Der Markt für Zweiräder boomt rund um den Globus, nicht nur in Deutschland. Die Absatzzahlen der Hersteller für motorisierte Zweiräder steigen. Doch es gibt Unterschiede zwischen den Unternehmen. Während Harley-Davidson mit neuem Chef und einem strammen Umbauprogramm darum kämpft, wieder auf die Überholspur zu wechseln, setzt die italienische Piaggio erfolgreich auf Internationalisierung. Pierer Mobility, die Österreicher, die mit technisch ausgefeilten Geländemaschinen groß geworden sind, verbreitern erfolgreich ihr Produktportfolio. Alle aber setzten auch auf Elektroantriebe.

In Deutschland hat sich die seit Jahren anhaltende Steigerung der Zulassungszahlen im vergangenen Jahr beschleunigt. 2020 wurden fast 220.000 Fahrzeuge und damit gut 32 Prozent mehr als im Vorjahr zugelassen. Auch das erste Halbjahr 2021 brachte ein Plus von fast vier Prozent. Eine Sonderkonjunktur erlebt hierzulande die Klasse der Roller und Motorräder bis 125 ccm Hubraum. Seit Januar 2020 besteht für Besitzer des Führerscheins B für Pkw die Möglichkeit, ihre Fahrerlaubnis ohne zusätzliche Prüfung auf Zweiräder bis 125 ccm zu erweitern.

"Die neue Regelung hat genau der Fahrzeugklasse einen Schub gegeben, die ganz überwiegend von Pendlern aus Mobilitätszwecken angeschafft wird", sagt Achim Marten vom Industrieverband Motorrad Deutschland (IVM). "Das hilft, die Verkehrssituation in den Innenstädten zu entlasten." Nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts nutzten allein im ersten Jahr fast 80.000 Personen die Möglichkeit der Erweiterung. Das sieht man auch an den Zulassungen: 125er-Motorräder verbuchten 2020 ein Plus von 77,5 Prozent, bei Rollern waren es sogar 107,6 Prozent mehr.

Aber auch in den Kernmärkten Europas finden sich nach Angaben des Industrieverbandes ACEM in den vergangenen Jahren immer mehr Mopeds und Motorräder auf den Straßen. Allein von 2019 auf 2020 stiegen die Registrierungen um knapp vier Prozent.

Mehr als nur die Vespa

Vom Wachstum auf dem Mobilitätsmarkt profitiert der italienische Zweiradbauer Piaggio. Die Produkte des weitgehend von der Familie Colaninno geführten Herstellers sind mittlerweile auf der ganzen Welt gefragt - in Europa und den USA, verstärkt auch in der Region Asien-Pazifik. Dort vor allem in den wirtschaftlich aufstrebenden Ländern China, Indien und Vietnam. In den beiden letztgenannten unterhält Piaggio eigene Fabriken. Hierzulande ist der Konzern vor allem durch die Motorroller-Ikone Vespa bekannt, die in Deutschland gerade eine Renaissance erlebt.

Piaggio ist aber mehr als nur die Vespa oder das dreirädrige Schwestermodell Ape, das mit variablen Aufbauten als Arbeitsbiene und Lastenfahrzeug genutzt wird. Piaggio bedient mit etlichen Marken die gesamte Bandbreite des Marktes für motorisierte Zweiräder, von den Straßenmaschinen der Marke Moto Guzzi bis zu den renntauglichen Maschinen von Aprilia. Eine lange Tradition hat Piaggio beim Bau von Hybridmotoren. Seit 2018 ist die mit einem Vier-kW-Elektromotor angetriebene Vespa Elettrica auf dem Markt.

Der Umsatz im ersten Halbjahr 2021 stieg in allen Segmenten. Insgesamt legten die Erlöse im Vergleich zu den ersten sechs Monaten des Vorjahres um gut 50 Prozent auf 900 Millionen Euro zu, aber auch im Vergleich zu 2019 ging es mit den Kennzahlen nach oben. Das operative Ergebnis (Ebitda) war das beste seit 2007. Schwächere Zahlen gab es nur in Indien aufgrund der starken Auswirkungen der Pandemie.

Ein weiterer großer europäischer Zweiradhersteller kommt aus Österreich und hat sich mit der Motorradsparte der schwedischen Husqvarna und der spanischen Gasgas ein ansehnliches Portfolio zugelegt. Ursprünglich entstand Pierer Mobility aus der Geländemaschinen-Schmiede KTM. Firmenchef Stefan Pierer übernahm in den 90ern die fast insolvente Firma und formte sie zu einem der profitabelsten Zweiradhersteller der Welt. Aus fehleranfälligen Zweirädern wurden Ingenieurskunstwerke fürs Gelände, robust, leicht, zuverlässig, ohne Schnickschnack. Heute zählen auch Fahrräder und E-Bikes zur Produktpalette.

Pierer Mobility hat im ersten Halbjahr mit 176.000 Motorrädern fast doppelt so viele Fahrzeuge abgesetzt wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres, auch der Absatz von Fahrrädern lag mit gut 53.000 Stück um ein Viertel höher. Selbst in Indien legte der Absatz trotz der Pandemie um 52 Prozent auf mehr als 30.000 Motorräder zu.

Turnaround für eine Legende

Harley-Davidson ist weit über die Biker-Gemeinde hinaus legendär. Doch die Marke ist in die Jahre gekommen. Das operative Geschäft kommt nicht mehr recht in die Gänge. Zwischen 2015 und 2019 sank das Nettoergebnis um mehr als 40 Prozent. Auch die Erlöse gingen zurück. Seit Anfang 2020 soll der ehemalige Puma-Chef Jochen Zeitz als CEO der Amerikaner den Turnaround schaffen.

Dazu hat er ein auf fünf Jahre konzipiertes Umbauprogramm mit dem Namen "Hardwire" aufgesetzt. Kosten werden gestrichen, Stellen fallen weg. Geplant sind Einsparungen in einer Größenordnung von 100 Millionen Dollar. Zukünftig soll sich das Unternehmen auf Produkte und Märkte konzentrieren, die Profitabilität versprechen. Dazu wird das Produktportfolio um rund ein Drittel verschlankt.

Einen ersten Erfolg, der noch auf die Ära vor Zeitz zurückgeht, konnte Harley-Davidson mit dem Elektrobike Livewire verzeichnen. Diesen Weg will das Unternehmen weitergehen und eine eigene Elektroabteilung etablieren, die das Thema voranbringen soll.

Im zweiten Quartal stieg der Umsatz im Jahresvergleich immerhin wieder um 77 Prozent auf 1,5 Milliarden Dollar. Unter dem Strich stand ein Gewinn von 206 Millionen, statt eines Minus von 92 Millionen vor einem Jahr. Der Turnaround dürfte damit zwar noch nicht geschafft sein. Doch Harley-Chef Zeitz war zumindest "zufrieden mit dem Tempo der Fortschritte".

 


INVESTOR-INFO

Piaggio

Weltweit aktiv

Die Italiener sind breit aufgestellt. Das Angebot reicht vom klassischen Motorroller bis zur Rennmaschine. Mit Fabriken im Heimatland, aber auch in Indien und Vietnam bedient Piaggio große Märkte, auf denen das Zweirad für viele der erschwingliche Lastentransporter ist, der ein einigermaßen zügiges Vorankommen in den verkehrsreichen Metropolen Asiens garantiert. Zudem sprechen verstopfte, mautpflichtige Innenstädte und das Engagement bei der E-Mobilität in Europa für das Unternehmen und die Aktie.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 4,00 Euro
Stoppkurs: 2,60 Euro

Harley-Davidson

Aufholjagd begonnen

Jochen Zeitz, Unternehmenschef seit 2020, hat bei Puma gezeigt, dass er eine angestaubte Marke flottmachen kann. Mit dem Umbauprogramm "Hardwire" will Zeitz die Kosten reduzieren, das Produktportfolio verschlanken und die Preise verbessern. Mit der Livewire One, dem ersten elektrifizierten Modell der Marke, hat Harley-Davidson Fans und Experten überrascht und gezeigt, dass noch Leben im Unternehmen steckt. Risikobereite Anleger greifen zu.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 40,00 Euro
Stoppkurs: 24,50 Euro

Pierer Mobility

Auf der Überholspur

Mit den Marken KTM, Husqvarna und Gasgas zählt das österreichische Unternehmen bei Premium-Motorrädern zu den europäischen Technologie- und Marktführern. Mit der strategischen Partnerschaft mit Bajaj, einem der großen indischen Motorradhersteller, treibt Pierer Mobility das Thema E-Mobilität voran und profitiert mit Elektrofahrrädern vom Boom dieses Segments. Der Absatz steigt seit Jahren kontinuierlich. Ein Kauf.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 90,00 Euro
Stoppkurs: 59,00 Euro