Es gebe einen regelrechten Goldrausch und dieser beschleunige sich noch, sagt Marc Wayne, Vorstandschef der kanadischen Biopharmaziefirma Canopy Health, die sich auf die Entwicklung von Medikamenten auf Basis von medizinischem Cannabis spezialisiert hat. "Es werden viele Unternehmen wie Canopy Health gegründet und sie werden im Grunde genommen medizinisches Cannabis 2.0. entwickeln."

Weltweit ist die Cannabis-Industrie stark in Bewegung, nachdem immer mehr Länder, darunter Deutschland und Australien, medizinisches Cannabis erlaubt haben. Hierzulande gibt es Cannabis seit März 2017 auf Rezept. Kanada will den Cannabis-Konsum bis Mitte 2018 vollständig legalisieren - als weltweit zweites Land nach Uruguay. Die medizinische Nutzung ist dort schon seit 2001 möglich. Die Entwicklung hat zu zahlreichen Übernahmen unter den Anbietern geführt. Erst kürzlich hatte der zweitgrößte kanadische Marihuana-Produzent Aurora Cannabis die Übernahme des kleineren Rivalen CanniMed Therapeutics für 852 Millionen Dollar bekannt gegeben - damit überholen sie den bislang weltgrößten Anbieter Canopy Growth, zu dem auch Canopy Health gehört.

Die kanadische Regierung begrüßt die Forschung auf dem Gebiet und finanziert sogar klinische Studien, die für die Legitimation von medizinischem Cannabis nötig sind. Neben den Niederlanden ist Kanada das einzige Land, das gegenwärtig Marihuana exportiert. Der Bedarf ist enorm: Nach Schätzungen der Marktforschungsfirma Brightfield Group wird sich der weltweite Markt für medizinisches Cannabis bis 2021 auf 31,4 Milliarden Dollar vervierfachen. Mehr als 70 Unternehmen haben eine Lizenz der kanadischen Gesundheitsbehörde zum Anbau, zur Verarbeitung und zum Verkauf von medizinischem Cannabis. Sie forschen an neuen Formulierungen mit unterschiedlichen Cannabinoid-Leveln, den besten Darreichungsmöglichkeiten von Tabletten bis hin zu Inhalatoren oder auch an der Kombination von Cannabinoiden mit anderen Medikamenten.

FORSCHUNG HAT NOCH LANGEN WEG VOR SICH



Canopy Health hat 27 Patente für die Behandlung von Schlafstörungen eingereicht und entwickelt nun Mittel gegen Angstzustände. Bis 2020 erwartet das Unternehmen eine erste Marktzulassung. CanniMed arbeitet mit Universitäten, darunter in Montreal und Manitoba zusammen, und forscht unter anderem in den Bereichen Multiple Sklerose, Arthrose und Epilepsie. "Kanadische Unternehmen übernehmen die Führung, da sie mehr Freiheit bei der Arbeit haben und es sich jetzt leisten können," urteilt CanniMed-Vorstandschef Brent Zettl. Gleichwohl steht trotz der Pionierrolle Kanadas noch einiges an Überzeugungsarbeit bei Ärzten und Versicherern an.

"Cannabis hat das strenge pharmazeutische Zulassungsverfahren nicht durchlaufen", sagt Laurent Marcoux von der kanadischen Ärzte-Vereinigung CMA. "Ärzte wissen nichts über die angemessene Dosierung, die möglichen Nebenwirkungen und wie es mit anderen Medikamenten reagiert." Und so wird neben den Vorteilen von Marihuana für die Patienten auch über die Risiken wie eine mögliche Abhängigkeit bei längerer Nutzung diskutiert. Nun wenige kanadische Krankenversicherungen decken medizinisches Cannabis bislang ab und es gilt als offenes Geheimnis, dass dieses oft auch zum reinen Vergnügen genutzt wird.

"Wir müssen noch viel über diese Pflanze lernen und die Wissenschaft muss noch einen langen Weg gehen, um ihre medizinischen Vorteile zu quantifizieren und zu beweisen", sagt Analyst Jason Zandberg von der kanadischen Investmentboutique PI Financial. Dabei sollen auch Regierungsgelder helfen. Im Januar genehmigte das kanadische Institut für Gesundheitsforschung 1,4 Millionen kanadische Dollar (knapp 900.000 Euro) für Studien, die unter anderem die Auswirkungen von Cannabis auf das Fahrvermögen und die psychische Gesundheit untersuchen.

rtr