Doch inzwischen beklagen die Firmen auf beiden Seiten des Atlantiks wieder einen Preisverfall - und machen einmal mehr Unternehmen in China dafür verantwortlich. "Seit vier bis fünf Wochen haben die Preise zwischen zehn und 15 Prozent nachgegeben", beschreibt Luc Grare, Marketing-Vorstand bei Europas Nummer Eins REC Solar, die Dramatik des Rückgangs. Firmen wie Solarworld, SMA Solar oder die US-Konzerne Sunpower und First Solar geraten unter Druck. Doch während die einen auf Antidumping-Maßnahmen setzen, sehen andere auch Chancen durch sinkende Preise.

MASSIVE ÜBERKAPAZITÄTEN IN CHINA



Grund für den Preisrutsch ist China, wo der Markt für Solaranlagen kollabiert ist. Die Volksrepublik ist der größte Markt für die Solarindustrie, auch weil die Branche dort vom Staat unterstützt wird. Von den weltweit rund 70 Gigawatt aus neumontierten Solaranlagen, die 2016 erwartet werden, sind in China allein im ersten Halbjahr 20 Gigawatt verbaut worden. Damit sind die staatlich verordneten Zubauziele für 2016 schon erfüllt. "Nach der enorm starken Nachfrage in China im ersten Halbjahr schwächt sich der Boom ab und die chinesischen Unternehmen versuchen nun, zu Niedrigpreisen ihre Produkte auf die Märkte zu bringen", erläutert Analyst Erkan Aycicek von der LBBW. "Der Preisdruck nimmt daher wieder zu."

Das trifft die vom harten Preiskampf ohnehin schon gebeutelte Konkurrenz in Europa und den USA. Solarworld-Chef Frank Asbeck etwa, der 2016 endlich wieder schwarze Zahlen schreiben wollte, befürchtet nun doch Verluste. Auch Sunpower-Chef Tom Werner erwartet 2016 statt eines Gewinns einen Verlust und reagiert mit massiven Stellenstreichungen. SMA Solar schließt Produktionen im US-amerikanischen Denver und im südafrikanischen Kapstadt. Auch chinesische Firmen wie Yingli ächzen, erhalten aber staatliche Unterstützung.

ZÖLLE ODER KONSOLIDIERUNG?



Politische Unterstützung - danach ruft auch Milan Nitzschke vom europäischen Interessenverband EU ProSun, der gleichzeitig Solarworld-Sprecher ist. 2012 hatten die USA und 2013 die EU mit dem Argument von unfairen Subventionen in Asien Einfuhren von Solarzellen und -modulen von dort mit Zöllen belegt. Im Frühjahr 2017 wollen die Europäer über eine Verlängerung der Maßnahmen entscheiden. Nitzschke hofft auf einen positiven Bescheid. "Antidumping-Maßnahmen sind das einzige Mittel, um die Auswüchse der Fehlplanungen in China abzumildern." Die ohnehin bestehenden Überkapazitäten würden durch stetig wachsende Produktionen in China noch erhöht. Das sorgt auf dem Weltmarkt für einen unkontrollierbaren Preiskampf."

Doch es gibt auch andere Stimmen. Sie betonen die Notwendigkeit der Branche, sich zu konsolidieren und die Überkapazitäten abzubauen. Für Arash Roshan Zamir von Warburg Research sind Standortschließungen und Personalabbau das Mittel der Wahl. Wer sich wie Solarworld auf Zölle verlasse, habe das Nachsehen. Die sei Jahren defizitäre Bonner Firma sei zu teuer. "Um im Preiskampf zu bestehen, müssen Fixkosten weiter gesenkt und Produktionen auf einige wenige Standorte konzentriert werden." Auch Luc Grare von REC Solar spricht sich nicht für Einfuhrbeschränkungen aus. Um den Fuß in der Tür zu behalten, müsse man im Preiskampf mitziehen. "Es gibt keine andere Wahl als mitzumachen, auch wenn das massiv zu Lasten der Profitabilität geht." REC Solar gehört über die norwegische Elkem zum chinesischen Staatskonzern ChemChina.

AUF ZU NEUEN MÄRKTEN

Der Konkurrenzkampf biete auch Chancen, betont Carsten Körnig, Geschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW). "Die Solarwirtschaft ist ein sportliches Geschäft. Es gibt einen harten Wettbewerb. Aber die Preissenkungen eröffnen neue Märkte wie etwa Indien und damit riesige Potenziale." An der Solarenergie führe kein Weg vorbei. "Um zu bestehen muss man innovativ und technologisch führend sein, aber vor allem auch Zugang zum Kapitalmarkt haben."

Nach einem Marktwachstum von 30 Prozent im laufenden Jahr erwartet die Branche 2017 einen Rückgang. China und Japan dürften wohl eine Verschnaufpause einlegen und ihr Augenmerk stärker auf die Netzintegration legen, sagt BSW-Geschäftsführer Körnig. Dennoch bleibt er zuversichtlich: "Wir sind sicher, dass nach einer Schwächephase in 2017 weltweit die Zubauraten jährlich um einen zweistelligen Prozentsatz wieder zulegen und bis 2020 100 Gigawatt erreichen."

rtr