Die nun vereinbarten Auflagen gingen weit darüber hinaus. "Deshalb wird man in Griechenland die Reformen als von außen aufgezwungen betrachten und sie verschleppen oder gar nicht umsetzen", sagte Fuest.

Kurzfristig rechnet der ZEW-Chef zudem mit weiteren Nachverhandlungen. "Es würde an ein Wunder grenzen, wenn wir nicht schon bald wieder über Veränderungen des Programms verhandeln und streiten würden", sagte der Ökonom, der im Frühjahr als Nachfolger von Prof. Hans-Werner Sinn an die Spitze des Münchner ifo-Instituts wechselt.

Herr Prof. Fuest, der jüngste Krisengipfel hat nach einer 17-stündigen Marathon-Sitzung heute morgen doch noch einen Durchbruch erzielt. Wie beurteilen Sie die Vereinbarung?
Ich bin skeptisch. Die Vereinbarung wird die Probleme Griechenlands nicht lösen. Positiv ist immerhin das Signal, dass Hilfen in der Eurozone nur gegen Auflagen gewährt werden können. Für die Zukunft der Eurozone ist das von zentraler Bedeutung.

Also wird jetzt doch noch alles gut?
Nein, die Krise in Griechenland wird sich vertiefen und der Streit mit den Gläubigerstaaten wird sich weiter verschärfen.

Wieso?
Die griechische Bevölkerung hat sich mit großer Mehrheit gegen Reformauflagen und Kürzungen im Staatshaushalt ausgesprochen. Die jetzt vereinbarten Auflagen gehen weit über das hinaus, was bei der Volksabstimmung abgelehnt wurde. Deshalb wird man in Griechenland die Reformen als von außen aufgezwungen betrachten und sie verschleppen oder gar nicht umsetzen.

Auf Seite 2: Wird das dritte Hilfspaket reichen?





Insgesamt geht es bei den Verhandlungen um ein drittes Hilfspaket von 82 bis 86 Milliarden Euro für die nächsten drei Jahre. Glauben Sie, dass das dies Mal tatsächlich reicht oder wird auch das nur ein weiterer Zwischenschritt?
Man muss abwarten, wie das Programm aussieht, wenn es in den Details ausgearbeitet ist. Trotzdem: Es würde an ein Wunder grenzen, wenn wir nicht schon bald wieder über Veränderungen des Programms verhandeln und streiten würden.

Aber mit der Einigung steigt die griechische Schuldenlast ja weiter. Was erwarten Sie hier: Einen weiteren Schuldenschnitt oder erneut längere Laufzeiten?
Es wird keinen offenen Schuldenschnitt, sondern eine Verlängerung der Laufzeiten und sehr niedrige Zinsen geben. Diese Streckung der Schuldenrückzahlung ist wirtschaftlich gleichbedeutend mit einem Schuldenerlass. Deshalb reden wir hier nicht wirklich über Kredite, sondern über Transfers an Griechenland, also geschenktes Geld.

In den Verhandlungen geht die Eurozone bis 2018 für den griechischen Staatshaushalt von einem Primärüberschuss von 3,5 Prozent aus. Aber Griechenland stand schon vor dem Referendum vor gut einer Woche am Rande einer Rezession. Seither ist die Wirtschaft praktisch vollständig zum Erliegen gekommen. Ist die Annahme von 3,5 Prozent vor diesem Hintergrund überhaupt realistisch?
Niemand weiß, wie die Welt 2018 aussehen wird. Trotzdem ist es schwer vorstellbar, dass Griechenland diesen Überschuss erreicht. Dazu müsste die Wirtschaft sich sehr positiv entwickeln. Die Angst vor einem Grexit wird nicht verschwinden, nur wenige werden derzeit bereit sein, in Griechenland zu investieren.

Auf Seite 3: Ist der Grexit vom Tisch?





Es gibt neben den ökonomischen Unwägbarkeiten ja noch große politische Fragezeichen. So muss das griechische Parlament bis Mittwoch grünes Licht für die getroffenen Zusagen geben. Zudem ist immer noch unklar, weshalb man einer Regierung glauben soll, dass sie plötzlich noch härtere Strukturreformen und Einsparungen akzeptieren will, nachdem sie zuvor ein weniger hartes Paket per Referendum bekämpft hat. Haben Sie das Vertrauen, dass Athen die Vereinbarungen tatsächlich auch umsetzt?
Nein, aus den schon genannten Gründen.

Und der Grexit ist auch noch nicht vom Tisch?
Nein, die Debatte über den Grexit wird weitergehen. Die damit verbundene Unsicherheit wird die wirtschaftliche Entwicklung des Landes hemmen. Diese Debatte wird erst verschwinden, wenn Griechenland entweder nicht mehr von Hilfen abhängig ist, oder wenn das Land wirklich ausgetreten ist.