Wegen der fehlenden Bauteile muss im VW-Stammwerk in Wolfsburg die Produktion des Golf ruhen. Ingesamt wird Volkswagen voraussichtlich in fünf Werken mehr als 20.000 Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Doch die Unternehmen, die beide zur Prevent-Gruppe mit Hauptsitz in Slowenien gehören, warfen Europas größtem Autobauer am Freitag Machtmissbrauch vor. Der Konzern nutze seine dominierende Marktstellung gegenüber der Zulieferindustrie aus.

"Für die Krise bei VW und die dadurch entstandene Kurzarbeit sind wir nicht verantwortlich", sagte Alexander Gerstung, Mitglied der Geschäftsführung der ES Automobilguss GmbH. VW verlagere seine Probleme auf die Zulieferindustrie. Die Wolfsburger kämpfen seit bald einem Jahr mit den Folgen der Abgaskrise und fahren gleichzeitig bei ihrer ertragsschwachen Hauptmarke einen Sparkurs.

Car Trim und ES Automobilguss fertigen Sitzbezüge und Getriebegehäuse für die Produktion verschiedener VW-Modelle, haben ihre Lieferungen aber seit einiger Zeit eingestellt. In Emden waren bereits am Donnerstag rund 8000 Beschäftigte des Passat-Werks deshalb in Zwangsurlaub gegangen. "VW zwingt uns zu diesem Vorgehen, um unsere eigenen Mitarbeiter in Niedersachsen und Sachsen zu schützen und letztlich den Fortbestand des Unternehmens zu sichern", argumentierte Gerstung. Die jetzige Situation sei das Resultat einer frist- und grundlosen Kündigung von Aufträgen. Die beiden Unternehmen forderten deshalb einen mittleren zweistelligen Euro-Millionenbetrag von VW. Da der Konzern eine Kompensation ablehne, habe man sich zum Lieferstopp gezwungen gesehen. VW äußerte sich zu den Hintergründen des Streits bisher nicht.

"VW KANN JEDEN KLEINEN BETRIEB IN DEN RUIN TREIBEN"



Die beiden Firmen aus Sachsen seien nicht an einer weiteren Eskalation interessiert, betonte Gerstung. "Aber die Art und Weise, wie VW mit Zulieferern umgeht, ist in keiner Weise akzeptabel und kann jeden kleinen Betrieb in den Ruin trieben." Die niedersächsische Landesregierung rief er auf, nicht einseitig Partei zu ergreifen. Wirtschaftsminister Olaf Lies hatte das Verhalten der Zulieferer am Donnerstag im Landtag als nicht nachvollziehbar bezeichnet. Das Land ist zweitgrößter VW-Aktionär. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh forderte ein Ende des Lieferstopps: "Hier läuft ein ganz mieses Spiel des Lieferanten. Das macht uns wütend", sagte er der "Bild"-Zeitung. Kurzarbeit nehme niemand auf die leichte Schulter.

In dem Konflikt zog VW alle juristischen Hebel: Beim Landgericht Braunschweig stellte der Konzern den Antrag, die Firma Car Trim durch ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro für jeden Fall zur Wiederaufnahme der Lieferung von Sitzbezügen zu zwingen. Sollte dies nicht fruchten, solle Ordnungshaft gegen den Geschäftsführer der Firma angedroht werden, teilte das Gericht mit. Car Trim habe drei Tage Zeit für eine Stellungnahme. Danach wolle die Kammer für Handelssachen entscheiden. Volkswagen hatte vergangene Woche eine einstweilige Verfügung durchgesetzt, an die sich Car Trim aus Sachsen jedoch nicht hält. Von der Möglichkeit, Berufung beim Oberlandesgericht einzulegen, habe das Unternehmen bislang nicht Gebrauch gemacht. Gleichwohl sei das Urteil schon jetzt vollstreckbar.

Im zweiten Fall geht es um die Firma ES Automobilguss, die ebenfalls zur Prevent-Gruppe gehört. In dieser Sache will das Landgericht am 31. August in mündlicher Verhandlung über eine Einstweilige Verfügung beraten, gegen die der Lieferant Widerspruch eingelegt hat. Auch hier beantragt Volkswagen Ordnungsgeld und Ordnungshaft. Zudem streben die Wolfsburger die Ermächtigung zur Ersatzvornahme an. Sollte das Gericht dem stattgeben, könnte VW einen Gerichtsvollzieher beauftragen, die Bauteile bei ES Automobilguss zu beschlagnahmen.

rtr