Zusätzlich entlastet werden dürfte der Bundesetat durch die weiter sprudelnden Steuereinnahmen: Die neue Steuerschätzung in der kommenden Woche dürfte Schäuble für 2016 Mehreinnahmen von ein bis zwei Milliarden Euro vorhersagen. Wie 2015 buchstäblich im Geld schwimmen wird Schäuble deshalb aber nicht. Denn auf ihn kommen noch Milliardenausgaben zu, darunter die Abrechnung der Flüchtlingskosten mit den Ländern.

Wegen dieser massiven Verschiebungen im Bundeshaushalt wird in der großen Koalition nicht ausgeschlossen, dass Schäuble beim Bundestag sogar einen Nachtragsetat beantragen muss. Rechtlich wäre das notwendig, falls die Regierung ihren Investitionsfonds für finanzschwache Kommunen noch 2016 aufpolstern sollte. Darin sind derzeit 3,5 Milliarden Euro geparkt. Nach Worten von Vize-Kanzler Sigmar Gabriel soll er um ein Programm zur Sanierung von Schulen ergänzt und auf sieben Milliarden Euro erhöht werden.

SCHÄUBLE HAT MIT ZU HOHEN ZINSKOSTEN KALKULIERT



Dass die Bundesregierung dafür das Geld hat, ohne neue Schulden zu machen oder an anderer Stelle zu sparen, verdankt sie vor allem der EZB. Bisher sind in Schäubles Haushalt Zins-Ausgaben von 23,8 Milliarden Euro vorgesehen. Viel mehr als 19 Milliarden Euro davon dürften es allerdings nach Angaben aus dem Regierungsbündnis kaum werden. Die Einschätzung wird durch Zahlen des Finanzministeriums gestützt, die Reuters vorliegen: Demnach musste der Bund von Januar bis September 2016 nur 17,8 Milliarden Euro für Zinsen aufwenden. Weil im Schlussquartal üblicherweise keine großen Zinsausgaben mehr anfallen, dürfte der Betrag für das Gesamtjahr nicht wesentlich darüber liegen.

Bereits seit Jahren profitiert der Bund, der auf einem Schuldenberg von 1,3 Billionen Euro sitzt, von der Niedrigzins-Politik der EZB, mit der die Zentralbank Inflation und Konjunktur in der Euro-Zone ankurbeln will. 2008 musste der Bund noch über 40 Milliarden Euro für Zinsen ausgeben, in diesem Jahr dürfte es bereits absehbar weniger als die Hälfte sein. Der Grund: Die Mager-Zinsen drücken auch den Garantiezins, den Schäuble Investoren bei der Ausgabe neuer Staatsanleihen bieten muss. So hatte der Bund im Sommer erstmals in der Geschichte eine zehnjährige Bundesanleihe mit einem Null-Kupon platziert.

Auch bei den Steuereinnahmen in diesem Jahr droht dem CDU-Minister nach Einschätzung aus der Koalition zumindest keine böse Überraschung. Zwar schwächte sich der steile Aufwärtstrend zuletzt ab. In Koalition und Regierung wird aber erwartet, dass die Herbst-Steuerschätzung ihre Einnahmeerwartungen für den Bund im Gesamtjahr um ein bis zwei Milliarden Euro heraufsetzen wird. Schäuble präsentiert das Ergebnis am Freitag kommender Woche.

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FLÜCHTLINGE SIND SCHÄUBLES MILLIARDENRISIKO



Auf der anderen Seite der Gleichung steht, dass Schäuble in diesem Jahr noch Milliardensummen stemmen muss, die bisher nicht im Haushalt stehen. So übernimmt der Bund pro Flüchtling und Monat zwar pauschal 670 Euro. Ihre tatsächlichen Kosten werden die Länder dem Bund aber demnächst präsentieren. Hier schlummert für Schäuble ein Risiko in Milliardenhöhe. Darüber hinaus hat der Bund den Ländern in diesem und den kommenden beiden Jahren eine Integrationspauschale von jeweils zwei Milliarden Euro zugesagt. Hinzu kommen überplanmäßige Ausgaben des Entwicklungsministeriums und des Auswärtigen Amtes im Zusammenhang mit dem Syrienkrieg und der Flüchtlingskrise.

Zur Finanzierung flüchtlingsbezogener Ausgaben hat Schäuble im Etat 2016 auf eine Reserve von 6,1 Milliarden Euro. Wegen der guten Entwicklung bei Zinsen und Steuereinnahmen wird er diese voraussichtlich nicht ganz aufbrauchen, möglicherweise sogar nicht antasten müssen. Einen Etatüberschuss wie 2015, als unter dem Strich ein Plus von 12,1 Milliarden Euro stand, wird er nach Einschätzung aus der Koalition aber 2016 nicht erneut schaffen.

rtr