Zugegeben, der Kursverlauf von Tipp24 sieht nicht attraktiv aus. Ende April bei knapp 60 Euro, stürzte die Aktie innerhalb von wenigen Tagen auf bis zu 46 Euro. Seitdem hat sich der Kurs ein wenig erholt und notiert bei rund 48 Euro. Doch der Chart erzählt nur die halbe Wahrheit.

Ein wesentlicher Grund für den heftigen Rücksetzer war der Dividendenabschlag von 7,50 Euro. Die deutlichen Verluste sind somit zu einem Großteil optischer Natur. Allerdings nicht nur. Die am 8. Mai veröffentlichten Zahlen für das Auftaktquartal fielen auf den ersten Blick ebenfalls nicht berauschend aus. Aber auch hier lohnt es sich, genauer hinzuschauen.

Die erst seit Februar in London ansässige Tipp24 ermöglicht die Teilnahme an Glücksspielen aus dem Lotteriebereich über das Internet und erhielt als eines der ersten privaten deutschen Unternehmen eine Erlaubnis zur gewerblichen Vermittlung von staatlichen Lotterien im Netz. Im Unterschied zu Lotterievermittlern ist Tipp24 als Lotterieveranstalter einem größeren Risiko ausgesetzt. Wenn sich ein Glückspilz über einen Volltreffer in Millionenhöhe freut, droht beim Unternehmen eine Gewinnwarnung. Im Gegenzug sind aber auch die Renditen deutlich höher. Unter dem Strich bleibt mehr übrig, wenn der Jackpot nicht geknackt wird.

Im März fiel bei der Minderheitsbeteiligung MyLotto24 eine Auszahlung in Höhe von 6,7 Mio. Euro an. Einschließlich dieser Ausschüttung lagen die Spielgewinnauszahlungen der Zweitlotterien in den ersten drei Monaten um rund 4,4 Mio. Euro über dem statistischen Erwartungswert. Im vergangenen Jahr lagen diese noch um fünf Mio. Euro unter der statistischen Richtgröße. Zugleich belasteten steigende Personalkosten und höhere Marketingaufwendungen das Ergebnis. Der Gewinn sackte von neun Mio. Euro im Vorjahr auf 100.000 Euro ab. Pro Aktie blieben nur 0,01 Euro hängen nach 1,13 Euro im Vergleichszeitraum.

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Neukunden lassen die Kasse klingeln

Dennoch zeigt sich das Management zuversichtlich für das Geschäftsjahr 2014. Unternehmenslenker Hans Cornehl rechnet damit, dass der Konzern die " Sonderbelastungen des ersten Quartals im weiteren Jahresverlauf ausgleichen" kann. Konkret wird ein Anstieg des Umsatzes auf 135 bis 145 Mio. Euro bei einem Ebit von 25 bis 35 Mio. Euro in Aussicht gestellt. In den Zahlen sind Kosten von 10 Mio. Euro für die Neuauflegung der Sicherungsstruktur im Zweilotteriegeschäft und weitere, überwiegend nicht nachhaltige Ausgaben für die Vorbereitung neuer Geschäfte berücksichtigt.

Nach Einschätzung des Bankhaus Lampe sind die Marketingaufwendungen besonders in das Zweitlotteriegeschäft geflossen. Bei Gesamtaufwendungen von zwei Mio. Euro und Werbekosten von rund 35 bis 40 Euro pro Neukunde dürfte die Zahl der Neukunden um rund 53.000 gestiegen sein. Mit den neu akquirierten Kunden könnten auf der Umsatzseite rund 4,6 Mio. Euro mehr hängen bleiben, beim Ebit wäre ein Zuwachs von vier Mio. Euro realistisch. Rechnet man die Marketingausgaben auf die folgenden Quartale hoch, könnte Tipp24 die aktive Kundenbasis von geschätzten 500.000 um gut 210.000 erhöhen. Der Umsatz würde in diesem optimistischen Szenario um knapp 18,5 Mio. Euro steigen, beim Ebit wäre ein Anstieg von 16 Mio. Euro zu erwarten. Allerdings ist derzeit vollkommen offen, ob die Gesellschaft die Marketingausgaben des ersten Quartals auch wirklich beibehält. Die nächsten Zahlen werden für den 7. August erwartet. In der Quartalsbilanz dürften sich bereits erste positive Effekte aus den Werbemaßnahmen der ersten drei Monate bemerkbar machen. Wegen der konkurrierenden Fußball-WM sollten Anleger aber nicht zu viel erwarten. Mittel- bis langfristig dürfte besonders die Implementierung der Internationalisierungsstrategie Früchte tragen. Ab Herbst ist mit ersten Kampagnen für GeoLotto in England zu rechnen. Mögliche Kooperationen mit einer US-Lotterie liefern hingegen Fantasie für 2015.

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35 Prozent Kurspotenzial

Mittelfristig ebenfalls zu beachten sind steuerliche Vorteile bei einer Auflösung der Stiftungsstruktur. Tipp24 könnte dann Verluste aus der Europäischen Gesellschaft (SE) mit den Gewinnen der Tochtergesellschaften verrechnen. Nach Berechnungen vom Bankhaus Lampe dürfte die Steuerquote von 30 auf 23 Prozent sinken.

Fazit: Die Aktie hat den jüngsten Kursrutsch immer noch nicht aufgeholt und lockt derzeit mit einer günstigen Einstiegsgelegenheit. Die bereits erfolgten Marketingaufwendungen in den vergangenen Monaten dürften sich bereits in den kommenden Bilanzen niederschlagen. Sollten die Aktivitäten auf dem Niveau fortgeführt werden, eröffnen sich weitere Wachstumschancen. Als zusätzliche Katalysatoren für die Kursentwicklung sind mittel- bis langfristig die Aussichten auf eine geringere Steuerquote sowie die Erschließung weiterer Geschäfte im Ausland zu nennen. Besonders wenn sich eine der großen Staatslotterien zu einer Auslagerung der Online-Aktivitäten an Tipp24 entscheiden sollte, ist eine Neubewertung der Aktie notwendig.

Auch die Analystengilde ist durchweg überzeugt von dem Wert. Lampe siedelt das Kursziel bei 59 Euro an, Berenberg sieht den Wert bei 62 Euro und bestätigte kürzlich ebenfalls die Kaufempfehlung. In einer Studie von Mitte Juni taxierte Warburg Research das Kurspotenzial sogar auf 65 Euro.