsky im Deutschlandfunk. Die Bahn selbst habe den Streik zu verantworten.

Hauptkonfliktpunkt ist, dass die GDL nicht nur für die rund Lokführer, sondern auch für Zugbegleiter und Rangierführer eigene Tarifverträge abschließen will. Dies strebt aber auch die größere, konkurrierende EVG an. Die Bahn wiederum will unterschiedliche Abschlüsse für dieselbe Berufsgruppe vermeiden. Unter Druck fühlt sich die GDL zudem durch das Tarifeinheitsgesetz, das die große Koalition noch vor der Sommerpause beschließen will. Es würde den Einfluss kleinerer Gewerkschaften wie der GDL einschränken.

Bislang hat die GDL sechsmal in dem Konflikt gestreikt. Im November begann sie einen Ausstand, der rund 100 Stunden dauern sollte, dann aber nach gut 60 Stunden abgebrochen wurde. Die Gespräche laufen seit weit über einem Jahr.

Reuters