"Unsere Kraftwerke werden in den kommenden Jahren noch weniger verdienen, als wir befürchtet hatten", kündigte Vorstandschef Peter Terium am Dienstag bei der Vorlage der Geschäftszahlen für 2013 an. Mit einem Minus von fast drei Milliarden Euro fuhr der nach E.ON zweitgrößte deutsche Versorger erstmals seit mehr als 60 Jahren einen Verlust ein. Ursache hierfür waren hohe Abschreibungen auf Kohle- und Gaskraftwerke, die wegen der Konkurrenz durch den Ökostrom schlecht ausgelastet sind. Terium forderte die Politik erneut zu Hilfen auf.

"Für uns ist schon seit längerem Schluss mit lustig, um es mal salopp zu formulieren", klagte der Manager vor der Presse. Der Verlust von RWE ist der höchste eines börsennotierten Versorgers in Deutschland überhaupt. "Konkret ist es so, dass bei 20 bis 30 Prozent unserer Kraftwerke die Erlöse nicht einmal mehr die laufenden Kosten decken", erläuterte Terium. Der Finanzmarkt hatte die schlechten Nachrichten bereits verdaut, nachdem der Verlust in der vergangenen Woche durchgesickert war. Die RWE-Aktie notierte zeitweise über ein Prozent im Plus.

PROBLEME WEGEN ENERGIEWENDE - ABER AUCH HAUSGEMACHT

Den Versorgern machen die Konkurrenz durch den Ökostrom und die gefallenen Großhandelspreise zu schaffen. Wegen des Vorrangs von Strom aus Wind oder Sonne müssen sie in Deutschland ihre Kohle- und Gaskraftwerke immer häufiger zurückfahren. Im vergangenen Jahr schrieb RWE auf seine Kohle- und Gaskraftwerke 4,8 Milliarden Euro ab. Der Konzern legt wie auch E.ON reihenweise Anlagen ganz oder vorübergehend still.

RWE steuert auch mit der Kürzung von Investitionen gegen. Dies trifft allerdings auch das eigene Geschäft mit Erneuerbarer Energie, das Terium als "strategisches Wachstumsfeld" bezeichnet. Neue Geschäfte, etwa mit Energiedienstleistungen, werden Jahre brauchen, ehe sie einen größeren Gewinnbeitrag leisten können. Terium setzt unter anderem darauf, höhere Erträge im Vertriebsgeschäft und auch mit dem Betrieb der Strom- und Gasnetze zu erzielen. "Das Verteilnetz ist das technische Rückgrat der Energiewende." Die Politik soll zudem die konventionellen Kraftwerke besser stellen. Die Forderung trifft bei der Bundesregierung bislang allerdings nur begrenzt auf Gegenliebe.

Der größte deutsche Stromerzeuger leidet nicht nur an den Folgen der Energiewende. Einige Probleme sind hausgemacht. Teriums Vorgänger Jürgen Großmann und Harry Roels setzten noch auf Kohle- und Kernkraftwerke, als der ursprüngliche Atomausstieg schon längst beschlossen was. Sie hofften, diesen umkehren zu können. 2005 hatte RWE ein milliardenschweres Programm zum Bau neuer konventioneller Kohle- und Gaskraftwerke in Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien gestartet. Diese Anlagen werfen wegen der Konkurrenz durch den Ökostrom kaum noch Gewinn ab. Eine eigene Ökostromtochter gründete der Konzern erst 2007. "Wir sind spät in die erneuerbaren Energien eingestiegen - vielleicht zu spät", räumte Terium nun ein.

RWE STECKT IN KRISE FEST - TREND ZUM ÖKOSTROM VERSCHLAFEN

RWE gehe auch 2014 von einem deutlichen Ergebnisrückgang aus, kündigte der Manager an, der seit 2012 den Versorger steuert. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) werde wohl auf 7,6 bis 8,1 Milliarden fallen, das für die Dividende entscheidende nachhaltige Nettoergebnis auf 1,3 bis 1,5 Milliarden Euro sinken. 2013 waren beide Werte bereits um rund sechs Prozent geschrumpft, das nachhaltige Nettoergebnis ging auf 2,3 Milliarden Euro zurück. Die Dividende wird auf einen von zuvor zwei Euro gekürzt. Für 2014 erwartet der Konzern aber keinen weiteren Abschreibungsbedarf bei seinen Kraftwerken und daher unter dem Strich keinen Verlust.

RWE drücken Schulden von über 30 Milliarden Euro. Der Konzern will unter anderem durch den Verkauf von Beteiligungen - wie der Öl- und Gasfördertochter Dea - die klammen Kassen auffüllen. Ziel sei, die Tochter bis Mitte des Jahres zu verkaufen, sagte Terium. "Allerdings kommt es darauf an, welchen Preis man uns bietet." Für Dea haben sich nach Angaben von Insidern mehrere Interessenten in Stellung gebracht, darunter die BASF -Tochter Wintershall und der russische Investor Michail Fridmann. Die nicht bindenden Gebote beliefen sich auf 3,5 bis rund fünf Milliarden Euro.

Zusätzliches Geld könnte eine Kapitalerhöhung in die Kasse spülen. Der Vorstand will sich von der Hauptversammlung im April einen Vorratsbeschluss genehmigen lassen. Rein rechnerisch könnte RWE dadurch nach dem gegenwärtigen Kurs rund 3,5 Milliarden Euro einnehmen. Die tatsächliche Umsetzung ist an die Zustimmung des Aufsichtsrats geknüpft. Damit kommt das Management den Kommunen entgegen, die die Pläne kritisiert hatten. Sie halten knapp 24 Prozent an dem Versorger und könnten wegen ihrer klammen Kassen kaum alle mitziehen. Finanzchef Bernhard Günther sagte zwar, es gebe überhaupt keine Pläne für eine Kapitalerhöhung. In einem Reuters vorliegenden Strategiepapier hatte das Management diese aber bereits vor Monaten als "ultima ratio" bezeichnet, wenn andere Maßnahmen wie Kostensenkungen und Beteiligungsverkäufe nicht ausreichen.

Reuters

Einschätzung der Redaktion:

Bereits vergangene Woche war bekannt geworden, dass RWE 2013 knapp drei Milliarden Euro Verlust geschrieben hat - zum ersten Mal in der Geschichte des Unternehmens. Die Aktie sackte daraufhin ab. Die Energiewende bringt das einst so gewinnträchtige Geschäftsmodell des zweitgrößten deutschen Versorgers - Strom aus Atom und Kohle - ins Wanken. Eine Zukunftsstrategie ist derzeit nicht zu erkennen. Medienberichten zufolge wollen die kommunalen Aktionäre einer Kapitalerhöhung zustimmen. Daher sind weitere Rückschläge beim Aktienkurs zu erwarten. Aktie meiden.

Sabine Gusbeth