Mit dem Geschäftsjahr 2015 steht dem Industriekonzern nach dem im Mai angekündigten Strategiewechsel laut Chef Joe Kaeser ein Jahr der "operativen Konsolidierung" bevor. Siemens rechnet für das im Oktober angelaufene Geschäftsjahr 2015 mit einem Umsatz lediglich auf Niveau des Vorjahres von rund 72 Milliarden Euro. Den Nettogewinn will Konzernchef Joe Kaeser laut Konzernprognose um mindestens 15 Prozent gegenüber den 5,5 Milliarden Euro des Vorjahres steigern. Darin dürften allerdings auch Veräußerungsgewinne in erheblichem Umfang enthalten sein. Siemens gab zeitgleich den Verkauf der Hörgerätesparte an den schwedischen Finanzinvestor EQT und die Hexal-Gründerfamilie Strüngmann für knapp 2,2 Milliarden Euro bekannt.

"Wegen geopolitischer Spannungen wird das Geschäftsumfeld in der Periode 2015 komplex sein", gab sich Kaeser vorsichtig. Der Vorstandschef will den DAX-Konzern weiter umbauen und setzt dabei zunehmend auf den Energiebereich. Zuletzt hatte Siemens mit dem amerikanischen Kompressorenhersteller Dresser Rand sowie der Turbinensparte der britischen Rolls Royce hier zwei Milliardenübernahmen gestemmt. Kaeser setzt mit Ausrüstungstechnik auf das boomende Geschäft mit dem so genannten Fracking, einer modernen Fördermethode.

Auf Seite 2: Kaeser zeigt sich vom fallenden Ölpreis unbeeindruckt





Viele Beobachter fragen sich allerdings, ob das Timing der Übernahmen nicht unglücklich war. Zuletzt fiel der Ölpreis wegen des hohen Angebots an Fracking-Öl und der anhaltend hohen Förderung der OPEC-Staaten stark. Damit aber sinken die Gewinnaussichten der Ölkonzerne und damit womöglich auch deren Investitionsbudgets. Die Notierung der US-Ölsorte WTI kostet derzeit nur noch rund 78 Dollar pro Barrel, im Juni lag die Notierung noch weit über 100 Dollar.

Vom fallenden Ölpreis zeigt sich Kaeser unterdessen unbeeindruckt. "Wir rechnen keineswegs mit einer fallenden Nachfrage nach Ausrüstung", sagte der Siemenschef. Die durchschnittliche Gewinnschwelle in der Frackingbranche liege derzeit bei 57 Dollar für das Fass Rohöl.

Auf Seite 3: Abspaltung der Medizintechnik





Siemens richtet sich zudem auf eine mögliche Abspaltung der Medizintechnik ein. Der Bereich, der mit über 20 Prozent die höchsten Gewinnmargen im gesamte Konzern liefert, müsse sich an starke Veränderungen im der Branche einstellen. Kaeser verglich die Entwicklung mit der in der Kommunikationstechnologie Anfang des Jahrtausends. "Wir müssen gerüstet sein und dürfen keinen Trend verpassen", sagte Kaeser.

Der Siemens-Chef, der in der Medizintechnik die geringsten Synergien mit dem restlichen Geschäft sieht, drängt auf mehr Eigenständigkeit. Deshalb werden jetzt Landesgesellschaften der Sparte Healthcare, auch in Deutschland, rechtlich verselbstständigt. Die komplette rechtliche Ausgliederung des Hauptgewinnbringers ist danach rasch möglich. "Das ist zeitlich schnell zu bewältigen", sagte Finanzchef Ralf Thomas am Rande der Veranstaltung in Berlin gegenüber Börse Online. Analysten sehen in einer Ausgliederung und einem anschließenden Spin-Off oder Verkauf eine Chance, Werte für Aktionäre zu heben. Siemens hatte dies im Falle der Lichttechniktochter Osram schon einmal praktiziert, die im Jahr 2013 als Spin-Off an die Börse gebracht wurde. Im Falle von Osram hatte die Entwicklung der LED-Technik den Ausschlag gegeben.

Auf Seite 4: Jahr der Aufbruchs





Der Siemens-Chef bezeichnete das Ende September abgelaufene Geschäftsjahr als "Jahr der Aufbruchs". Das Gewinnziel wurde mit einem Zuwachs beim Nettoergebnis um 25 Prozent auf 5,5 Milliarden Euro erreicht. Die Münchner hatten sich vorgenommen, den Nettogewinn des Vorjahres von 4,4 Milliarden Euro um mindestens 15 Prozent zu übertreffen. Der Umsatz sank jedoch um zwei Prozent auf 71,9 Milliarden Euro. Kaeser gestand ein, Marktanteile gegenüber dem Wettbewerb verloren zu haben: "Wir hinken beim Wachstum hinterher."

Der Industriekonzern blieb zudem mit seinen Quartalszahlen für das abgelaufene Quartal leicht hinter den Erwartungen zurück. Siemens steigerte den Umsatz zwar um ein Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 20,6 Milliarden Euro, Analysten hatten im Schnitt jedoch mit 21 Milliarden gerechnet. Der operative Gewinn der vier Sektoren erreichte mit knapp 2,2 Milliarden Euro immerhin nah an die Schätzungen von 2,24 Milliarden heran. Beim Auftragseingang lief es im letzten Quartal des Geschäftsjahres besser, die Ordereingänge überstiegen mit 20,7 Milliarden die Erwartungen etwas.

Erneut drückten unerwartete Belastungen das Ergebnis der Bayern. Nachdem zuletzt vor allem das Geschäft mit Stromanbindungen für Verdruss gesorgt hatte, rutschte nun der Bereich Windturbinen in die Verlustzone. Technische Probleme mit Rotorblättern sowie Lagerschäden verursachten laut Energie-Chefin Lisa Davis Kosten in Höhe von 223 Millionen Euro.

Laut Davis sank überdies der Auftragseingang im Bereich Energietechnik um fünf Prozent im Quartal. "Wir haben einiges an Arbeit vor uns", so die Energiechefin, die im Frühjahr vom Ölriesen Shell zu Siemens gekommen war und vom texanischen Houston aus das Energiegeschäft des deutschen Konzerns lenkt.

Auf Seite 5: Was Anleger tun sollten





Aktionäre dürfen sich dennoch auf eine um zehn Prozent höhere Dividende freuen. Kaeser kündigte für das abgelaufene Geschäftsjahr eine Ausschüttung von 3,30 Euro an, was etwas über den Erwartungen lag.

Die schlechte Nachricht: Erst 2016 soll das Unternehmen wieder nennenswert wachsen. Klar ist zudem, dass der operative Gewinn 2015 kaum vom Fleck kommt. Die angekündigte Nettogewinnsteigerung stammt hauptsächlich aus Verkäufen, etwa der Hausgerätetechnik oder den Hörgeräten. Charttechnisch läuft das Papier in einer Seitwärtsspanne zwischen 75 und 100 Euro. Wir stufen das Papier herunter - von Kaufen auf Halten.

Stopp: 73,00, Ziel 100 Euro.

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