Laufen die Geschäfte wie erwartet, sollte der Internetkonzern aus Montabaur 2016 ein Ergebnis je Aktie von 2,21 Euro präsentieren, für das laufende Jahr liegen die Prognosen bei 1,82 Euro. In den vergangenen 13 Jahren lieferte das Unternehmen nur 2008 ein negatives Ergebnis, für einen Technologiewert eine gute Bilanz.

Mit einem 2016er-KGV von 20,6 zählt die United Internet-Aktie im TecDAX-Ranking durchaus zu den günstigeren Werten und bietet noch Luft nach oben. Doch gerade nach den jüngsten Gedankenspielen des Managements könnte eine Neubewertung der Aktie bevorstehen. Zuletzt schoss das Indexschwergewicht auf frische Bestmarken, dank der hohen relativen Stärke rückt das Papier auch in den Fokus von Tradern. Aber auch mittelfristig ausgerichtete Anleger sollten sich die Aktien genauer anschauen.

Für reichlich Gesprächsstoff sorgen Pläne eines möglichen Börsengangs des Geschäftsbereichs "Business Applications". In dem Segment bietet United Internet Services wie Hosting, Mail, Cloud und Domain-Angebote für Privatanwender, Freiberufler sowie kleine und mittlere Unternehmen an. Gerade im Hinblick auf eine weitere Internationalisierung ist diese Geschäftssäule sehr attraktiv, denn die Produkte können weltweit eingesetzt werden und funktionieren in den USA nach den gleichen Regeln wie auf dem Heimatmarkt in Deutschland.

Sollte die Prüfung zu einem positiven Ergebnis führen, könnte eine Börsennotierung in rund zwei Jahren erfolgen. Strategisch gesehen wäre ein Börsengang durchaus sinnvoll, weil so eine größere Flexibilität im Hinblick auf weitere Akquisitionen gewährleistet ist. Aus Sicht der Aktionäre sollte sich die Börsennotiz zudem positiv auf die Bewertung auswirken.

Auf Seite 2: Analysten rechnen mit drei Mrd. Euro





Analysten rechnen mit drei Mrd. Euro



LBBW-Experte Stefan Borscheid setzt für das Gesamtsegment Applications rund 3,7 Mrd. Euro an. Darin wären auch die bekannten Marken aus dem Bereich "Consumer Applications" wie Web.de und GMX enthalten. Das Management rechnet im laufenden Geschäftsjahr mit einem Umsatz von rund 600 Mio. Euro im Bereich "Business Applications". Damit dürfte die Sparte den größten Teil des von Borscheid geschätzten Segmentumsatzes von einer Mrd. Euro erzielen. Die Profitabilität wird derzeit noch von Anlaufverlusten belastet, die sich in den kommenden Jahren aber sukzessive reduzieren sollten. Warburg-Experten Jochen Reichert bewertet das Segment "Business Applications" mit drei Mrd. Euro, was einem Faktor von fünf auf den Umsatz entsprechen würde.

Strategisch bietet das Geschäftsmodell von United Internet zahlreiche Vorteile. Die vertragliche Bindung über Abonnements führt zu stabilen Umsätzen und einer hohen Visibilität, was Investoren sehr schätzen. Wachstum ist dabei entscheidend für den Erfolg. Die in den vergangenen Jahren getätigten umfangreichen Investitionen in Produkte bieten nun einen Mehrwert, der sich auszahlen sollte. Ab jetzt müssen die Angebote so gut wie möglich ausgelastet werden. Je mehr Kunden die Produkte nutzen, desto stärker wirken die Skaleneffekte und desto höher der Gewinn.

Größe ist daher entscheidend, das weiß auch Unternehmens-Chef Ralph Dommermuth. Mit rund 15 Millionen kostenpflichtigen Kundenverträgen sowie 32,3 Millionen werbefinanzierten Free-Accounts ist United Internet bereits der führende europäische Internet-Spezialist. Doch damit nicht genug, der Übernahmehunger ist noch längst nicht gestillt. Ein Börsengang von "Business Applications" hätte noch weitere Vorteile: "Mit einem eigenständigen Kapitalmarkt-Zugang und Applications-Aktien als zusätzlicher Akquisitionswährung würden Übernahmen künftig leichter eigenfinanziert werden können", erklärte Dommermuth.

Zuletzt schluckte der Konzern den polnischen Webhoster home.pl für 135 Mio. Euro in bar. Home.pl beschäftigt 240 Mitarbeiter und ist mit über 300.0000 Kunden, einem erwarteten Jahresumsatz in 2015 von rund 25 Mio. Euro klarer Marktführer im polnischen Webhosting-Markt. Gemeinsam mit der seit 2010 bereits im Nachbarland aktiven United Internet-Marke 1&1 soll so der polnische Markt weiter erschlossen werden. Die organischen Wachstumsraten sind hingegen in Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbritannien derzeit eher gering. Zukäufe bieten sich daher an, um an Größe zu gewinnen und so Skaleneffekte besser zu nutzen. Zudem liegt das Marktwachstum in Polen bei attraktiven 15 Prozent.

Auf Seite 3: Auf Wachstum getrimmt





Auf Wachstum getrimmt



Mindestens ebenso aussichtsreich ist auch das zweite Standbein "Access", in dem die Mobilfunk- und der Festnetz-Breitband-Bereich gebündelt sind. Beim Kauf von Produkten schließen die Kunden Abonnentenverträge mit festen monatlichen Beiträgen und variablen, verbrauchsabhängigen Zusatzentgelten ab. Während der Breitbandmarkt in Deutschland im laufenden Jahr wohl nur ein Wachstum von 1,6 Prozent auf 7,86 Mrd. Euro aufweisen dürfte, spielt die Musik im Mobile-Internet-Markt. Der Branchenverband BITKOM rechnet in 2015 mit einem Anstieg von 6,2 Prozent auf 10,3 Mrd. Euro. Besonders der anhaltende Boom bei den Smartphones und Tablet-PCs und den damit verbundenen Anwendungen wie Apps treiben das Wachstum an. Schnelle Datenübertragungen von großen Mengen stehen daher weit oben auf der Aufgabenliste. Schwerpunkte sind der weitere Ausbau der VDSL-Reichweite und der Einsatz von neuen Übertragungstechnologien wie "Vectoring". Ebenfalls kräftig brummt das Geschäft bei den Cloud-Lösungen. Auch hier ist United Internet bereits gut im Geschäft, Gartner rechnet mit einem weltweiten Wachstum von knapp 17 Prozent auf 178,6 Mrd. Dollar.

Die Investitionen in der Vergangenheit sollten sich auch in Zukunft auszahlen. Im Vergleich zu anderen Branchen ist das Geschäftsmodell vergleichsweise stabil gegen konjunkturelle Einflüsse und liefert ständig wiederkehrende Erlöse. Dank neuer Geschäftsfelder und der verstärkten Internationalisierung durch Übernahmen und Beteiligungen hat das TecDAX-Unternehmen ein breites Fundament geschaffen, von dem aus künftige Wachstumsziele erreicht werden können. Im ersten Quartal kletterte die Zahl der Kunden deutlich stärker als im Vorjahreszeitraum um 230.000 auf über 15 Millionen. Mit Blick auf das Gesamtjahr wird mit einem Anstieg der kostenpflichtigen Kundenverträge um 800.000 gerechnet, der Umsatz soll um 20 Prozent zulegen. Kurse von mehr als 50 Euro dürften somit nur eine Frage der Zeit sein.

Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen (DAF), Gastautor bei n-tv und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare, referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD) und betreute mehrere Jahre für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily.

www.index-radar.de