Wenn China hustet, haben Industriemetalle längst die Grippe. Und diese hält sich mittlerweile hartnäckig. Ein gutes Beispiel dafür ist Stahl, dessen Preiskurve beständig nach unten zeigt. Allein in den vergangenen eineinhalb Jahren halbierte sich der Preis für warmgewalzten Stahl in Europa.

Eine zentrale Rolle bei dem Ausverkauf der Industriemetalle spielt die Wachstumsabschwächung im Reich der Mitte. Doch allmählich dürfte die geringere Expansion der Wirtschaftsleistung in China ausreichend in den Kursen enthalten sein. Für eine Bodenbildung spricht zudem eine höhere Nachfrage in Europa wegen der anziehenden Konjunktur. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Verabschiedung von Strafzöllen gegen importierten Stahl. Um die eigene Industrie zu schützen, hat die EU-Kommission angekündigt, auf bestimmte Einfuhren wie warmgewalzten Flachstahl aus China und Russland Anti-Dumping-Zölle zu erheben. "Wir können keinen unfairen Wettbewerb durch künstlich billige Importe zulassen, die unsere Industrie bedrohen", erklärt Handelskommissarin Cecilia Malmström.

Nach Ansicht von Kepler Cheuvreux profitieren die reinen Stahlhersteller am stärksten vom wiedergewonnenen Momentum des Sektors. Salzgitter-Chef Heinz Jörg Fuhrmann sieht die Chance, dass sie "im zweiten Halbjahr aus dem Gröbsten raus sind". Den Turnaround auf Konzernbasis hat das Unternehmen derweil aus eigener Kraft geschafft. 2015 erreichte der zweitgrößte deutsche Stahlkocher erstmals seit 2011 wieder den positiven Bereich beim Vorsteuergewinn. Die Aktionäre werden mit einer um fünf Cent auf 25 Cent je Aktie angehobenen Dividende belohnt. Kepler Cheuvreux erachtet die Restrukturierung, die steigenden Stahlpreise sowie die Erholung im Röhrengeschäft als zentrale Argumente für die Salzgitter-Aktie und empfiehlt den MDAX-Titel zum Kauf. Im besten Fall traut das Researchhaus dem Titel Avancen bis 32 Euro zu. Das wäre ein Aufschlag von knapp einem Drittel gegenüber dem aktuellen Kurs. Auch wir halten an unserer Kaufempfehlung fest.

Konsolidierungswelle im Anrollen



Mit einem Kursanstieg von einem Zehntel seit Jahresbeginn ließ die Salzgitter-Aktie nicht nur den Gesamtmarkt hinter sich, auch Konkurrent Thyssenkrupp hatte das Nachsehen. Allerdings holte dieser in den vergangenen Tagen mächtig auf. Grund: Tata Steel gab bekannt, das defizitäre Geschäft in Großbritannien zu verkaufen. Damit trat der indische Konzern Spekulationen um eine anstehende Konsolidierungswelle in der Branche los. Gerüchten zufolge ist Tata bereits in Gesprächen mit Thyssenkrupp, um sich an deren Stahlsparte zu beteiligen. Dabei sollen die Inder ein Joint Venture anstreben, mit der Option, zu einem späteren Zeitpunkt den Anteil auszubauen. Wir raten Anlegern nach dem starken Kursanstieg des DAX-Titels zunächst an der Seitenlinie zu bleiben, das Geschehen aber genau zu verfolgen.

Ebenfalls auf die Watchlist setzen wir ArcelorMittal. Das Unternehmen würde vor allem von steigenden Stahlpreisen in Europa und den USA profitieren. Berenberg-Analyst Alessandro Abate glaubt bereits fest an Preissteigerungen und hat den Titel auf "Kaufen" hochgestuft. Die Tendenz gibt Abate Recht. Im März hat Arcelor 30 Euro je Tonne mehr für seine Flachstahlerzeugnisse veranschlagt. Ob dies eine nachhaltige Entwicklung ist, muss sich aber erst noch zeigen.

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Gerade rechtzeitig zum Einstieg geblasen haben wir Anfang März bei Klöckner & Co. zu einem Kurs von 8,20 Euro. Zwischenzeitlich lugte der MDAX-Titel sogar schon über die Neuneuromarke. Das starke Momentum gründet auf einem optimistischen Ausblick. Für Januar bis Ende März stellt Vorstandschef Gisbert Rühl einen operativen Gewinn von zehn bis 15 Millionen Euro in Aussicht, nach zehn Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Ab dem zweiten Quartal soll es dann deutlich bergauf gehen. Der Konzern möchte den positiven Trend auch über das laufende Jahr hinaus aufrechterhalten. Um mittelfristig weiter zu wachsen, baut Klöckner unter anderem das Geschäft mit höhermargigen Produkten und Dienstleistungen weiterhin aus. 2015 stieg deren Anteil am Umsatz bereits von 34 auf 39 Prozent. Bis 2020 soll der profitable Bereich sogar mehr als die Hälfte der Erlöse ausmachen.



Im Umbau steckt derzeit auch Voestalpine. Die Österreicher möchten die Erlöse ihrer Stahlsparte, die derzeit ein Drittel zum Umsatz des Konzerns beiträgt, bis zum Jahr 2020 auf ein Viertel reduzieren. Aktuell stecken die Linzer allerdings noch in der Krise. Bei der Tochter Voestalpine Tubulars, die nahtlose Stahlrohre für den Öltransport herstellt, gilt seit dem 1. April Kurzarbeit. Sie kann bis zu acht Monate dauern. Nachdem die ATX-Aktie ausgestoppt wurde, lautet unser Votum "Beobachten".



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