Beim Walldorfer Software-Riesen SAP hätte die Hauptversammlung am Mittwoch eigentlich das Zeug zum Hochamt des Kapitalismus gehabt. Gleich zum Jahresauftakt hat der Konzern seine Langfrist-Prognose angehoben, die Erlöse sprudeln wie noch nie und die Aktie nimmt ein Rekordhoch nach dem andern. Gemessen am Börsenwert ist der Konzern aus der badischen Provinz inzwischen das teuerste Unternehmen in Deutschland. Es gäbe also reichlich Grund zum Feiern in der Mannheimer SAP-Arena.

Doch statt Lob und Preis droht der SAP-Spitze am Mittwoch Stunk mit den eigenen Anteilseignern. Auslöser sind die - im deutschen Maßstab - sehr üppigen Bezüge der SAP-Vorstände. Angesichts der Gehälter werde man dem SAP-Aufsichtsrat die Entlastung verweigern, kündigte etwa der einflussreiche Aktionärsberater ISS im Vorfeld der HV schon mal vorsorglich an.

Alleine im vergangenen Jahr hatte sich das Salär der obersten Führungscrew auf 43,3 Millionen Euro praktisch verdreifacht. Vor allem SAP-Boss Bill McDermott sahnte im Vorjahr kräftig ab. Der Vertriebsprofi kassierte 2016 für seine Dienste fast 15 Millionen Euro. Damit stieg McDermott zugleich zum best-bezahlten Dax-Chef auf. Wenn alles optimal läuft, sind für den Ami am Ende sogar bis zu 41 Millionen Euro drin, ein Großteil davon in Form von Aktienoptionen.

Selbst anglo-amerikanische Aktionärsvertreter halten das für schwer vermittelbar. "Unangemessen hoch", findet etwa Corporate Governance-Spezialist Hans-Christoph Hirt vom britischen Investor und Aktionärsvertreter Hermes das Gehaltspaket mit den vielen Nullen. Bereits auf der Aktionärsversammlung im vergangenen Jahr hatte Hirt den SAP-Aufsichtsrat zur Mäßigung in Sachen Vergütung ermahnt. Doch Aufsichtsratschef Hasso Plattner ließ sich davon nicht beirren. Im Kampf um die besten Köpfe müsse der Konzern wettbewerbsfähig sein, beschied Plattner die Grantler - und änderte nichts.

Jetzt verschärft Hirt die Gangart und will den Konzern-Granden in Mannheim ebenfalls die Rote Karte zeigen. "Wir werden gegen die Entlastung des Aufsichtsrates stimmen", kündigte der promovierte Jurist in der aktuellen Ausgabe des "Spiegel" an.

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Steigende Nervosität



Angesichts der überraschenden Mobilmachung des Großkapitals kurz vor der HV steigt in Walldorf die Nervosität. SAP habe eine "Pay-for-Perfomance-Kultur", schrieb der aufgeschreckte Konzern-Boss am Montag in einer internen Mitarbeiter-Mail und stellte gleich noch ein paar "kühne Unternehmensziele" in Aussicht. In den "nächsten paar Jahren" peile SAP ein "300 prozentiges Wachstum des SAP-Aktienpreises", heißt es in dem Schreiben, das BÖRSE ONLINE vorliegt. Davon profitierten neben den Aktionären auch die Mitarbeiter und die SAP-Führungskräfte, warb McDermott.

Im Zentrum der Kritik



Die Charme-Offensive aus der Zentrale dürfte Aktionärsvertreter indes kaum beschwichtigen. "Es wird wohl ordentlich Zunder geben", orakelt ein Großaktionär. Die Kritik dürfte dabei vor allem auf einen zielen: SAP-Aufsichtsratschef Hasso Plattner (73). Der SAP-Mitgründer gehört traditionell zu den aktivsten Chef-Kontrolleuren der Republik. Während die Oberaufseher anderer Dax-Konzerne sich gewöhnlich auf strategische Fragen konzentrieren und ihren Vorständen sonst meist lange Leine lassen, mischt der rastlose Plattner bei SAP munter mit.

Das aktuelle Echtzeit-Analyse-Lösung HANA etwa hat Plattner an dem von ihm gestifteten Potsdamer Hasso-Plattner-Institut selbst vorangetrieben, es nach Walldorf transplantiert und dann zum Kern der neuesten Software-Generation der SAP-Welt gemacht.

Mit HANA, das bei SAP lange nur als "Hassos New Architecture" lief, lassen sich bislang ungeahnte Datenmengen direkt im Arbeitsspeicher analysieren - in Echtzeit. In der Branche gilt das Instant-Analyse-Programm als Revolution.

Kaum drei Jahr nach dem weltweiten Start im Jahr 2011 knackte HANA 2014 die Umsatz-Milliarde. So schnell ist noch kein anderes SAP-Produkt gewachsen. Inzwischen nutzen weltweit 5800 Unternehmen die Schneller-Schlau-Software. In der von US-Firmen dominierten Branche hätte kaum einer dem Oldie aus Germany solch einen Blockbuster-Erfolg noch zugetraut.

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Doch das Software-Genie kann auch ganz anders. In der Branche gilt der Berliner wahlweise als eigenwillig bis starrköpfig mit einem Hang zur Unnachgiebigkeit. Plattner habe mit seinen Ideen einen Weltkonzern geformt und lasse sich daher eben nicht gerne reinreden, heißt es aus Walldorf. Dies gelte auch für Vergütungsfragen. Außerhalb der Zentrale fällt das Urteil dagegen weniger nachsichtig aus. Plattner nehme "Kritiker höchstens dann Ernst, wenn sie mindestens einen Software-Weltmarktführer gegründet haben. Alle anderen können ihn sehr gern haben", sagt ein langjähriger Branchen-Experte, der lieber ungenannt bleiben will.

Ungeklärte Nachfolgefrage



Neben der Kritik an seinem Führungsstil dürfte am Mittwoch auch Plattners persönliche Zukunftsplanung Anlass für bohrende Fragen liefern. Plattner ist inzwischen 73. Der Corporate Governance Codex sieht bei Aufsichtsräten eine Altersgrenze von 75 Jahren vor. Damit wäre für den SAP-Partriarchen spätestens 2019 Schluss. Doch das glaubt derzeit kaum einer. Dafür hänge Plattner noch zu sehr am Konzern, heißt es aus Walldorf.

Zudem ist SAP unlängst ausgerechnet Jim Hagemann Snabe abhanden gekommen. Der frühere SAP-Co-Chef galt vielen als heißester Favorit auf Plattners Nachfolge. Aber statt für seinen langjährigen Arbeitgeber entschied sich Snabe unversehens für den Top-Job bei Siemens, wo er zum Jahreswechsel den bisherigen Chefaufseher Gerhard Cromme beerben soll.

Zwar könnte Snabe bei der HV am Mittwoch noch mal auf dem Podium Platz nehmen. Doch danach könnte alles sehr schnell gehen. Darauf deutet jedenfalls die Einladung zur HV der Allianz hin, wo der Däne ebenfalls im Aufsichtsrat sitzt. Snabe sei "bis spätestens 13. Juli" SAP-Kontrolleur, heißt es in dem Schreiben.

Angesichts dieser Personalie rätseln Beobachter nun über mögliche Snabe-Nachfolger. "Wir glauben, dass es ein international profilierter, externer Kandidat werden könnte, der mittelfristig zum Nachfolger von Plattner aufgebaut werden könnte", heißt es bei einem großen deutschen Anteilseigner von SAP.

SAP-Aufsichtsratschef Hasso Plattner dürfte sich am Mittwoch von derlei Spekulationen kaum beirren lassen. Welche Software-Architektur am heißesten ist, wer sein Nachfolger werden könnte, wie viel die Vorstände bei SAP verdienen dürfen, das entscheidet am Ende eh nur einer: Der Übervater der SAP.