Der krisengeschüttelte Volkswagen-Konzern stellt sich angesichts des Dieselskandals auf weitere, schwierige Monate ein. 2016 werde "noch ein Mal ein sehr anspruchsvolles Jahr", sagte Konzern-Chef Matthias Müller am donnerstag bei der Bilanzvorlage in Wolfsburg. Die Rekordjagd der vergangenen Jahre sei "zumindest unterbrochen". Statt neuer Bestmarken werde sich der Konzern vor allem darauf konzentrieren, "Vertrauen zurückzugewinnen". Dies sei die "zentrale Aufgabe der kommenden Monate", sagte Müller.

Neben der finanziellen Folgen der millionenfachen Abgasmanipulation müsse der Konzern zudem die Neuausrichtung auf umweltschonendere Antriebe und die Digitalisierung stemmen. Gleichzeitig werde der Wettbewerb weltweit härter. Außerdem werde die Konkurrenz versuchen, Kapital aus der Lage bei VW schlagen.

Im abgelaufenen Jahr hatte Volkswagen wegen Dieselgate die Rekordsumme von 16,2 Milliarden Euro zu Seite gelegt. Dies hat dem Konzern mit einem Minus von 1,36 Milliarden Euro den größten Verlust seiner Geschichte beschert.

Um Volkswagen dauerhaft wieder auf Kurs zu bringen, treibt Müller die Neuausrichtung des Konzerns mit Hochdruck voran. Volkswagen arbeite intensiv an der Weiterentwicklung seiner Langfrist-Strategie, kündigte Müller an. Sie soll im Sommer vorgestellt werden.

Im Mittelpunkt stünden die Themen Digitalisierung, Vernetzung, Elektromobilität und neue Mobilitätsdienste. Investoren erwarten sich dann auch endlich konkrete Vorgaben, wie der Konzern seine Kernmarke VW endlich profitabler machen will. Sie steht für die Hälfte der Erlöse.

2015 war die operative Marge von VW vor Sondereinflüssen auf 2,0 Prozent gesunken nach 2,5 Prozent im Vorjahr. Zum Vergleich: Die im unteren Preisbereich angesiedelte Marke Skoda schaffte 2015 einen Margenplus von 0,3 Prozentpunkten auf 7,3 Prozent.



Allerdings steht VW-Markenvorstand Herbert Diess bei der überfälligen Verbesserung der Profitabilität vor einer Herkulesaufgabe. Erst vor wenigen Wochen hatte der mächtige Betriebsratschef Bernd Osterloh den von BMW abgeworbenen Produktionsexperten öffentlich eingebremst.

Ordentlicher Jahresauftakt



Trotz des Dieselskandals haben die Wolfsburger im ersten Quartal ein leichtes Absatzplus von 0,8 Prozent geschafft. Von Januar bis März habe man weltweit rund 2,5 Millionen Fahrzeuge ausgeliefert, teilte der Konzern mit. Mit Ausnahme der krisengeschüttelten Kernmarke VW hätten "alle Marken ihre Auslieferungen teilweise deutlich gesteigert", hieß es.

Vor allem in China läuft das Geschäft. Dort der Konzern "den besten Jahresstart seit unserem Markteintritt 1984", sagte Müller. Inzwischen liefert Volkswagen jedes zweite Auto im Reich der Mitte aus.

Dagegen sei die Lage in Russland und Brasilien für alle Hersteller schwierig. Auf dem wichtigen US-Markt bekommt der Konzern den Dieselskandal bei VW deutlich zu spüren, räumte Müller ein. Insgesamt halte sich der Rückgang in den USA dank der Erfolge von Audi und Porsche jedoch "insgesamt in Grenzen".

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Einschätzung der Redaktion



Langjährige VW-Aktionäre hatten zuletzt harte Zeiten. Die Nachricht von einer flächendeckend eingesetzten Schummel-Software zur Manipulation der Abgaswerte sorgte im Herbst für einen ungeahnten Kurssturz. Um bis zu 60 Prozent rauschte die VW-Aktie ab. Weltweit sorgten sich Investoren vor milliarden-schweren Strafzahlungen und gingen lieber mal in Deckung.

Inzwischen hebt sich aber allmählich der Nebel um die tatsächlichen finanziellen Folgen. 16,2 Milliarden Euro hat der Konzern schon mal zurückgestellt. Ursprünglich war es kaum die Hälfte. Doch allmählich gibt es erste Hinweise auf die möglichen Kosten. In den USA hat sich VW unlängst auf ein paar Eckpunkte eines möglichen Vergleichs geeinigt. Statt der von vielen erwarteten Strafen von rund 30 Milliarden Euro könnten es deutlich weniger werden.

Es bleiben aber noch weitere Milliarden-Risiken. Immerhin sieht sich der Konzern zahlreichen Sammelklagen von Investoren gegenüber. Sie drängen auf Schadenersatzzahlungen und werfen VW vor, die Öffentlichkeit zu spät über den Skandal informiert zu haben.

Offen ist bislang auch, wie Volkswagen seine Kernmarke wieder flott kriegen will. Die Marke produziert viel zu teuer und ist bei den Kosten kaum noch wettbewerbsfähig. Nur mit Einsparungen bei Marketing-Ausgaben wird das nicht gelingen. Beim Einkauf dürfte der Konzern auch nicht allzu holen können. Denn die Zulieferer werden kaum bereit sein, einen Teil der Milliarden-Kosten aus der Diesel-Schummelei mitzutragen - mit Recht.



Bleibt das Personal. Medienberichten zufolge will VW rund 3000 Stellen in der Verwaltung streichen. Das kann aber nur ein erster Schritt sein. Weltweit produziert der Volkswagen-Konzern mit seinen rund 600.000 Mitarbeiter rund zehn Millionen Fahrzeuge. Erzrivale Toyota baut ebenfalls rund zehn Millionen Autos, braucht dafür aber nur rund halb so viele Mitarbeiter.

Charttechnisch hat die Aktie nach dem Absturz einen Boden gefunden. Fällt der Widerstand bei 135 Euro, ist der Weg nach oben frei. Kaufen.

Ziel: 160 Euro. Stopp: 93,50 Euro.