Raucher führen Entspannungseffekte oft als Grund für ihren Tabakkonsum an. Das ist aber mehr ein Gefühl, kein wissenschaftlicher Beleg. Auch beim Investieren in Tabakaktien hofft so mancher Aktionär auf stressfreies Anlegen. Eine seit Jahrzehnten beeindruckende Langfristperformance untermauert diese Annahme. Doch das Endergebnis verstellt den Blick auf die in der Vergangenheit immer wieder aufgetretenen Kursturbulenzen. Der Anlass dafür waren Preiskämpfe, geschäftsbelastende regulatorische Eingriffe, Schadenersatzzahlungen an erkrankte Raucher oder andere externe Negativfaktoren.

Auch jetzt sieht sich der Sektor wieder einem solchen Angriff ausgesetzt. Als Störenfried fungiert diesmal die US-Gesundheitsbehörde FDA. Diese hat am 28. Juli überraschend mitgeteilt, künftig eine deutliche Reduzierung des Nikotingehalts in Zigaretten auf ein "nicht mehr süchtig machendes Niveau" anzustreben. Wegen der Unsicherheiten hinsichtlich der Folgen dieses Plans kam es zu einem Ausverkauf in dem Segment. Am schlimmsten erwischte es die Altria-Aktie, die in der Spitze um fast 20 Prozent einbrach.

Bei Kursrückschlägen in einem solchen Ausmaß stellt sich aus Anlegersicht stets die Frage, ob das ein Vorbote für eine nachhaltige Kurstrendwende nach unten ist oder aber eine Kaufgelegenheit. Momentan ist völlig ungewiss, was der Vorstoß letztlich für die künftigen Geschäfte der Tabakunternehmen bedeutet. Viel hängt auch davon ab, ob andere Länder nachziehen oder nicht.

Wie es auch kommt - die Branche gilt als krisenerprobt. Pessimisten stimmen gern immer mal wieder den Abgesang auf die Branche an, doch letztlich fanden die Unternehmen stets Antworten auf alle Probleme. Erinnert sei an den als "Marlboro-Freitag" in die Börsengeschichte eingegangenen 2. April 1993. Als Reaktion auf die Ankündigung, den Zigarettenpreis im Kampf gegen Billigkonkurrenz um 25 Prozent zu senken, verbuchte Philip Morris einen Kurseinbruch von 23 Prozent. Im Langfristchart war aber selbst das nicht mehr als eine negative Zwischenepisode. Inzwischen hat sich der Marlboro-Konzern aufgespalten: Philip Morris International beliefert den Weltmarkt, Altria konzentriert sich weitgehend auf die USA, die ehemalige Lebensmittelsparte ging in Kraft Heinz und Mondelez auf.

Neue Produkte sollen es richten



Die Chancen, dass es auch dieses Mal wieder gut ausgeht für die Aktionäre, wären dann relativ groß, wenn sich der Bannstrahl der Gesundheitsbehörden nicht auch noch auf neue Produkte wie elektronische Zigaretten oder Tabakverdampfer erstreckt - und es der Branche gelingt, diese Produkte weiter erfolgreich in den Markt zu drücken. Das ist wohl ohnehin der Plan in den Vorstandsetagen. Zumindest sprach André Calantzopoulos, Vorstandschef von Philip Morris, zuletzt immer wieder davon, dass bald der Zeitpunkt kommen könnte, an dem man das Ende der Zigarettenära einläute.

Um den Wandel zu beschleunigen, investieren die fünf weltweit führenden Konzerne - Philip Morris, British American Tobacco (BAT), Japan Tobacco, Imperial Brands und Altria - viel Geld in Produkte der neuen Generation. Gegen eine erfolgreiche Ablösung der herkömmlichen Zigaretten hätten die Firmenbosse sicher auch deshalb nichts einzuwenden, weil diese Produkte, zumindest derzeit, deutlich margenstärker sind als traditionelle Glimmstängel.



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Bodenbildung abwarten



Branchenanalyst Gerry Gallagher von der Deutschen Bank ist positiv gestimmt: "Seit 23 Jahren decken wir das Tabaksegment ab, und in diese Zeit fielen die Höhepunkte der Rechtsstreitigkeiten. Die Geschichte hat gezeigt, dass solche Ereignisse letztlich Kaufgelegenheiten darstellten." Konsensprognosen sagen den fünf großen Branchenvertretern für die nächsten Jahre ebenfalls kontinuierlich steigende Ergebnisse voraus. Weiter steigen sollen auch die Ausschüttungen. Solange die Zinsen nicht deutlich erhöht werden, dürften relativ ansehnliche Dividendenrenditen Anleger mehr beruhigen als der Griff zur Zigarette.

Trotzdem ist es aus unserer Sicht die beste Strategie, eine Bodenbildung abzuwarten. Bei bestehenden Altempfehlungen wie Altria und Philip Morris sollten Anleger darauf achten, ob - wie zuletzt bei BAT passiert - die Stoppkurse fallen oder nicht. Bei Japan Tobacco wäre für ein Kaufsignal dagegen die Überwindung des seit fast drei Jahren bestehenden Seitwärtstrends wichtig.



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