Wer vor 25 Jahren Geld in den DAX investierte, kann zufrieden sein: Aus umgerechnet 1.000 Euro sind mehr als 6.600 geworden. Noch besser wäre es gewesen, auf den kleineren Bruder des DAX zu setzen: Der MDAX hat seit seinem Start im Januar 1996 inklusive Dividenden 1.271 Prozent zugelegt. Aus 1.000 Euro Startkapital wurden also fast 14.000.

Jetzt steht der Prozentriese vor einem großen Umbruch. Noch im September wird die Deutsche Börse den MDAX von 60 auf 50 Mitglieder stutzen. Die zehn größten Titel - Airbus, Zalando, Siemens Healthineers, Symrise, Hellofresh, Sartorius, Porsche, Brenntag, Puma und Qiagen - werden in den DAX abkommandiert. Damit geht dem MDAX fast die Hälfte seiner Marktkapitalisierung verloren.

Mit dem Umbau will die Deutsche Börse die Attraktivität des DAX verbessern. Während die Imagekampagne für den Leitindex in Finanzkreisen Applaus bekommt, wirft die Reduzierung des für Anleger attraktiveren Mittelwertesegments Fragen auf. "Diese Lücke wieder zu schließen ist nicht so einfach", beklagt das Deutsche Aktieninstitut.

Der MDAX bietet Investoren eine besondere Mischung: "Die Unternehmen dort sind stärker mittelständisch geprägt und auf Nischenmärkte fokussiert. Dadurch konnten sie in den vergangenen Jahren stärker wachsen als viele DAX-Konzerne", erklärt Christian Kahler, Chefanlagestratege der DZ Bank. Etliche der Unternehmen sind in ihren Spezialgebieten Weltklasse. Fuchs Petrolub etwa ist der weltweit größte unabhängige Hersteller von Schmierstoffen, Dürr der weltgrößte Hersteller von Lackieranlagen.

Die Unterschiede zwischen den Schwergewichten und der Mittelklasse sind in vielen Kategorien beachtlich: Die aktuellen DAX-Konzerne sind nach Jahresumsatz fast siebenmal so groß wie die MDAX-Vertreter. Masse aber ist nicht zwingend Klasse. Die Riesen sind oft kompliziert und bürokratisch. Im Mittelstand sind die Entscheidungswege kürzer und damit auch die Reaktionszeiten in Krisen. Außerdem ist es bei etwas mehr als sieben Milliarden Euro Jahresumsatz leichter, hohe Wachstumsraten zu erzielen als bei 50 Milliarden, dem derzeitigen Durchschnitt im DAX. Kleinere Unternehmen werden zudem häufiger aufgekauft, weil sie durch ihre stärkere Fokussierung attraktivere Ziele sind. Von dem bei Übernahmeangeboten üblichen Kursaufschlag profitiert auch der Index.

Stresstest bestanden

Die überdurchschnittliche Rendite von Nebenwerten ist ein internationales Phänomen. Schon Anfang der 90er-Jahre zeigten die Wirtschaftswissenschaftler Kenneth French und Eugene Fama, dass nach Börsenwert kleine Unternehmen auf lange Sicht eine höhere Rendite erbracht haben. Eine Erklärung: Aktien mit niedrigem Börsenwert sind riskanter. Anleger, die bereit sind, dieses Risiko einzugehen, werden in Zeiten steigender Kurse mit überdurchschnittlichen Renditen belohnt.

Der Stressfaktor der großen Nebenwerte aus Deutschland hält sich in Grenzen: Seit Start des MDAX 1996 wurden die Aktienmärkte von drei schweren Krisen erschüttert. Im Absturz direkt nach der Jahrtausendwende waren die Kursverluste des DAX fast doppelt so groß wie die des MDAX. Im Corona-Crash verloren beide Indizes nahezu gleich stark. Nur in der großen Finanzkrise der Jahren 2007 bis 2009 entwickelten sich die großen Nebenwerte leicht schlechter als die deutschen Schwergewichte.

Bei Investoren spielt der MDAX trotz seiner starken Performance nur eine Nebenrolle. Große Adressen setzen lieber auf prominente Unternehmen. Diese Vorliebe lässt sich auch an den Indexfonds des Marktführers iShares ablesen: Während im ETF auf den DAX knapp sieben Milliarden Euro investiert sind, liegen im entsprechenden MDAX-Produkt weniger als zwei Milliarden. Und das, obwohl Kursgewinne das Volumen des MDAX deutlich stärker aufgepumpt haben als den DAX.

Wie wird es in der neuen Aufstellung mit dem MDAX weitergehen? Im ungünstigen Szenario nähert sich der MDAX dem SDAX an. Über die vergangenen 25 Jahre wuchs der Börsenwert des SDAX - dort sind kleine Nebenwerte versammelt - im Schnitt knapp einen Prozentpunkt stärker als der des DAX, lag aber mehr als zwei Prozentpunkte hinter dem MDAX. Eine mögliche Erklärung: Einigen der Kleinen fehlt die kritische Größe, um sich dauerhaft durchzusetzen. Der MDAX könnte demnach ohne seine Schwergewichte an Dynamik verlieren.

Optimisten sehen die Reduzierung des MDAX dagegen als eine Befreiung. Insbesondere Airbus ist mit einem Börsenwert von 90 Milliarden Euro viel zu groß für einen Nebenwerteindex, besetzte aber regelmäßig rund zehn Prozent des MDAX. Künftig werden die Schwergewichte dort deutlich kleiner sein. Nach dem Umbautermin am 20. September wird Beiersdorf der größte Wert sein. Bei dem Kosmetikhersteller sind die frei handelbaren Aktien weniger als zehn Milliarden Euro wert. Der MDAX schärft also sein Profil als Nebenwerteindex.

Stratege Kahler jedenfalls sieht die Umstellung gelassen: "Auch wenn der MDAX kleiner wird, dürften die Auswirkungen auf dessen Wertentwicklung nicht dramatisch sein." Angesichts der starken Historie wäre das eine gute Nachricht für Anleger.

Starke Einzelwerte

Auch in der neuen Aufstellung bleibt der MDAX eine Inspirationsquelle bei der Suche nach lukrativen Einzeltiteln. Risikofreudige setzen auf das Momentum: Besonders groß ist die Aufwärtsdynamik aktuell bei der Aktie von Nemetschek. Die Softwarefirma hilft bei der Planung und Umsetzung von Bauprojekten. Der Chipanlagenbauer Aixtron beliefert Kunden aus lukrativen Märkten, etwa erneuerbare Energien und 5G-Mobilfunk. Carl Zeiss Meditec, ein Spezialist für Geräte zur Diagnose und Behandlung von Augenerkrankungen, profitiert vom Abflauen der Pandemie und längerfristig von der alternden Gesellschaft.

Die Dividendenrendite des MDAX liegt mehr als einen Prozentpunkt unter dem Niveau der DAX-Schwergewichte. Trotzdem gibt es auch unter den Nebenwerten Investments für Anleger, die Wert auf eine hohe Ausschüttung legen: Rund sieben Prozent wirft laut Analystenschätzungen die Aktie des Telekom-Dienstleisters Freenet ab. Rund vier Prozent bieten der Spezialchemiekonzern Evonik und der Rückversicherer Hannover Rück.
 


INVESTOR-INFO

Indexfonds

Der einfachste Weg

Der MDAX dürfte auch in der neuen Gestalt der lukrativste deutsche Aktienindex bleiben. Über börsennotierte Indexfonds, die sogenannten ETFs, können Anleger bequem in den kompletten Index investieren. Das Angebot an Produkten ist aber nicht sehr groß, die Kosten sind höher als bei entsprechenden Produkten auf größere Indizes. Favorit der Redaktion ist der MDAX-ETF der Deka.

Momentum

Dem Trend folgen

Gewinner bleiben Gewinner. Nach diesem Prinzip setzen Anleger auf Aktien, die bereits deutlich gestiegen sind und darum Momentum haben. Eine Variante orientiert sich an der Relativen Stärke. Diese Kennziffer wird für alle wichtigen Aktien im Kursteil dieser Zeitung veröffentlicht. Besonders hoch ist die Relative Stärke im MDAX bei Nemetschek, Aixtron und Carl Zeiss Meditec.

Dividende

Hohe Prozente

Auch wenn die Dividendenrenditen unter Nebenwerten meist niedriger sind als bei den Schwergewichten, gibt es im MDAX einige Hochprozenter. Bei Freenet kalkulieren Analysten mit einer sehr hohen, aber wohl stagnierenden Ausschüttung. Bei Evonik und Hannover Rück dürfen Anleger auf eine überdurchschnittliche und in den kommenden Jahren leicht steigende Zahlung hoffen.