Mehr Realismus, weniger Hype", so beschreibt Sven Aubert derzeit die Stimmung bei Privatanlegern. Er betreut bei der Direktbank Consorsbank Neuemissionen. "Zur Jahrtausendwende wurde man schräg angeschaut, wenn man sich nicht über Neuemissionen unterhalten konnte, heute ist es fast umgekehrt", erinnert sich auch Jan Enno Einfeld, Leiter Trading der Direktbank Comdirect. Börsengänge seien derzeit eher ein Nischenthema, auch wenn das Interesse jüngst wieder zugenommen habe, berichten die beiden Banker unisono.

Der Markt für IPOs, (Initial Public Offerings, zu Deutsch Börsengänge) hat sich zuletzt deutlich belebt. Aber Freud und Leid liegen bei den Börsenneulingen und ihren Anlegern eng beieinander: Wer im Mai bei der Neuemission des Halbleiterunternehmens Siltronic zum Zug kam, dessen Aktien sind bis jetzt um rund zehn Prozent gestiegen. Im wahrsten Sinne des Wortes in die Hose ging dagegen im gleichen Monat der IPO des Babyartikelspezialisten Windeln.de: Bis dato hat die Aktie ein Drittel verloren. Neuemissionen waren und sind keine Selbstläufer. Und nur wer sich gut informiert und dann bei aussichtsreichen Börsengängen überhaupt zum Zug kommt, hat die Chance, Zeichnungsgewinne einzustreichen.

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Unter den Ersten sein...



Interessierte Anleger sollten nicht nur das Unternehmen genau checken. Wichtig ist: Wie sind die Marktlage und die Marktliquidität? Findet die Emission genug Käufer? "Eine Vollzuteilung bekommt man eher bei schlechten als bei guten IPOs", weiß Ingo Hillen, Vorstand des Onlinebrokers Sino.

Manchmal muss man auch richtig schnell sein, da manche Angebote nur kurz verfügbar sind - wenn überhaupt. Häufig werden die Neulinge komplett oder zum Großteil bei institutionellen Anbietern platziert. "Privatkunden stehen bei IPOs derzeit nur in der zweiten Reihe", meint Sven Aubert.

Bei deutschen Banken kann man Aktien nur dann zeichnen, wenn der IPOKandidat ein sogenanntes öffentliches Angebot in Deutschland vorlegt, das gezielt hiesige Anleger anspricht. Bei großen ausländischen IPOs kann, muss das aber nicht der Fall sein. Eine echte Chance, dabei zu sein, gibt es vor allem dann, wenn man sein Wertpapierdepot bei einem Anbieter führt, der selbst oder dessen Mutter im Konsortium vertreten ist, das die Emission begleitet.

"Nur das Konsortium teilt Aktien zu", so Dominic Blum von der Deutschen Bank. Sein Institut konnte Kunden, auch jenen des hauseigenen Onlinebrokers Maxblue, dieses Jahr bisher sieben Emissionen anbieten - mehr als jede andere Bank. "Wir nehmen ausschließlich an Aktien-IPOs teil, bei denen die Wahrscheinlichkeit für unsere Kunden hoch ist, eine Zuteilung zu erhalten", sagt Comdirect-Mann Einfeld. "Das ist der Fall, wenn etwa die Commerzbank als unser Abwicklungspartner Mitglied im Konsortium ist." 2015 war das bislang dreimal der Fall. Zum Vergleich: Kunden der DAB Bank und der Consorsbank erhielten 2015 erst bei jeweils einem Börsengang Stücke zugeteilt, bei einigen anderen Häusern gab es gar nichts. Die Institute informieren ihre Kunden zumeist vorab auf der Website oder per EMail über Börsengänge. Wer mehrere Depots führen will, um seine Chancen zu steigern, sollte wissen, dass das wegen der Gebühren teuer werden kann. Das Zeichnen selbst ist bei den befragten Banken umsonst, erst bei Zuteilung wird der jeweils übliche Preis fällig.

Spekulative Anleger, die unbedingt Stücke ergattern möchten, können bereits beim vorbörslichen Handel per Erscheinen dabei sein, wie er etwa über die Makler Lang&Schwarz, Schnigge oder die Börse Tradegate stattfindet. Nicht alle Onlinebroker bieten diese Möglichkeit.

Der Handel beginnt üblicherweise mit dem Start der Zeichnungsfrist. Anleger, die hier zugreifen, ho en, die Stücke günstiger als zum Emissionskurs zu erhalten. Geliefert werden sie dann zum Tag der Erstnotiz. "Man kann aber ziemlich danebenliegen, beispielsweise wenn ein Wert nach anfänglichem Hype während der Preisbildungsspanne dann doch zu einem Kurs am unteren Ende der Spanne erstmals notiert", warnt Sven Aubert.

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IPOInteressenten haben also einige Hürden zu nehmen. Das passende Depot ist nur eine davon. Ob sich der Aufwand wirklich lohnt, muss jeder für sich selbst beantworten. Die Zeichnungsgewinne sind derzeit häufig nur gering - und fallen manchmal sogar ganz aus. Weniger riskant erscheint es da, eine AG zunächst einmal an die Börse gehen zu lassen und erst dann zuzuschlagen, wenn sich das Unternehmen in der harten Realität bewiesen hat.