von Heinz-Gerd Sonnenschein, Aktienmarktstratege, Deutsche Postbank

Seit seinem zyklischen Tief am 9. März 2009 hat der S&P 500 satte 211 Prozent zugelegt. In einem fairen Vergleich (Kursindex vs. Kursindex) schlägt er den DAX klar, der im genannten Zeitraum "nur" auf ein Plus von 174 Prozent kommt. Zuletzt erreichte der US-Leitindex neun Quartalsanstiege in Folge. Solch eine Serie zeigte er zuletzt Ende der 90er Jahre. Sie kann im 2. Quartal eine Fortsetzung finden. Denn auch im 1. Quartal 2015 erreichte der S&P 500 per Saldo ein Plus, wenn auch nur ein kleines von plus 0,4 Prozent QoQ.

Im Vergleich der international wichtigen Leitindizes nimmt sich dieser Kurszuwachs zwar bescheiden aus, aber er wurde in einem Umfeld erreicht, das nicht unbedingt für Kurszuwächse geschaffen ist. Das Anleihekaufprogramm der Fed war im 4. Quartal ausgelaufen und die erste Leitzinserhöhung ist seitdem nur noch eine Frage der Zeit.

Von dem Zeitpunkt an, sobald bei den Marktteilnehmern die Gewissheit zunimmt, dass die Notenbank die Zinsen erhöhen wird, bis zum ersten Zinsschritt verhalten sich Aktienkurse grundsätzlich volatil. Weitere Kurszuwächse sind dann eher die Ausnahme als die Regel. Vor allem wenn die Notenbanken anderer großer Volkswirtschaften EZB, PBoC, BoJ und BoE diametral entgegengesetzt zur Fed an ihrer lockeren Geldpolitik festhalten und die drei Erstgenannten diese sogar noch verstärken.

Die Aufwertung des Greenback sowohl zum Euro als auch handelsgewichtet ist eine Folge dieser zunehmend entgegengesetzten Positionen der weltweit relevanten Notenbanken. Seine negativen Auswirkungen auf die Umsatz- und Gewinnentwicklung wurde schon in zahlreichen Quartalsberichten und Geschäftsausblicken von US-Unternehmen klar erkennbar. Dank des großen Heimatmarktes halten sie sich bisher in Grenzen, so dass das aggregierte EPS des S&P 500 für 2014 YoY noch einen Zuwachs von 9 Prozent aufwies. Im Gegensatz dazu stagnierte das aggregierte EPS des DAX und das des Euro Stoxx 50 schrumpfte sogar.

Auf Seite 2: Was 2015 zu erwarten ist



Die im Vergleich zur Alten Welt prosperierende Wirtschaft in der Neuen Welt ist nicht nur der Grund für die Fed die Zügel anzuziehen, sondern auch ein maßgeblicher Faktor für die im Vergleich stärkere Geschäftsentwicklung vieler US-Firmen. Das US-BIP zeigte 2014 ein Wachstum von 2,4 Prozent im Vergleich zu 1,6 Prozent für Deutschland bzw. 0,9 Prozent für den Euroraum insgesamt. Auch für 2015 erwarten wir mit 3,1 Prozent eine dynamischere Konjunkturentwicklung in den USA als in Deutschland (plus 2,0 Prozent) oder der Eurozone (plus 1,4 Prozent).

Der Gegenwind des aufwertenden US-Dollar, aber vor allem der deutliche Öl-Preisrückgang limitieren auf aggregierter Basis das Gewinnsteigerungspotenzial der US-Firmen. Für den S&P 500 erwarten wir 2015 eine Stagnation des EPS bei 118 USD. YoY wird es in den ersten drei Quartalen auf Indexbasis sogar zu Gewinnrückgängen kommen. Nach unseren Berechnungen liegen die Rückgänge aber im niedrigen einstelligen Prozentbereich und sind überwiegend dem Gewinneinbruch im Energiesektor geschuldet. Im Jahresverlauf wird der Druck speziell auf diesen Sektor nach unserer Einschätzung aber abnehmen, da wir zum einen eine moderate Erholung des Ölpreises erwarten und zum anderen die Vergleichsgrößen der Unternehmensgewinne aus Q3 und vor allem Q4 2014 auch schon durch den fallenden Ölpreis beeinträchtigt waren. Ohne den Energiesektor gerechnet erwarten wir auf aggregierter Basis ein Gewinnplus YoY von gut 7 Prozent im laufenden Jahr.

Auf Seite 3: Wie Anleger reagieren könnten



In Anbetracht des doch deutlichen Gegenwindes, den die genannten Punkte entwickeln können, zeigt der S&P 500 YtD nach unserer Einschätzung eine starke Performance. Bis zum ersten Zinsschritt durch die Fed wird die volatile Seitwärtsphase aber anhalten. Die Reaktion der Marktteilnehmer auf einzelne Konjunkturnachrichten bleibt vorerst unberechenbar.

Auf schwächere Nachrichten können sie mit Käufen reagieren. Wie beispielsweise am 6. April als Reaktion auf den schwächer als erwartet ausgefallenen Arbeitsmarktbericht, der die Hoffnung schürte, dass die Fed die Leitzinsen erst zu einem späteren Zeitpunkt anheben könnte. Es hätte uns aber auch nicht überrascht, wenn die Interpretation dieser Nachricht zum Schluss geführt hätte: Die US-Konjunktur verliert an Dynamik und Aktien verkaufen. Dies gilt umgekehrt entsprechend für positiv überraschende Konjunkturnachrichten. Langfristig bleiben wir aber optimistisch für die Entwicklung der US-Wirtschaft und des US-Aktienmarktes gestimmt. Nach unseren Berechnungen wird der S&P 500 dieses Jahr im Bereich von 2.150 Punkten beenden.

Reuters