"Der Zeitpunkt ist richtig. Die Märkte sind aufnahmefähig und das Geschäft ist in einer wettbewerbsfähigen Position", erklärt Siemens den neuen Anlauf. Zwar hat der Münchener Konzern, der seit 1913 Hörgeräte serienmäßig produziert, das Geschäft durch einen Umbau in den letzten Jahren auf Vordermann gebracht. Ihren technologischen Vorsprung hätten die Akkustikpioniere aber eingebüßt, sagen Experten. Seit 2005 schrumpfte der Weltmarktanteil der Siemens Hörgeräte von 23 Prozent auf zuletzt 17 Prozent.

Weltmarktführer ist der Schweizer Konzern Sonova mit einem Marktanteil von knapp einem Viertel. Die drei dänischen Rivalen GN Resound, Wilex und William Demant zusammen global auf die Hälfte.

So ganz sicher, ob sich genügend zahlende Anleger für die SAT-Papiere finden, ist sich Kaeser offenbar ebenfalls nicht. Noch zur Vorlage der Quartalsbilanz Ende Juli ließ er offen, ob er einen IPO anstrebt oder die Anteile nach dem Vorbild von Osram an die eigenen Aktionäre verschenkt. In Europas Finanzzentren Frankfurt und London bereiten sich die Investmentbanker jedenfalls schon vor, um den Zuschlag für das lukrative Mandat zu bekommen. Branchenexperten schätzen den Wert der SAT als eigenständiges Unternehmen an der Börse auf rund zwei Milliarden Euro. Die Analysten von Bernstein Research nennen eine Spanne zwischen 1,8 und 2,2 Milliarden Euro.

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PREISFRAGE

Am Preis scheiterten schon einige Pläne von Siemens für das Hörgerätegeschäft: Beim ersten Trennungsversuch 2010 blies Kaeser, damals noch Finanzchef, den Verkauf an Finanzinvestoren ab, nachdem die Gebote in den Keller gegangen waren. Die Bieter hatten spitz bekommen, dass Branchenprimus Sonova Stück für Stück Händler aufkaufte und so die Vertriebskanäle zuschüttete. Siemens schwenkte mit seiner Strategie um und stieg 2010 seinerseits beim schlingernden US-Handelspartner HearUSA ein, um sein Amerika-Geschäft zu sichern. Vor einem halben Jahr bandelte Siemens dann Insidern zufolge mit GN Resound an, konnte sich mit den Dänen aber nicht über den Preis einigen. Die Fusion mit dem Rivalen hätte in dem Oligopol als einzige vage Erfolgsaussichten vor dem Kartellamt. Die anderen Anbieter hätten als Käufer aus wettbewerbsrechtlichen Gründen keine Chance. Eine kolportierte Übernahme durch große Akkustikerketten wie Amplifon oder Kind dürfte an der Finanzierung scheitern.

Gleichzeitig treten neue Konkurrenten auf den Plan, unter anderen der koreanische Elektronikriese Samsung, der wegen seiner Finanzstärke und seinem Expansionsdrang weltweit gefürchtet wird. Die Bernstein-Experten halten es für möglich, dass Samsung sich das Siemens-Geschäft als Ganzes schnappen könnte, statt einen Börsengang abzuwarten. "Das wäre für Samsung auch deshalb attraktiv, weil Siemens das Hörgerätegeschäft in den letzten fünf Jahren stärker Richtung Asien orientiert hat und aus Singapur und Deutschland führt", mutmaßt Analystin Lisa Bedell Clive. Aus dem Münchener Konzern heißt es aber, ein Verkauf an die Asiaten werde aus Imagegründen nicht gewollt.

Auf Seite 3: TRANSPARENZ

TRANSPARENZ

Um die Geschäftszahlen der Tochter macht Siemens noch ein Geheimnis. Der Umsatz wird von Experten auf gut 700 Millionen Euro jährlich veranschlagt, der operative Gewinn (Ebit) auf mehr als 130 Millionen Euro. Siemens sagt nur, die SAT-Marge liege über der des gesamten Medizintechnik-Bereichs von 15 Prozent. Die Rivalen freuen sich, im Zuge der Börsenpläne Näheres über die Renditen der Siemens-Hörgeräte zu erfahren. William-Demant-Chef Niels Jacobsen sagte: "Das bedeutet mehr Transparenz in der Hörgeräteindustrie, wenn es dann vier börsengelistete von sechs Anbietern gibt. Wir glauben, das ist sicher besser."

Die Bilanz, mit der die SAT um Investoren buhlt, dürfte von einem Sondereffekt geprägt sein. Die ganze Branche profitiert aktuell von der Entscheidung des Bundessozialgerichts, dass jeder Kassenpatient das Recht auf bestmögliches Hören hat. Die die bislang übliche Kostendeckelung für die Krankenkassen bei den Geräten entfiel. In Deutschland löste das einen regelrechten Boom aus: Im ersten Quartal legte der Markt nach Angaben der Bundesinnung der Hörgeräteakkustiker um 40 Prozent zu. Der Durchschnittspreis pro Gerät stieg auf 640 bis 700 Euro von zuvor 360 bis 400 Euro. Allerdings wird nach Einschätzung von Verbandschef Stephan Baschab bei Händlern und Herstellern nicht mehr Gewinn hängenbleiben. Patienten bekämen jetzt auch ohne persönliche Zuzahlung gute Geräte und stockten nicht mehr aus eigener Tasche auf Geräte um die 1000 Euro auf. Die Marge der Hersteller drohe gar zu sinken. "Die nächsten zwei drei Jahre werden schwierig werden, auch für die Hersteller, weil die Zuzahlungsbereitschaft sinkt", sagte Baschab voraus.

Deutschland gehört mit jährlich drei Millionen verkauften Hörhilfen zusammen mit den USA, Frankreich und Japan zu den größten Märkten der Welt. Das Geschäft hat sich binnen zehn Jahren verdoppelt. die Branche erwartet jährliche Wachstumsraten von vier Prozent. Dabei spielt der Absatz in Schwellenländern noch keine große Rolle. In China etwa werden Hörgeräte in Krankenhäusern angepasst, die Spezialisten sind mit der Masse der Patienten häufig überfordert, so dass die Regierung den Schwerpunkt auf die Versorgung von schwerhörigen Kindern und Jugendliche setzt. In Indien fehlt es völlig an einer entsprechenden Versorgungsinfrastruktur.

Reuters