Schätzfrage: Wie viel Bargeld haben Sie im Geldbeutel? Sind es zufällig 103 Euro, wäre das typisch deutsch. Diesen Betrag schleppen die Bundesbürger nämlich im Mittel mit sich herum - etwa doppelt so viel wie Kanadier, Australier oder Niederländer. Das weist die Deutschen als echte Bargeld-Fans aus. Egal ob Restaurant, Kino, Kiosk oder Supermarkt: Acht von zehn Rechnungen werden bundesweit mit Scheinen und Münzen beglichen, hat die Bundesbank 2014 herausgefunden. Ein Drittel der Deutschen zahlt sogar ausschließlich bar. Und der Rest zieht Bargeld - besonders bei kleinen Summen - Karten und Apps vor.

Warum das so ist? Das weiß keiner so genau. Vielleicht ist es eine tiefe Skepsis gegenüber Banken. Vielleicht die Erfahrung mit Diktaturen und Enteignung. Vielleicht die Illusion, in einer immer virtuelleren Welt einen greif baren Wert im Portemonnaie zu haben. Tatsache ist aber auf jeden Fall: Cash ist hierzulande King. Die Frage ist nur: Wie lange noch?

Das Bargeld wird aus der Gesellschaft gedrängt, und das aus zwei Gründen. Erstens wandern "Fuffies" und "Zwannies" zwischen Garmisch und Flensburg zwar noch häufig über die Theke, doch elektronische Transaktionen nehmen massiv zu. Derzeit arbeitet die Bundesbank an einer neuen Erhebung über das Zahlungsverhalten, 2018 soll sie erscheinen. Alles andere als eine weitere Verschiebung hin zu elektronischen Zahlsystemen wäre eine große Überraschung. Bargeld ist also eine aussterbende Art.

Zweitens wollen einige Politiker, Ökonomen und Banker dem Dinosaurier unter den Zahlungsmitteln an den Kragen. Ab Januar stellt Italien aus praktischen Gründen die Prägung von Ein- und Zwei- Cent-Münzen ein. Finnland, Irland, Belgien und die Niederlande haben das bereits getan. Besonders gefährdet ist aber auch Papiergeld. Ab 2018 zieht die Europäische Zentralbank (EZB) den ersten Schein schrittweise aus dem Verkehr: den 500er. Außerdem verhandeln die Mitglieder der Europäischen Union über Obergrenzen für Barzahlungen. Einigen sie sich darauf, dürfen nur noch Beträge bis 5000 Euro bar und anonym fließen. Und das könnte erst der Anfang sein.

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Bar ist nicht billig



Nicht allen gefällt das. Selbst die Bundesbank sprach im April auf einer Konferenz vom "War on Cash", dem Krieg gegen Bargeld. Doch es gibt gute Gründe, die für eine Welt ohne Bares sprechen. Zum Beispiel, dass das antiquierte Hantieren mit bedrucktem Papier und geprägten Metallronden ebenso wegfiele wie Wechselgeldprobleme oder der ständige Gang zur Bank.

Schon das Aufrechterhalten des Geldkreislaufs ist extrem mühsam. Jedes Jahr stellen Europas Notenbanken Millionen Scheine und Münzen her und liefern diese an Banken aus. Verbraucher ziehen die Scheine meist aus dem Automaten und kaufen damit ein. In den Geschäften nehmen Mitarbeiter das Geld an, wechseln es, verwahren es in Kassen und Tresoren, zählen es und bringen es dann zurück zu den Banken. Die prüfen, zählen und sortieren das Geld, speisen es erneut in den Kreislauf ein oder liefern es - gut gesichert - zurück an die Notenbanken, die es aufbereiten und wieder ausgeben oder vernichten. Zwölf Mal landet jeder Schein im Schnitt bei der Bundesbank, 144 Mal wechselt er den Besitzer. Bei 20 Milliarden Euroscheinen im Gesamtwert von 1,1 Billionen Euro entsteht da ein immenser Aufwand.

Viele Banken und Einzelhändler würden sich diese Arbeit gern sparen. Denn: Das kostet. Insgesamt zwölf Milliarden Euro blättert die deutsche Privatwirtschaft jedes Jahr für das Bargeldsystem hin, hat die Steinbeis-Hochschule Berlin im Auftrag des Kreditkartenanbieters Mastercard errechnet - etwa 3,9 Milliarden die Banken, 6,7 Milliarden der Handel, 1,3 Milliarden die Verbraucher. Legt man die Kosten auf die Bürger um, sind das rund 150 Euro pro Jahr und Kopf.

Noch müssen Händler Bares akzeptie­ren, Euronoten sind laut Bundesbankgesetz das einzige unbeschränkte gesetz­liche Zahlungsmittel in Deutschland. Das Monopol erodiert aber. Der Bankenver­band fordert von der nächsten Bundes­regierung, den "impliziten Annahme­ zwang für Bargeld" zu beenden und elek­tronische Zahlungen gleichzustellen.

Die Wissenschaft hat ein weiteres Ar­gument gegen Bargeld: Kriminelle Geschäfte werden demnach bevorzugt in bar abgewickelt. Obwohl nur wenige Eu­ropäer 500-Euro­Scheine nutzen, sind über 250 Milliarden Euro in dieser Form in Umlauf, fast ein Viertel der gesamten Bargeldmenge der Eurozone. In anderen Ländern dominieren große Scheine noch stärker. Die EZB verwies auf die Nutzung durch Kriminelle, als sie das Aus für den 500er bekannt gab.

Tatsächlich gibt es immer wieder spektakuläre Funde. Als Terrorführer Osama bin Laden 2011 von amerikani­schen Spezialeinheiten erschossen wur­de, hatte er einen 500er in seiner Klei­dung eingenäht. 2007 fanden Drogen­fahnder in einer mexikanischen Woh­nung 205 Millionen Dollar, das meiste davon in 100-Dollar­Noten. Große Schei­ne "zirkulieren größtenteils in der Unter­grundwirtschaft und leisten Steuerhin­terziehung, Verbrechen und Korruption Vorschub - und das in großem Stil", er­ klärt Starökonom Kenneth Rogoff von der Universität Harvard. Der ehemalige Chefvolkswirt des Internationalen Wäh­rungsfonds ist einer der prominentesten Kämpfer für die Bargeldabschaffung, er fordert sie seit 20 Jahren. 2016 hat er ein viel beachtetes Buch geschrieben: "Der Fluch des Geldes". Dort zeigt er, dass auch Durchschnittsbürger mit Bar­geld am Staat vorbeiwirtschaften. Etwa indem sie Maler, Putzfrauen oder Baby­sitter schwarz beschäftigen.

Die Summen, die dem Fiskus so ent­gehen, sind riesig. Am Bau und in der Gastronomie wird am fleißigsten gemo­gelt. Allein in Deutschland beträgt das Volumen der Schattenwirtschaft 330 Milliarden Euro jährlich, schätzt Fried­rich Schneider von der Johannes Kepler Universität Linz. Das sind über zehn Pro­zent der Wirtschaftsleistung. "Wenn eine Verringerung des Papiergelds auch nur zu einer marginalen Reduzierung illegaler Aktivitäten führt, wäre dies ein gewaltiger Vorteil", sagt Rogoff. Es ist übrigens kein Zufall, dass etwa Italien strenge Obergrenzen für Barzahlungen hat. Dort ist die Steuermo­ral traditionell schwach, das organisier­te Verbrechen hingegen stark.

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Angst vor der Kontrolle



Die Gegner eines Bargeldverbots halten den Kampf gegen Kriminalität jedoch für ein vor­ geschobenes Argument, sogar Schatten­wirtschaftsexperte Friedrich Schneider sieht das so. Ein Bargeldverbot wäre für sie ein massiver Eingriff in die Privat­sphäre. Bei einer Umfrage des Meinungs­forschungsinstituts Yougov im Jahr 2016 lehnten übrigens neun von zehn Deut­schen eine komplette Abschaffung des Bargelds ab. Schließlich gibt es Dinge, die man lieber für sich behält.

Das kann der Gelegenheitsjob sein, bei dem der Handwerker nach Feier­abend das Bad des Nachbarn verfliest und dafür einen Schein in die Hand ge­drückt bekommt. Es kann aber auch der peinliche Erwerb von Hämorrhoiden salbe oder der verstohlene Besuch im Bordell sein. Muss man elektronisch zahlen, sind all diese Dinge belegt, theoretisch einsehbar und mit anderen Daten ver­knüpfbar. Der Bürger wird gläsern. Selbst die Obergrenze von 5000 Euro für Barzahlungen, wie sie die EU im Zuge des Kampfes gegen Terrorismus und Geld­wäsche diskutiert, will über ein Drittel der Deutschen deshalb nicht, denn sie führe "zu mehr Überwachung".

Die Politik kennt die Ängste, vor allem die AfD versucht, das Thema lautstark zu besetzen. Im Wahlkampf plakatierte sie den Spruch "Bargeld ist Freiheit". Ande­re Parteien äußerten sich leiser, aber ähnlich. Die FDP hält Bares für unver­zichtbar, Sahra Wagenknecht von der Linken warnt in Talkshows vor einem Bargeldverbot, und die Grünen fragten die Bundesregierung kurz vor der Wahl besorgt, wie sie es mit dem Bargeld hält. Die Antwort der Großen Koalition aus Union und SPD: Sie werde Vorschlägen, das Bargeld abzuschaffen, "entschieden entgegentreten", will in Sachen Ober­ grenze aber eine "sinnvolle und verhält­nismäßige Lösung in Europa mittragen".

Trotz dieser Beteuerungen bleibt bei einigen Beobachtern die Befürchtung, dass erst eine Obergrenze, dann ein teilweises und schließlich ein komplettes Verbot kommen wird. "Es werden Test­ballons gestartet", beobachtet Helge Peukert von der Universität Siegen. "Die Po­litiker verfolgen beim Bargeldverbot die gleiche Salamitaktik wie in der Eurokri­se. Damals sagten sie, es werde niemals Finanzhilfen für Griechenland geben, heute haben wir einen unbegrenzten Rettungsschirm für Krisenstaaten." Peukert, der unter anderem zu Geld­ und Fi­nanzmarktreformen forscht, ist sich si­cher: Ein Ende des Bargelds sei schon deshalb erwünscht, weil es Politikern und Notenbankern in die Karten spiele.

Besonders bei der Bekämpfung der Folgen der Finanz­ und Schuldenkrise würde es Finanzministern und Noten­bankern helfen. Schon jetzt sind die Zin­sen an der Nulllinie oder leicht darunter. Die EZB verlangt seit 2016 von Banken 0,4 Prozent Strafzins, wenn sie ihr Geld bei ihr parken, anstatt es zu verleihen. Doch wie greift man der Wirtschaft un­ter die Arme, wenn sie wieder in die Re­zession stürzt? Nimmt man die Null als Grenze, haben die Notenbanker keinen Spielraum mehr, die Zinsen weiter zu senken. Minuszinsen von bis zu fünf Pro­zent sind für manche Ökonomen deshalb die Lösung. Mit ihnen lassen sich Unter­ nehmen zu Investitionen und Bürger zum Konsum zwingen. Das kurbelt Wirt­schaft und Inflation an. Nebenbei hilft es überschuldeten Staaten, orientiert sich ihre Zinslast doch ebenfalls am Leitzins.

Das Problem dabei: Minuszinsen be­lohnen Schuldner, bestrafen aber Spa­rer. Schon heute liegen die Zinsen unter der Inflationsrate und verkleinern so un­auffällig die Kaufkraft des Vermögens. Steht jedoch deutlich lesbar ein Minus auf dem Kontoauszug, könnten Sparer empfindlicher reagieren als bisher und das Vertrauen ins Finanzsystem verlieren. Sie könnten ihre Konten plündern, Scheine unter Matratzen bunkern - und so einen Bank-Run auslösen, eine Massenflucht ins Bargeld.

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Schöne neue Welt



Die Abschaffung des Bargelds sei die "einfachste und eleganteste Lösung", solche Horrorszenarien zu verhindern, glaubt der Volkswirt Kenneth Rogoff. Jeder Anreiz zum Horten von Papiergeld müsse "eliminiert" werden, um den Zentralbanken "eine uneingeschränkte Negativzinspolitik zu ermöglichen". Ohne Fluchtmöglichkeit wären Sparer den Minuszinsen schutzlos ausgeliefert. Zudem könnten sie in Finanzkrisen ihr Geld nicht mehr abheben, um es vor einer Bankpleite zu retten. Dass in der Bankenkrise in Zypern die Geldausgabe limitiert und Vermögen über 100 000 Euro zur Rettung von Finanzhäusern herangezogen wurden, zeigt, dass "Bailins" Realität werden können. In dem seit 2015 geltenden europäischen Abwicklungsmechanismus für Banken sind sie denn auch vorgesehen.

Doch wäre ein Bargeldverbot überhaupt rechtens? Juristen sind da skeptisch. Hans-Jürgen Papier legte der Bundesbank 2016 dar, dass er bereits die Begrenzung von Bargeldzahlungen für bedenklich hält. Sie verstoße gegen die Eigentumsfreiheit, die Vertragsfreiheit und das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung, so der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Im Kampf gegen Terrorfinanzierung, Geld­wäsche, Steuerhinterziehung und Krimi­nalität könnten solche Grundrechte ein­ geschränkt werden. Dabei gelte aber die "Wahrung der Verhältnismäßigkeit" und der Grundsatz "in dubio pro libertate" - im Zweifel für die Freiheit.

Eine Abwägung, die nicht nur bei deutschen Verbraucherschützern zu­gunsten der Privatsphäre ausfällt. Mit Bargeld müsse sich niemand vorschrei­ben lassen, "für was und wen man noch Geld ausgeben darf", so der Bundes­ verband der Verbraucherzentralen. Es schütze vor Negativzinsen und Cyberkri­minalität, verhindere die Abhängigkeit von Finanzanbietern und lasse Sofort­transaktionen wie Spenden an Obdach­ lose oder den Barverkauf des Gebraucht­wagens zu. Der Preis für eine Welt ohne Bargeld sei einfach zu hoch. Noch schär­fer formuliert es der Ökonom Helge Peukert, der wie sein Tübinger Kollege Joa­chim Starbatty (siehe Interview Seite 50) in einer Initiative zur Rettung des Bar­gelds engagiert ist. Ein Verbot wäre für Peukert eine "Aushöhlung der Grund­rechte" und eine "Invasion ins Private".

Diese Invasion gibt es aber längst. Und der Eindringling ist nicht staatlich. Tech­nologiekonzerne forschen ihre Kunden systematisch aus, sammeln Daten, legen Profile an und versuchen, daraus Kapi­tal zu schlagen. Über Suchanfragen, Einkäufe, Kontakte oder GPS-Daten lässt sich viel über die Lebensumstände eines Menschen erfahren. Und weiß man viel über jemanden, kann man ihn effektiv umwerben. Google wird trotzdem be­denkenlos genutzt, der vernetzte Laut­sprecher Echo von Amazon, der seine Besitzer belauscht, ebenso. Und das neue iPhone, das die Gesichter seiner Be­nutzer scannt, wird wohl auch ein Erfolg.

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Paradox



Die Diskussion über ein Bar­geldverbot führt zu einem empörten Aufschrei gegen Totalüberwachung - und das oft ausgerechnet bei Facebook, wo gleich noch die Bilder vom letzten Ur­laub gepostet werden. Einfach grotesk, wie weit Anspruch und Realität hier aus­einanderklaffen. Im Supermarkt wird stur bar bezahlt, die Rabattkarte, mit der Kunden ihre Daten für eine Bratpfanne verscherbeln, wird der Kassiererin aber fröhlich überreicht. Und beim Online­shopping, das seinen Umsatzanteil im Einzelhandel in Deutschland laut Han­delsverband HDE seit 2007 auf zehn Pro­zent vervierfacht hat, sind Zahlungen meist ohnehin nur elektronisch möglich. Zalando akzeptiert Paypal, Kreditkarte, Rechnung oder Lastschrifteinzug, nicht aber die Barzahlung per Nachnahme.

Im Einzelhandel wird deshalb bereits so viel elektronisch wie bar bezahlt. Und der Trend zu Electronic Cash verstärkt sich immer mehr. Die Anbieter von Be­zahlsystemen etablieren dabei ziemlich ausgefeilte Techniken (siehe Seite 8). Sie wollen es den Nutzern möglichst be­quem machen, dringen dabei aber buch­stäblich immer weiter in deren persönli­chen Raum ein. So gibt es das Bezahlen per Selfie oder Fingerabdruck - vor al­lem in Asien auf dem Vormarsch -, aber auch unter die Haut verpflanzte RFID-Mi­krochips, mit denen man Rechnungen begleichen kann, indem man das gechipte Körperteil an ein Lesegerät hält. Geg­ner des Bargelds spielt die Technik also in die Hände. Werde es nichts mit einem Verbot, könne man "das Bargeld in den nächsten hundert Jahren gemächlich dem Sonnenuntergang entgegenreiten sehen", so Kenneth Rogoff.

Und eine komplett bargeldlose Zu­kunft ist auch keine Utopie mehr. In Schweden ist sie seit ein paar Jahren fast schon Realität. "Ich muss noch zur Bank" oder "Hast du es passend?" hört man dort kaum noch, es herrscht die De­vise: "Bargeld braucht nur die Oma oder der Bankräuber". Während in Deutsch­land acht von zehn Zahlungen bar ab­ gewickelt werden, laufen dort acht von zehn Zahlungen elektronisch. Selbst Kleinstbeträge für Kaugummi, Kaffee oder Zigaretten wandern ganz selbstver­ständlich von einem Konto aufs andere, Zeitungsverkäufer haben Kartenlese­geräte, sogar der kirchliche Klingelbeu­tel ist in manchen Gotteshäusern digital. Und mit der Bezahl­App Swish kann man seinen Kindern in Sekundenschnelle ein paar Kronen fürs Eis zustecken oder einem Freund etwas leihen. Die Folge: Viele Banken haben kein Bargeld mehr vorrätig, Banküberfälle sind ferne Erin­nerungen an eine archaische Zeit.

Ja, die Schweden! Sie belegen im "World Happiness Report" der glück­lichsten Nationen nicht nur einen Platz weit vorn, sondern sind auch sehr expe­rimentierfreudig. Und sie haben schon einmal eine Geldrevolution gestartet: Die von Johan Palmstruch gegründete Stockholms Banco gab 1661 Papierscheine heraus, auf denen Palmstruch und seine Mitarbeiter persönlich unter­ schrieben hatten. Die 16 mal 19 Zenti­meter großen Scheine waren das erste Papiergeld in Europa.



Auf Seite 6: Interview Professor Starbatty: "Geld ist geprägte Freiheit"





Interview Professor Starbatty: "Geld ist geprägte Freiheit"



Mit seinen Klagen gegen die Euro-Rettungspolitik erregte Professor Starbatty Aufsehen. Bei einem Bargeldverbot sieht er mehr als nur die Rechte von Sparern in Gefahr

€uro: Herr Starbatty, Sie haben sich der Initiative "Stop Bargeldverbot" angeschlossen. Warum?


Joachim Starbatty: Ich erlebe als Abgeordneter im Europäischen Parlament, dass die Mehrheit die Geldpolitik von Mario Draghi mit ihren Negativzinsen unterstützt. Die negativen Zinsen sollen die Leute dazu zwingen, Geld auszugeben, und so die Konjunktur anheizen. Bargeld steht dieser Idee im Weg, weil die Menschen sich entziehen können, indem sie ihr Geld vom Konto abheben.

Sie fürchten also die Konsequenz ex­tremer geldpolitischer Maßnahmen?


Genau. Bargeldverbot und Negativzin­sen sind die Fortsetzung einer für deut­sche Sparer katastrophalen Politik der Notenbanken.

Aber mehr Wachstum dank Negativ­zinsen klingt doch erst mal gut?


Ich bin nicht gegen mehr Wachstum. Und wenn die Leute mehr Geld ausge­ben wollen, sollen sie das tun. Aber bei einem Bargeldverbot haben die Men­schen keine Möglichkeit mehr auszu­weichen und sind einer Beschneidung ihres Geldvermögens schutzlos aus­geliefert. Gegen diese Ausbeutung des Sparers muss man als Ökonom und Staatsbürger etwas unternehmen.

Sicher wollen Sparer lieber mehr Zinsen für ihr Geld bekommen als weniger. Aber gibt es überhaupt ein Recht auf positive Zinsen?


Nein, das gibt es nicht. Die Sparer müssen jedoch die Möglichkeit haben auszuweichen, wenn ihnen staatlich auferlegte finanzielle Repression droht.

Aber ganz praktisch gesehen wird Bargeld immer unwichtiger. Selbst in Deutschland, im internationalen Ver­gleich ein Land, in dem viel bar be­zahlt wird, steigt der Anteil der Kar­tenzahlungen stetig an. Das Wachs­tum des Onlinehandels wird diese Entwicklung beschleunigen.


Das steht außer Frage. Wenn die Leute mit Karte bezahlen wollen, sollen sie das machen. Aber ich bin gegen den Zwang. "Geld ist geprägte Freiheit", meinte Dostojewski einst - und er hatte recht damit.

Auf Seite 7: Fortsetzung des Interviews





Wie meinen Sie das?


Wenn wir nur noch elektronisch bezahlen dürften, wären wir den Notenbanken und Zahlungsabwicklern wie Kreditkartenunternehmen ausgeliefert. Und außerdem wäre jede Transaktion lückenlos erfassbar. Der gläserne Mensch wäre perfekt. Das ist nicht nur für mich eine Horrorvorstellung.

Aber ist die Macht, die wir als Bürger mit Bargeld glauben zu haben, nicht illusorisch? Schließlich ist auch ein 100-Euro-Schein nichts als bedrucktes Papier.


Das stimmt. Es gibt die sogenannte Geldillusion, der die meisten Menschen unterliegen. Aber es wird nicht besser, wenn wir den Notenbanken noch einen Hebel mehr in die Hand geben, um Unheil anzurichten. Sehen Sie sich nur an, was gerade passiert. Das Ziel, um jeden Preis Inflation zu erzeugen, lässt Blasen besonders auf Immobilien- und Aktienmärkten entstehen, deren Platzen große Schäden anrichten wird, während die Verbraucherpreise nahezu unverändert bleiben, solange sich die Gewerkschaften zurückhalten.

Jemand, der Notenbanker so skeptisch sieht, muss Kryptowährungen wie Bitcoin begrüßen, oder?



Bitcoin als staatenloses Geld könnte tatsächlich ein Schlag gegen das Notenbankmonopol sein. Aber um als echte Alternative zu gelten, muss mehr Sicherheit in das System. Noch sind die Betrugsmöglichkeiten groß. Auch ist mir eine Währung, bei der niemand weiß, wer haftet, nicht geheuer.

Bitcoin wurde am Anfang vor allem mit illegalen Geschäften in Verbindung gebracht. Diese wollen die Anhänger des Bargeldverbots auch eindämmen. Das Ende von Steuerhinterziehung und Geldwäsche - kein Argument für Sie?


Überhaupt nicht. Erstens ist die Vorstellung, dass Kriminelle ihr Geld in Koffern durch die Gegend tragen, lächerlich. Geldwäsche funktioniert heute ganz anders, über Strohmänner und Scheinfirmen. Und zweitens finde ich es unerhört, dass jeder, der bar zahlt, verdächtigt wird, kriminell zu sein, nur weil Draghi mit Negativzinsen die Eurozone zusammenhalten will.

Joachim Starbatty sitzt als Abgeordneter der Liberal-Konservativen Reformer im Europäischen Parlament. Die Partei ist die Nachfolgerin der Allianz für Fortschritt und Aufbruch (ALFA), gegründet von Bernd Lucke nach dessen Austritt aus der ebenfalls von ihm gegründeten AfD. Starbatty, emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre, sorgt immer wieder mit Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht für Aufsehen. So klagte er bereits gegen die Einführung des Euro, die Griechenland-Hilfe Deutschlands, den Rettungsfonds ESM und den Europäischen Fiskalpakt vor dem obersten deutschen Gericht.

Auf Seite 8: Wo Anleger investieren





Bloß nix Bares



Wenn Konsumenten immer häufiger digital bezahlen, klingelt es bei einigen Unternehmen kräftig in der Kasse. Deren Aktien sollten sich Anleger jetzt ins Depot legen

Bezahlen Sie einfach mit Ihrem guten Namen." So lautete der Werbeslogan des Kreditkarten­anbieters American Express, der im Jahr 1984 kreiert wurde. Statt Bezahlung mit Bargeld warb der Anbieter damit, nur noch die Kreditkarte zu zü­cken und zu unterschreiben.

Damals war diese Art des Bezahlens ziemlich unbekannt. Mittlerweile aber ist das Plastikgeld in Form von echten Kredit­ oder auch Debitkarten (bei denen das Konto sofort belastet wird, in Deutschland etwa bekannt als Maestro oder Giropay) nicht mehr wegzudenken. Laut World Payments Report 2017, der von der Beratungsgesellschaft Capgemini in Zusammenarbeit mit der Großbank BNP Paribas herausgegeben wird, wur­de im Jahr 2015 weltweit 202 Milliarden Mal mit Debitkarte und 85 Milliarden Mal mit Kreditkarte gezahlt. Das entspricht beim Plastikgeld gegenüber dem Vorjahr einem Plus von insgesamt rund zwölf Prozent. Und ein Ende dieses Trends weg vom Bargeld ist nicht in Sicht.

Sicherheit ist Trumpf



Aber Plastik­geld ist längst nicht das Einzige, was beim Bezahlen im Trend liegt. Auch das Smartphone wird dabei immer wichti­ger. Beim NFC-Verfahren genügt es, das Gerät nahe an ein Bezahlterminal zu hal­ten, um die Rechnung zu begleichen. Bis­ her kommt diese Technik vor allem im Bereich Micropayments, also bei der bar­ geldlosen Zahlung kleinerer Beträge, zum Einsatz. Auch der US-Techgigant Apple bietet mit Apple Pay kontaktloses Bezahlen an. Und bei dem erst kürzlich vorgestellten neuen iPhone X erfolgt die Zahlung via Gesichtserkennung: Als Legitimation einer Zahlung genügt es, das iPhone vor das eigene Gesicht zu halten.

Das Verfahren soll laut Apple viel si­cherer sein als etwa die Legitimation mittels Fingerabdruck. Ist die Methode sicher, werden die Konsumenten immer mehr auf das bargeldlose Bezahlen setzen - ganz egal, ob mit Apple Pay oder einem anderen Bezahlverfahren. Neuen Schub bekommt das digitale Zahlen zudem Anfang des nächsten Jahres: Am 13. Januar 2018 tritt die von der Europäischen Union im Oktober 2015 verabschiedete überarbeitete Richtlinie zur Schaffung sichererer und innovativerer europaweiter Zahlungsdienste (PSD2) in Kraft. Diese neuen Regeln zielen darauf ab, die Verbraucher beim Onlinebezahlen besser zu schützen. Zudem will die Richtlinie Online- und Mobilfunkzahlungen fördern und auch grenzüberschreitende europäische Zahlungsdienste sicherer machen.

Laut dem Datenanbieter Statista wird sich das Volumen beim mobilen Bezahlen von rund 200 Milliarden Euro in diesem Jahr auf knapp 800 Milliarden Euro im Jahr 2021 vervierfachen (siehe Chart). Das durchschnittliche jährliche Transaktionsvolumen beim Mobile Payment dürfte in diesem Jahr bei 561 Euro pro Person liegen. Schätzungen zufolge wird es bis zum Jahr 2021 auf 1174 Euro anziehen. Und das ist nur das Bezahlen mit Smartphone, hinzu kommt der stetig steigende Umsatz im E-Commerce.



Auf Seite 9: Aussichtsreiche Aktien





Aussichtsreiche Aktien



Von diesen Trends profitieren einige Unternehmen, deren Aktien für Anleger interessant sind. Dazu zählt beispielsweise der Kreditkartenanbieter Mastercard, der sowohl beim Bezahlen im Internet als auch beim stationären Handel gut positioniert ist. Vor allem im stationären Handel ist der französische Anbieter Ingenico mit seinen Bezahlterminals präsent, die Franzosen setzen aber zunehmend auch auf E-Commerce. Fast schon ein Basisinvestment ist der rund um den Globus präsente US-Zahlungsdienstleister Paypal. Aber auch Unternehmen wie Wirecard aus Deutschland oder Vantiv aus den USA, die für das Bezahlen die entsprechende Infrastruktur im Hintergrund bereitstellen, profitieren.

€uro stellt nachfolgend die fünf genannten Unternehmen vor. Zwar gilt für alle Aktien, dass sie gemessen an fundamentalen Kennzahlen wie dem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) oder dem Kurs- Buchwert-Verhältnis (KBV) im Vergleich zum breiten Aktienmarkt hoch bewertet sind. Aber die starken Wachstumsraten und die guten Perspektiven rechtfertigen auch eine höhere Bewertung.

Ingenico



Die Bezahlterminals von Ingenico finden sich im Restaurant um die Ecke ebenso wie im Supermarkt oder an der Tankstelle: Die Franzosen unterhalten nach eigenen Angaben das weltgrößte Netzwerk bei stationären Händlern mit rund 30 Millionen Bezahlterminals in 170 Ländern. Dabei deckt das Unternehmen alle Bezahlvarianten ab - von der Kreditkarte bis hin zum NFC-Verfahren, bei dem das Smartphone nur noch kurz ans Terminal gehalten wird. Weil aber immer mehr im Internet gekauft wird, bietet Ingenico auch über 150 unterschiedliche Bezahlverfahren für Onlinehändler weltweit an. Dazu gesellen sich Sicherheitsdienstleistungen und Schutz vor betrügerischen Attacken. Das Unternehmen mit Sitz in Paris expandiert kräftig und hat erst vor drei Monaten für 1,5 Milliarden Euro den schwedischen Konkurrenten Bambora gekauft.
Die Aktie ist im Vergleich zur Branche mit einem KGV von aktuell 19,5 eher günstig bewertet. Zudem bietet das Papier eine attraktive Dividendenrendite von knapp zwei Prozent. Dafür schüttet Ingenico gerade mal rund ein Drittel seines Gewinns aus.



Auf Seite 10: Mastercard und Paypal





Mastercard



Die Kreditkartenanbieter stehen in der Poleposition, um vom Ende des Bargelds zu profitieren. Wann immer eine Trans­aktion mit einer Kreditkarte erfolgt, klin­gelt bei den beiden unangefochtenen Weltmarktführern Visa und Mastercard die Kasse. Kein Wunder also, dass bei beiden Anbietern die Aktienkurse nur eine Rich­tung kennen: nach oben. Für Paulo Ribeiro vom US­Finanzdienstleister BMO Capital Markets sind deswegen auch beide Aktienkaufenswert; dennoch präferiert er Mas­tercard. Der Grund: Bei dem stetig wach­ senden Geschäft mit dem Austausch von elektronischem Geld etwa zwischen zwei Unternehmen oder zwei Privatpersonen sieht er Mastercard vorn. Zwar ist die Mas­tercard­ Aktie alles andere als billig, aber die stetig steigenden Umsätze und Gewin­ne rechtfertigen für Ribeiro die hohe Be­wertung. So verdoppelte sich der Nettoge­winn des Unternehmens von knapp zwei Milliarden Dollar im Jahr 2011 auf zuletzt 4,4 Milliarden Dollar. Die Dividende pro Ak­tie zog im gleichen Zeitraum von 0,05 Dol­lar auf 0,82 Dollar an. Und ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht.



Paypal



Paydirekt, das Onlinebezahlverfahren der deutschen Banken und Sparkassen, star­tete vor zwei Jahren mit großem Getöse, man wolle Marktführer Paypal angreifen. Bisher ist davon nichts zu spüren - im Gegenteil: Die Schere öffnet sich immer weiter. Inzwischen hat Paypal allein in Deutschland über 50000 angeschlossene Händler (Paydirekt rund 1300 Händler), weltweit sind es über 15 Millionen. Der einst zum Internet­-Auktionshaus Ebay ge­hörende Bezahldienst will jetzt in Europa weiter expandieren und setzt dabei auf eine strategische Partnerschaft mit der Kreditkartengesellschaft Visa. Dabei sol­len die US­Amerikaner, die selbst über eine eigene europäische Banklizenz verfügen, Mitglied des Visa­Netzwerks werden. So können Verbraucher und Unternehmen Paypal überall dort nutzen, wo Visa akzep­tiert wird. Paypal und Visa arbeiten bereits in den USA und im asiatisch­pazifischen Raum eng zusammen. Analyst David Togut von der US­Beratungsgesellschaft Evercore sieht bei der Paypal­Aktie das "stärkste Bullen­Szenario bei einem Be­zahlunternehmen seit vielen Jahren".



Auf Seite 11: Vantiv und Wirecard





Vantiv



Der US-Zahlungsabwickler Vantiv hat gerade einen Megadeal eingetütet und seinen britischen Konkurrenten Worldpay für acht Milliarden Pfund (rund neun Milliarden Euro) gekauft. Hauptgrund der Übernahme ist der "Amazon-Effekt": Immer mehr stationäre US-Einzelhändler leiden unter der Konkurrenz des Internetriesen. Vantiv hat einen Schwerpunkt seines Geschäfts genau auf dieser Gruppe von Einzelhändlern: Egal wie ein Kunde bezahlt, ob mit Karte oder mit dem Smartphone: Vantiv wickelt die Zahlung im Hintergrund ab. Kaufen weniger Kunden ein, sinkt der Umsatz des Einzelhändlers - und damit auch der von Vantiv. Weil Worldpay im E-Commerce stark vertreten ist, steht das Unternehmen mit Sitz im US-Bundesstaat Ohio nun besser da. Der fusionierte Konzern bringt es jetzt im Jahr auf rund 40 Milliarden Transaktionen im Gesamtwert von 1,5 Billionen US-Dollar. Wenn erst einmal die Plattformen beider Anbieter verschmolzen sind, wird Vantiv die Gewinnmarge erhöhen können. Kurzfristig aber rechnet das Unternehmen mit Restrukturierungskosten von 330 Millionen Dollar.



Wirecard



Die Chinesen bezahlen gern digital via App. Damit das Shoppingvergnügen auch in Deutschland reibungslos funktioniert, können sie bei Besuchen des Landes mit Alipay oder WeChat Pay - den beiden beliebtesten Apps - zahlen. Die Zahlung wird im Hintergrund von Wirecard abgewickelt. Die Münchner managen digitale Zahlungsströme und besitzen zudem eine eigene Banklizenz. Damit können sie Kreditkartenzahlungen zwischen verschiedenen Banken und Kartenunternehmen abwickeln. Wirecard entwickelt aber auch Lösungen für das mobile Bezahlen und den E-Commerce. Umsatz und Gewinn wachsen seit Jahren kontinuierlich, auch dank gezielter Akquisitionen im Ausland. Vor allem in den Regionen Indien, Südostasien und Afrika mit ihrem riesigen Potenzial für mobiles Zahlen winken Chancen. So hat Wirecard mit MyGate Communications einen der am schnellsten wachsenden Payment-Dienstleister Afrikas gekauft. Die Aktie bietet gute Perspektiven, auch dank bestehender Übernahmefantasie. Allerdings war sie in der Vergangenheit auch schon Opfer spekulativer Attacken.