SAP-Boss Bill McDermott hat derzeit alle Hände voll zu tun. Gerade hat McDermott gemeinsam mit dem Team um Vertriebsschef Bob Enslin die letzten Deals zum Quartalsende eingetütet. Nun steht für den seit Mitte Mai allein amtierenden SAP-Chef der Umzug aus den USA nach Heidelberg an. Und dann geht’s direkt an die Zahlen: Am 17. Juli wollen die Walldorfer offiziell die Zwischenergebnisse zum zweiten Quartal vorlegen.

An der Börse nehmen die Wetten auf die Halbjahresbilanz der Walldorfer derzeit jedenfalls schon mal vorsorglich Fahrt auf. Die SAP-Aktie, im ersten Halbjahr mit einem Minus von rund zehn Prozent noch einer der schwächsten Werte im DAX, hält sich derzeit wacker. Offenbar spekulieren erste Investoren auf einigermaßen erquickliche Zahlen und reichlich Aufholbedarf in der zweiten Jahreshälfte.

Auf Seite 2: Widersprüchliche Einschätzungen

Widersprüchliche Einschätzungen

Unter Analysten ist die Einschätzung derzeit allerdings noch widersprüchlich. Erst am Donnerstag etwa schraubte JP-Morgan-Analystin Stacy Pollard ihre Prognosen zurück. Das Marktumfeld in den USA und in Europa sei zuletzt "überschaubar" gewesen, glaubt die Analystin. Dazu käme die anhaltende Schwäche in Russland und Osteuropa. Angesichts dessen kappte die Branchenexpertin den fairen Wert der SAP-Aktie auf 60 Euro von zuletzt 62 Euro.

Bei ihrem Commerzbank-Kollegen Thomas Becker klingt das dagegen alles deutlich zuversichtlicher. Das jüngste Quartal dürfte weitgehend der "üblichen saisonalen Entwicklung entsprechen" und auch die Konsens-Schätzungen des Marktes entsprechen, schreibt Becker in einem aktuellen Report.

Tatsächlich ist die Situation derzeit etwas unübersichtlich. Zwar hat SAPs Erzrivale Oracle zuletzt enttäuscht. Die Kalifornier mussten ausgerechnet im wichtigen Jahresschlussquartal einen Gewinnrückgang von vier Prozent auf 3,6 Milliarden Dollar hinnehmen. Zudem dürfte SAP in Russland wegen des Ukraine-Konflikts weiter mit Gegenwind kämpfen. In der Region macht SAP nach Analysten-Einschätzungen rund drei bis fünf Prozent des Konzern-Umsatzes.

Dagegen gewinnt die Wirtschaft in den USA an Fahrt. Auf dem größten Software-Markt der Welt machen die Walldorfer traditionell rund ein Drittel ihres Geschäfts. Auch in Europa drehen die Indikatoren allmählich nach oben.

Auf Seite 3: Entspannung auf der Währungsseite

Entspannung auf der Währungsseite

Dazu hat der Euro gegenüber dem Dollar zuletzt etwas nachgegeben. Auch beim Yen hat sich die Lage zuletzt etwas aufgehellt. Noch bei der Vorlage der Zahlen zum ersten Quartal im April hatte SAP auf wachsende Währungsrisiken verwiesen und mögliche Folgen für das eigene Zahlenwerk verwiesen. Ganz so schlimm dürfte es für die Walldorfer allerdings nun offenbar doch nicht kommen.

Als positives Vorzeichen für die Quartalszahlen dürfte auch die Stimmung in Walldorf gelten. Am Konzernsitz war die Lage "in den vergangenen Wochen ungewohnt ruhig", sagte ein SAP-Mitarbeiter gegenüber www.boerse-online.de. In den vergangenen Jahren war zum Quartalsende die Nervosität dagegen häufig gestiegen. In aufgeregten Rundmails hatten die SAP-Oberen bei den Mitarbeitern strikte Kostendisziplin angemahnt und den Vertrieb auf die Quartalsziele eingeschworen. Davon war dies Mal nichts zu sehen.

Auf Seite 4: Flaue Erwartungen von Investoren

Flaue Erwartungen von Investoren

Unter Investoren sind die Erwartungen derzeit nicht allzu hoch. Insgesamt erwarten die Analysten für das zweite Quartal bei den Lizenzeinnahmen gegenüber dem Vorjahr ein Minus von 2,6 Prozent auf 956 Millionen Euro. Das operative Ergebnis soll den Konsens-Schätzungen zufolge dagegen um rund 2,5 Prozent auf 1,249 Milliarden Euro zulegen. Damit bliebe also reichlich Luft für mögliche Überraschungen nach oben.

Auf Seite 5: Einschätzung der Redaktion

Einschätzung der Redaktion

Bei SAP ist die Lage derzeit ungewohnt ruhig. Das nährt die Vermutung, dass im wichtigen zweiten Quartal alles im grünen Bereich ist. Zwar sind zuletzt die Zweifel gewachsen, ob der Konzern langfristig in der Cloud seine Margen verteidigen kann. Doch kurzfristig ist SAP auf Kurs. Die radikale Umstellung auf die Datendienste in der Wolke ist ohne Alternative. Mit seinem Echtzeit-Analyseprogramm HANA hat der Konzern zudem einen Blockbuster im Portfolio. Charttechnisch sieht die Aktie viel versprechend aus. Aktuell läuft der Wert in die Widerstandszone bei 59 Euro. Fällt die, ist der Weg bis auf das jüngste Hoch bei 63 Euro frei. Stopp bei 51,80 Euro. Vorsichtige Anleger warten noch die Zahlen ab. Langfristig bleibt die SAP-Aktie ein Kauf.