Die linksgerichtete Regierung in Athen, die sich klar gegen die Forderungen der Gläubiger gestellt hat, werde zwar ein "Ja" der Wähler respektieren. "Wir werden aber nicht diejenigen sein, die sie ausführen", erklärte Tsipras. "Wenn das griechische Volk einen gedemütigten Ministerpräsidenten will, gibt es da draußen einige. Aber ich werde es nicht sein."

Damit könnte das Schuldendrama um Griechenland vor der nächsten Kehrtwende stehen. Konkret soll die Bevölkerung am Sonntag darüber entscheiden, ob sie die Forderungen der Geldgeber akzeptiert oder nicht. Meinungsumfragen gibt es bislang nicht. Tsipras wurde für sein Versprechen gewählt, den Sparkurs zu beenden und ist deswegen bei vielen Wählern trotz der drohenden Staatspleite noch immer beliebt. Zehntausende demonstrierten am Montag für seine Regierung. Bekommt er beim Referendum nicht die Mehrheit, dürfte es Neuwahlen geben.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, ein "Nein" würde signalisieren, dass Griechenland den Euro verlassen wolle, was unbedingt vermieden werden müsse. "Ich werde den Griechen, die ich sehr liebe, sagen: Ihr müsst keinen Selbstmord verüben, nur weil ihr Angst vor dem Tod habt."

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LAST-MINUTE-RETTUNG?



Aus Kreisen der EU und der griechischen Regierung verlautete, Juncker habe Tsipras ein Last-Minute-Angebot gemacht, um die Staatspleite noch abzuwenden. Tsipras solle die jüngsten Vorschläge der Geldgeber schriftlich annehmen und sich für ein "Ja" vor dem Referendum einsetzen. Das Schreiben müsse zudem rechtzeitig eingehen, damit die Finanzminister der Euro-Zone noch ein Sondertreffen abhalten könnten. Am Dienstagabend läuft das aktuelle Hilfsprogramm aus. Ohne weitere Gelder kann Griechenland seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen.

Tsipras hatte die Vorschläge und zeitlichen Vorgaben der Gläubiger allerdings mehrfach als "Erpressung" zurückgewiesen und die Geldgeber mit dem Referendum brüskiert. Ein Vertreter der griechischen Regierung sagte Reuters, der Juncker-Vorstoß sei mit Interesse zur Kenntnis genommen worden. Tsipras werde am Sonntag aber mit "Nein" stimmen. Der Regierungschef hatte zuvor erklärt, je stärker ein solches "Nein" ausfalle, desto besser werde seine Position in darauffolgenden Verhandlungen. Er argumentiert, Auflagen wie etwa Rentenkürzungen wären unsozial und würden die ohnehin schlechte Wirtschaftslage noch verstärken. Die Gläubiger fordern dagegen Strukturmaßnahmen, um das Land langfristig wettbewerbsfähiger zu machen.

Überrumpelt von den Plänen für das Referendum entschieden die Geldgeber am Wochenende, das Hilfsprogramm nicht - wie von Tsipras gewünscht - um einige Tage zu verlängern. Hellas-Banken mussten daraufhin schließen, der Kapitalverkehr wurde eingeschränkt. Am Dienstag wird Griechenland wahrscheinlich eine Zahlung von 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds nicht überweisen - und damit in die Pleite rutschen.

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GREXIT WIRD WAHRSCHEINLICHER



EZB-Direktor Benoit Coeure schließt unterdessen ein Ausscheiden des Landes aus dem Euro nicht mehr aus. Dies sei möglich, wenn auch nicht das, was die Europäische Zentralbank (EZB) wolle, sagte er der französischen Zeitung "Les Echos". Es ist das bislang deutlichste Eingeständnis eines führenden EZB-Vertreters, dass der sogenannte Grexit näher rückt. Wegen der gescheiterten Verhandlungen waren die Finanzmärkte am Montag weltweit eingebrochen.

Die Rating-Agentur S&P senkte erneut die Bonitätsnote für Griechenland und sprach von einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit für ein Ausscheiden des Landes aus der Euro-Zone. In einer Reuters-Umfrage unter 70 Ökonomen und Händlern wurde die Wahrscheinlichkeit auf 45 Prozent taxiert, nachdem es in der Vorwoche nur 30 Prozent waren.

Reuters