Die Deutsche Bank ist zum Spielball wirtschaftlicher Interessen in den USA verkommen, glaubt Halver. Amerika tue "offensichtlich Einiges, um seine eigene Finanzindustrie zu Lasten ausländischer Institute zu schützen", erklärte Halver im Interview mit BÖRSE ONLINE mit Blick auf die milliarden-schwere Strafandrohung des US-Justizministeriums.

Herr Halver, bei der Deutschen Bank sind am Montag erneut Gerüchte um eine mögliche Kapitalerhöhung aufgeflammt. Braucht die Deutsche Bank frisches Geld?


Um Strafzahlungen und um grundsätzlich die Eigenkapitalposition zu verstärken, wäre es zwar sicherlich sinnvoll, eine Kapitalerhöhung durchzuführen. Allerding ist diese mit Blick auf den aktuell schwachen Aktienkurs der Deutschen Bank nicht wirklich ergiebig. Es gilt: Je höher der Aktienkurs, umso umfangreicher die einzunehmenden Finanzmittel. Im aktuell schwierigen Bankenumfeld - u.a. Ertragsschwäche, Einbrüche im Zinsgeschäft, Bonitätsprobleme europäischer Banken - sind Kapitalerhöhungen auch für andere Banken schwierig umzusetzen.

Wie viel neues Kapital könnte die größte deutsche Bank denn Ihrer Meinung nach brauchen?



Diese Frage kann niemand außerhalb der Deutschen Bank zufriedenstellend beantworten. Die kursierenden Daten dazu können gleichermaßen zu tief, aber auch zu hoch sein. Es gibt viele Rechtstreitigkeiten und Strafprozesse, über deren Stand und zu vermutendes Streitergebnis nur spekuliert werden kann. Das wäre aber nicht seriös. Grundsätzlich hat die Deutsche Bank Rückstellungen gebildet. So sind für Strafzahlungen in puncto US-Immobilien 5,5 Milliarden Euro eingestellt.

Aber die Höhe der möglichen Strafzahlungen etwa in den USA ist noch gar nicht absehbar?


Die USA haben 14 Milliarden US-Dollar veranschlagt. Aus meiner Sicht ist dies viel zu hoch. Ich habe den Eindruck, dass Amerika hier eine Bankenpolitik pro Inland und contra Ausland macht. Zwar mussten auch US-Banken Strafzahlungen leisten. Doch stehen diese nicht im Verhältnis zu der von der Deutschen Bank geforderten Summe. Amerika tut offensichtlich Einiges, um seine eigene Finanzindustrie zu Lasten ausländischer Institute zu schützen. Die US-Behörden wissen natürlich, dass solche "Schock-Summen" für Verunsicherung gegenüber der Deutschen Bank sorgen. Hinzu kommt, dass sich Amerika mit der Abwicklung von Strafprozessen Zeit lässt. So kann man das Thema Strafen und Skandale in den Köpfen der Anleger frisch halten. Somit wird die Deutsche Bank weitgehend immer nur mit Problemen in Verbindung gebracht. Im Rheinland sagt man: "Je mehr der Dreck gemengt wird, umso mehr stinkt er". In Börsensprache heißt das, die Unsicherheit wird vorsätzlich aufrechterhalten.

Auf Seite 2: Staatshilfe für die Deutsche Bank?





Laut einem Medienbericht soll die Bundesregierung nicht bereit sein, der Deutschen Bank mit Staatshilfen unter die Arme zu greifen. Hätten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble denn überhaupt eine Wahl, wenn es hart auf hart käme?


Zunächst einmal gilt insbesondere für führende Politiker der Grundsatz "Worte zerstören, wo sie nicht hingehören". Man ist nicht gezwungen, überhaupt Aussagen zu deutschen Banken oder zur Deutschen Bank treffen. Oft ist es besser, man sagt gar nichts. Das gilt insbesondere für eine Branche, die aufgrund der schlechten Ertragsentwicklung seit 2008 ohnehin angeschlagen ist. Zudem haben wir es mit der globalsten und sensitivsten Branche überhaupt zu tun: Verunsicherungen insbesondere auch verbal-politischer Art können schnell global unerwünschte Nebenwirkungen haben. Im schlimmsten Fall könnten präventiv Kunden abwandern oder das Volumen von Geschäftsbeziehungen reduzieren. Dann wären die Probleme erst durch Polit-Talk entstanden. Eigentlich sollte die Bundesregierung die Bedeutung von Verunsicherung und Vertrauensverlust von 2008 noch gut in Erinnerung. Der Name der Regierungschefin heute ist nämlich identisch mit jenem von damals. Erst Äußerungen dieser Art führen zu Problemen, die ansonsten nicht aufgetreten wären.

Die Bundesregierung sollte sich vor Augen führen, dass auch Deutschland starke internationale Banken braucht. Man stelle sich doch einmal vor, was wäre, wenn in Deutschland keine international tätige Geschäftsbank hätte. Wer würde diese Lücke dann wohl schließen? Richtig, die großen US-amerikanischen Geldhäuser. Der Finanzplatz Deutschland würde also fremdbestimmt, im Extremfall zu einem Finanzplätzchen. Kann das im Interesse einer Bevölkerung sein oder im Interesse einer Bundesregierung, die aktiv Wirtschafts- und Finanzpolitik zum Wohle des Landes betreiben sollte? Deutschland muss auch auf eigene volkswirtschaftliche Interessen achten, so wie es Amerika selbstverständlich auch tut. Ansonsten muss man die Politiker an ihren Amtseid erinnern. Im bilateralen Gespräch zwischen kleiner Schwester und großem Bruder darf man Amerika durchaus an Fairness, an Verhältnismäßigkeit erinnern.

Im Übrigen sollten Verantwortliche für die US-Immobilienmisere auch in der US-Politik gesucht werden. Die Immobilieneuphorie konnte nur deshalb so massive Stilblüten treiben, weil eine damalige Regierung der Meinung war, jeder hätte Anspruch auf Wohneigentum. Und diese fixe Idee wurde dann auch noch von einer US-Geldpolitik mit niedrigsten Zinsen finanziert bis die Immobilienträume wie Seifenblasen platzten.

Käme es im rein hypothetischen Fall hart auf hart, würde der deutsche Staat sicher stützend zugunsten der Deutschen Bank eingreifen. Ansonsten würde die Regierung die gesamte Finanzwelt über politische Fehler an den Rand des Ruins bringen.

Sie sollten aber nicht als Wahlkampfthema genutzt werden. Um diese hypothetischen Gefahren jedoch einzudämmen, sollte man lieber dem schönen deutschen Sprichwort folgen "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold". Man könnte auch sagen, die Dinge müssen vom Ende her gedacht werden. Und als Wahlkampfthema sollte man Bankenprobleme erst recht nicht nutzen.

Auf Seite 3: Schafft Deutsche-Bank-Chef John Cryan die Wende?





Neben den Sorgen um einen möglichen Kapitalbedarf und den milliardenschweren Rechtstreitigkeiten kämpft die Deutsche Bank ja noch mit zahlreichen weiteren Problemen. Die IT-Infrastruktur gilt als veraltet, die Strategie im Privatkundengeschäft ist unklar. Trauen Sie dem neuen Bankchef John Cryan zu, dass er die Probleme bald in den Griff kriegt?


Herr Cryan hat den Ruf eines erfolgreichen Sanierers. Diese Fähigkeit hat er schon bei einer Schweizer Großbank gezeigt. Allerdings vernebeln die vielen Schleier der Skandale und Strafprozesse den Blick auf die normalen Geschäftsaktivitäten. Der Blick auf den Umbau der Bank wurde sekundär. Der Verunsicherungsnebel muss so schnell wie möglich mit dem Dampfgebläse weggepustet werden. Die Probleme müssen von Herrn Cryan so schnell wie möglich abgewickelt werden. Aber manchmal braucht man zwei zum Walzer tanzen. Auch die Justizbehörden in den USA sollten auf das Gaspedal treten. Wenn nicht, darf die Bundesregierung sie daran erinnern, den Fuß von der Bremse zu nehmen.

Aber die Kritik an Cryan auch bei Investoren wird immer lauter. Wie viel Zeit hat er noch?


Angesichts des fallenden Aktienkurses der Deutschen Bank kommt die Kritik der Investoren nicht überraschend. Im Augenblick kommt es knüppeldick für ihn. Aber im bereits laufenden Sanierungsprozess wird man ihn seine Arbeit zu Ende machen lassen.