Reed Hastings, Chef des Videostreamingdiensts Net­flix, schont niemanden, wenn es um harte Fakten geht. Gerade hat der Amerikaner so manchen Börsianer vergrault. "Wir werden außerhalb der USA einen Verlust von 42 Millionen Dollar einfahren", beschrieb Hastings die Folgen der internationalen Expansion im laufenden Quartal. Klartext ist angesagt, wenn es um das wichtigste laufende Projekt des inzwischen nach Kunden weltgrößten Streamingdiensts geht. Der Wachstumskurs kostet, 15 Millionen US-Dollar Miese haben die Kalifornier im abgelaufenen Quartal außerhalb des Heimatmarkts eingefahren. Nun also knapp das Dreifache - es ist ein hoher Preis, den Hastings für Wachstum zu zahlen bereit ist.

Manchem Beobachter an der Wall Street schmeckte die entsprechend dürftige Gewinnprognose für die laufenden drei Monate gar nicht, der Kurs bröckelte spürbar ab. Statt erwarteter 1,14 Dollar pro Aktie wird das Unternehmen nur 89 Cent liefern.

Die Quartalsergebnisse jedoch überzeugten. Der Umsatz war um beinahe 40 Prozent auf 1,34 Milliarden Dollar angeschwollen, der Nettogewinn um ein gutes Drittel auf ­ 71 Millionen Dollar gestiegen.

Allen Unkenrufen zum Trotz hat Hastings inzwischen bewiesen, dass der Laden läuft. Netflix bietet Abonnenten gegen eine monatliche Pauschale über das Internet Zugang zu Tausenden Spielfilmen und Serien. Kunden können sich die Inhalte über ihren Fernseher oder Computer anschauen, wann immer sie wollen. Das sogenannte Streamen ist vor allem bei der jüngeren Generation angesagt, die immer seltener vorgefertigte Programme von TV-Sendern zu akzeptieren bereit ist. Zwar konkurrieren starke Player mit den Kaliforniern im rasant wachsenden Markt, etwa Amazon oder Apple. Doch Netflix gewinnt kräftig Neukunden - im Quartal waren es über eine Million - und kommt weltweit auf über 50 Millionen Nutzer.

Heldenepos läuft
Im Heimatmarkt hatten die Kalifornier vergleichsweise leichtes Spiel. In den USA geben Haushalte im Schnitt um die 100 Dollar im Monat für TV-Inhalte aus - Zahlungsbereitschaft ist also vorhanden. Netflix punktete aber auch deshalb gegen Kabel-TV-Anbieter, weil Hastings mutig auf exklusive Inhalte setzte, etwa mit der selbst produzierten ­Politserie "House of Cards" oder mit dem jüngsten Hit, der Frauenknastreihe "Orange is the new Black".

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Der Mut des Managements macht sich bislang auch im Ausland bezahlt. Während Netflix noch bei den Olympischen Spielen in London 2012 Einbußen beim Wachstum vermelden musste, hat das Unternehmen von der Fußball-WM in Brasilien profitiert: Viele Brasilianer oder Argentinier meldeten sich bei den Amerikanern an, nachdem sie wegen der WM einen internettauglichen Fernseher gekauft hatten. Auch in Europa läuft das Geschäft gut, etwa in Großbritannien, den Niederlanden oder Schweden.

Die nächste Stufe der Expansion zündet in schwierigerem Terrain: In Frankreich etwa, einem Markt, auf dem sich US-Formate nicht so gut verkaufen lassen. Hier will Hastings verstärkt mit lokalen Inhalten punkten. Im September soll der Dienst dann nach Deutschland kommen, auch ein harter Brocken. Bezahlfernsehen tut sich hier wegen der Stärke der Öffentlich-Rechtlichen und vieler freier Sender schwer.

Tempo vor Profitabilität
Der Streaming-Markt ist zudem umkämpft: Prime Instant Video von Amazon etwa gibt es schon. Maxdome von ProSiebenSat.1 ebenfalls.
Das Erfolgsgeheimnis der Kalifornier liegt bislang darin, dass sie ihr Geschäft rasch vorantreiben. Das Tempo geht indes auf Kosten der Profitabilität. "Es war immer so, dass wir anfangs hohe Verluste hatten, die dann geschwunden sind. Wir hoffen, dass das so bleibt", sagt Hastings. In Wachstum zulasten des Profits zu investieren - bislang geht die Rechnung für Netflix auf.

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Einschätzung der Redaktion:

Analysten trauen Netflix ein hohes Gewinnwachstum zu. Im laufenden Jahr soll der Profit demnach über 50 Prozent zulegen. Das könnte zu hoch angesetzt sein - was die Aktie anfällig für mögliche Rückschläge macht. Fundamental spricht aber viel für weitere Erfolge. Für risiko-bereite Anleger als Beimischung.