DAS IST LOS BEIM UNTERNEHMEN:

Als Stefan Klebert Anfang 2019 den Chefposten beim Maschinen- und Anlagenbauer Gea übernahm, war die Ausgangslage alles andere als gut: In den vorangegangenen zweieinhalb Jahren hatte es sieben Gewinnwarnungen gegeben, die operative Marge gemessen am Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen (Ebitda) und vor Restrukturierungskosten war von mehr als zwölf auf unter zehn Prozent gefallen und der Aktienkurs hatte sich mehr als halbiert.

Kurz nach Klebert trat der neue Finanzvorstand Marcus Ketter an - gemeinsam krempelten sie das Unternehmen um. Strukturierten die gesamte Organisation neu, verkauften Firmenanteile und Produktionsstätten.

Nun haben sie mit der Strategie "Mission 2026" ein neues Kapitel eingeläutet, das nicht mehr nur auf Optimierung, sondern auch auf Wachstum setzt. Bis 2026 soll eine jährliche Umsatzsteigerung von durchschnittlich 4 bis 6 Prozent aus eigener Kraft geschafft werden. Auf Basis der für 2021 geschätzten 4,6 Milliarden Euro Umsatz ergäbe sich für Gea damit ein Umsatzziel bis 2026 von 6 Milliarden Euro.

Dabei soll die Profitabilität nicht zu kurz kommen: Gea will die operative Marge bis 2026 auf mehr als 15 Prozent verbessern, im vergangenen Jahr lag sie bei 11,5 Prozent. Ausgeklammert sind hier aber die Aufwendungen für den Konzernumbau. Die erhöhte Profitabilität soll auch durch Einsparungen erreicht werden, nicht aber durch Stellenabbau, versprach Klebert beim Kapitalmarkttag Ende September.

Insgesamt werde zwischen 2022 und 2026 ein Netto-Beitrag zum Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von 150 Millionen Euro erwartet. Zudem will Gea die Rendite auf das eingesetzte Kapital (ROCE) 2026 von aktuell 17 auf dann 30 Prozent nahezu verdoppeln.

"Dieses Programm wird uns an die Spitze der Branche führen", sagte Unternehmenschef Klebert bei der Vorstellung der Strategie. Auch Akquisitionen sind für ihn dabei denkbar. Die Ideen für Unternehmenszukäufe glichen einerseits einem "bunten Blumenstrauß", wie er sagt. Andererseits sei es momentan nicht so einfach, passende Unternehmen zu finden, da kaum welche zum Verkauf stünden. Man schaue sich sowohl in den USA als auch in Asien um und dabei in allen drei Hauptgeschäftsfeldern, sagte Klebert.

Gea macht rund 80 Prozent des Umsatzes in den Branchen Nahrungsmittel, Getränke und Pharma. Das angestrebte Volumen für einen Zukauf bezifferte Finanzchef Ketter auf 300 bis 500 Millionen Euro. Sofern sich eine Möglichkeit herauskristallisiere, seien aber auch teurere Zukäufe denkbar.

Zudem hat Gea als besonderen Wachstumsmarkt in der neuen Strategie den sogenannten New Food Bereich identifiziert. Darunter werden etwa pflanzliche Alternativen zu Milchprodukten, sowie proteinbasierte Fleischersatzprodukte geführt. Bis 2026 verspricht sich Gea aus dem Bereich New Food Aufträge von rund 400 Millionen Euro zu gewinnen.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Anleger, die Anfang des Jahres Geld in Gea-Aktien gesteckt haben, dürften an sich zufrieden sein. Denn seit dem Jahreswechsel ist der Kurs um etwa ein Drittel gestiegen und liegt derzeit bei gut 38 Euro. Damit gehört das Papier in diesem Jahr zu den größten Gewinnern im Index der mittelgroßen Werte MDax.

Noch besser sieht die Bilanz seit dem Amtsantritt des Vorstandsvorsitzenden Stefan Klebert Mitte Februar 2019 aus. Seitdem gewann die Aktie um rund 80 Prozent hinzu - damit liegt sie in diesem Zeitraum unter den zehn besten MDax-Titeln. Klebert folgte auf den Langzeit-Chef Jürg Oleas, der auf Druck einiger Investoren gehen musste, nachdem der Konzern immer wieder hinter den Erwartungen zurückgeblieben war. Vor allem der inzwischen verstorbene belgische Unternehmer Albert Frère und der US-Investor Paul Singer hatten damals Druck gemacht.

Lange Zeit hatte sich der Aktienkurs unter Oleas nach oben entwickelt. Doch mit dem Erreichen des Rekordhochs von etwas mehr als 50 Euro im Sommer 2016 war die Luft raus - von da an ging es deutlich nach unten. Alles in allem legte die Aktie in den etwas mehr als 14 Jahren, in denen Oleas an der Spitze gestanden hatte, zwar um rund 120 Prozent zu. Damit blieb das Papier aber deutlich hinter dem Anstieg des MDax sowie vieler anderer deutschen Standardwerte zurück.

Das Unternehmen ist an der Börse derzeit rund sieben Milliarden Euro wert und damit deutlich weniger als zum Beispiel der schwedische Konkurrent Alfa Laval (Alfa Laval AB), der es umgerechnet auf rund 13 Milliarden Euro bringt - und das, obwohl die Schweden etwas weniger umsetzen. Allerdings fiel der operative Gewinn zuletzt höher aus als derjenige des deutschen Konzerns.

Gea hat derzeit zwei Großaktionäre an Bord. So hält Kuwait rund 9,5 Prozent der Anteile. 8,5 Prozent gehören der Investmentgesellschaft Oliver Capital, dem Hauptaktionär von Groupe Bruxelles Lambert (GBL), der von Frère gegründeten Beteiligungsgesellschaft.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Unter den seit dem Kapitalmarkttag Ende September von dpa-AFX erfassten Analysten herrscht vorsichtiger Optimismus. So empfehlen drei Experten das Kaufen von Gea-Aktien, vier sprechen sich zum Halten von Anteilen aus und nur einer rät zur Trennung von den Papieren. Dabei ist die Spanne beim Kursziel groß und reicht von 29 bis 48 Euro. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei rund 39 Euro - also etwas über dem aktuellen Kurs.

Mit einem Ziel von 29 Euro und der einzigen Verkaufsempfehlung ist William Turner von der US-Investmentbank Goldman Sachs am pessimistischsten. Er monierte, die Wachstumsziele des Anlagenbauers erscheinen überraschend ambitioniert. Turner selbst sehe in den Kernmärkten eher eine bremsende demographische Entwicklung.

Ebenfalls zurückhaltend ist Sebastian Kuenne von der kanadischen Bank RBC mit einem Ziel von 30 Euro. Gea habe für 2021 und 2022 lediglich die Ziele bestätigt - und das, obwohl die Marktschätzungen für das kommende Jahr bereits im oberen Bereich der Ziele lägen. Er rät zum Halten der Gea-Aktien.

Mit einem Ziel von jeweils 48 Euro gehören die Schweizer Großbank UBS und die Investmentbank Kepler Cheuvreux zu den hoffnungsvollsten Stimmen. Hans-Joachim Heimbürger von Kepler Cheuvreux betonte, das bis 2026 angepeilte jährliche organische Wachstum sei höher als von ihm erwartet. Das Margenziel hingegen sei im Rahmen seiner angedachten Spanne.

Sven Weier von UBS führte an, der jüngste Kapitalmarkttag habe für noch mehr Wachstumszuversicht gesorgt. Er ist sich sicher: Nach dem jüngsten Rücksetzer sollten sich die Aktien des Anlagenbauers wieder überdurchschnittlich entwickeln.

dpa-AFX