von Franz-Georg Wenner

Verantwortlich für die frische Kursfantasie ist vor allem der unerwartet deutliche Anstieg beim Zuckerpreis. Zuletzt notierte Rohrzucker so hoch wie seit Oktober 2012 nicht mehr. Nach Schätzungen der Internationalen Zuckerorganisation ISO wird 2015/16 die weltweite Produktion um knapp sieben Millionen Tonnen hinter dem Verbrauch zurückbleiben. Für 2016/17 wird das Defizit auf ungefähr vier Millionen Tonnen geschätzt. Besonders in Brasilien hat sich die Lage im Frühsommer verschärft. Wegen starker Regenfälle brach die Verarbeitung von Zuckerrohr in der ersten Juni-Hälfte um 35 Prozent ein. Als dauerhaft wird sich die Entwicklung aber nicht erweisen. Spekulative Trader an den Terminmärkten dürften schon bald Kasse machen und ihre erzielten Buchgewinne realisieren.

Für Südzucker sollten sich die Aussichten dennoch nachhaltig verbessert haben. Ein Mix aus niedrigen Rohstoffkosten und gestiegenen Zuckerpreisen dürfte sich als Sprungbrett für die weitere Entwicklung erweisen. Obwohl der Umsatz im ersten Quartal mit 1,61 Mrd. Euro leicht unter dem Vorjahreswert lag, sprang das operative Konzernergebnis von 57 auf 110 Mio. Euro und lag damit deutlich über den Konsensschätzungen von 77 Mio. Euro. Besonders das wichtige Zuckersegment lieferte süße Zahlen: Nach einem Minus von 13 Mio. Euro blieben unter dem Strich nun knapp 22 Mio. Euro hängen.

Als größter Produzent in Europa mit dem Fokus auf den besten Rübenanbaugebieten können die Mannheimer eine gute Ausgangsbasis vorweisen. Produktionssteigerungen und -erweiterungen sind mit einem vergleichsweise geringen Aufwand möglich und unterstützen die Internationalisierung, was wiederum die Markteintrittsbarrieren verstärkt. Die vorhandene europaweite Logistikstruktur kann zudem noch weiter optimiert werden. Kosteneinsparungen und Vorteile aus einer stärkeren Zentralisierung dürften zu spürbar positiven Effekten beim Ergebnis führen. Gleichzeitig ermöglicht mittelfristig der Wegfall des EU-Mindestrübenpreises eine flexiblere Rübenpreiszahlung. Natürlich dürfen aber auch die Risiken nicht unterschätzt werden. Sollte die EU weitere Freihandelsabkommen mit Drittländern abschließen, könnte sich dies negativ auswirken. Zudem droht eine höhere Wettbewerbsintensität durch Isoglukose.

Breite Aufstellung reduziert das Risiko



Wichtig sind daher auch die anderen Segmente, bei denen der Trend ebenfalls nach oben zeigt. Zwar steuerte der Zuckerbereich im Geschäftsjahr 2015/16 mit rund 45 Prozent den Löwenanteil zu den Umsätzen bei. Knapp ein Drittel entfallen aber bereits auf das Segment Spezialprodukte. Lebensmittelzusatzstoffe auf pflanzlicher Basis (Beneo), Freiberger als führend bei Tiefkühl-Pizza in Europa sowie PortionPack Europe als Marktführer für Lebensmittelverpackungen stellen bereits wichtige Säulen dar. Steigende Absatzmengen in allen Divisionen sowie niedrige Rohstoffkosten ließen im abgelaufenen Quartal das operative Ergebnis von 37 auf 46 Mio. Euro steigen. In der Fruchtsparte ist Südzucker weltweit führend und profitiert von der globalen Nachfrage nach gesunden Nahrungsmitteln und hochwerten Produkten.

Über die Mehrheitsbeteiligung an CropEnergies mischt der Konzern auch in der Bioethanolproduktion in Deutschland, Frankreich und Belgien mit. Bei der Tochter geht es ebenfalls aufwärts, die Aktie legte in den vergangenen drei Monaten um rund 50 Prozent zu. Untermauert wird dies auch von fundamentaler Seite: Im Juni passte das Management die Erlösspanne für das laufende Geschäftsjahr auf 640 bis 700 Mio. Euro sowie die Range für das operative Ergebnis auf 50 bis 80 Mio. Euro nach oben an.

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Keine Spur von Euphorie



Trotz der zuletzt erfreulichen Entwicklung bestätigte das Management nur die Konzernprognosen für das Gesamtjahr. Konkret wird bei einem Umsatz von 6,4 bis 6,6 Mrd. Euro ein Anstieg des operativen Ergebnisses von 241 Mio. Euro auf 250 bis 350 Mio. Euro erwartet. Nachdem im ersten Quartal beim operatives Ergebnis bereits 110 Mio. Euro hängen blieben und das zweite Quartal deutlich über dem Vorjahreswert von 77 Mio. Euro liegen soll, wäre es nicht überraschend, wenn Südzucker bei der Präsentation der Halbjahreszahlen am 12. Oktober etwas mutiger wird.

Abgerundet mit den jüngsten Kommentaren von Analystenseite kann noch längst nicht von einer übertriebenen Begeisterung für den MDAX-Wert gesprochen werden. Bankhaus Lampe, Goldman Sachs und Kepler führen die Papiere mit Kurszielen zwischen 23 bis 25 Euro mit "Kaufen", während Hauck & Aufhäuser mit 14 Euro und Exane BNP mit Kursziel zwölf Euro sogar ein Verkaufen-Votum aussprechen.

Rund 70 Prozent Kurszuwachs seit Ende Februar sind eine starke Bilanz für die Südzucker-Aktie. Im Gegenzug haben sich natürlich auch die bisher recht attraktiven Bewertungsrelationen nach oben verschoben. Während die Papiere im Frühjahr mit einem Kurs-Buchwert-Verhältnis von 0,8 für viele Schnäppchenjäger verlockend waren, liegt die Kennzahl nun bei 1,2. Verglichen mit dem MDAX-Durchschnitt von zwei bleibt die Südzucker-Aktie dennoch eher günstig.

Abschreckend wirkt inzwischen das populäre Kurs-Gewinn-Verhältnis von 20. Die Gewinnschätzungen für 2017 bis 2019 ziehen aber bereits seit Monaten an und lassen auch die derzeit noch ambitionierte Bewertung etwas freundlicher erscheinen. Ähnlich sind die technischen Aussichten einzuschätzen. Der Abstand von aktuell rund 30 Prozent zur 200-Tage-Linie signalisiert eine Überhitzung. Anleger sollten zunächst eine kleine Atempause abwarten. Ein Rücklauf bis an das November-Hoch bei rund 19 Euro dürfte sich aber als letzte gute Gelegenheit erweisen, noch einmal günstig einzusteigen.

Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen (DAF), Gastautor bei n-tv und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare, referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD) und betreute mehrere Jahre für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily. www.index-radar.de