Die Türkei steckt fest. In den vergangenen zwölf Jahren ist das jährliche Pro-Kopf-Einkommen dank marktwirtschaftlicher Reformen zwar von umgerechnet 2825 auf 8280 Euro gestiegen. Doch ab diesem Niveau wird es laut Weltbank für Schwellenländer schwierig, den Lebensstandard weiter zu verbessern. Höhere Löhne gehen zulasten der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, auch wollen die Regierungen ihren dominierenden Einfluss auf die Wirtschaft meist nicht aufgeben. Entwicklungsexperten sprechen dann von der "Middle-Income-Trap". Diese Falle des mittleren Durchschnittseinkommens zu überwinden gelang seit 1960 von 101 Staaten bislang nur 13, darunter Irland und Südkorea.

Raus aus der Falle - das hat sich der seit August amtierende Ministerpräsident Ahmet Davutoglu vorgenommen. Sein jüngst vorgelegtes Reformprogramm setzt an den richtigen Stellschrauben an. Werden die Pläne tatsächlich umgesetzt, nimmt nicht nur die Wirtschaft wieder Fahrt auf, auch für Anleihe-Investoren verringern sich die Risiken erheblich.

Davutoglu will vor allem die hohe Importquote der Türkei deutlich reduzieren. Das Land führt Jahr für Jahr rund 80 Milliarden Euro mehr an Waren- und Dienstleistungen ein, als es exportiert. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist das Leistungsbilanzdefizit eines der höchsten der Welt. Um es zu finanzieren, ist die Türkei auf Kapital aus dem Ausland angewiesen. Das kann sich fatal auswirken. Als die US-Notenbank im vergangenen Jahr das Ende ihrer geldpolitischen Lockerung ankündigte, zogen ausländische Investoren massiv Gelder aus Aktien und Staatsanleihen der Schwellenländer, auch der Türkei, ab.

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Ehrgeizige Ziele

Um solche Entwicklungen künftig zu vermeiden, hat Davutoglu dem Land eine Produktivitäts- und Technologieoffensive verordnet. Qualitativ höhere beziehungsweise weniger arbeitsintensiv produzierte Waren sind unverzichtbar, wollen türkische Unternehmen am Weltmarkt punkten. In zehn Jahren soll sich der Export verdreifachen. Damit dieses Ziel erreicht wird, werden die Staatsausgaben für Forschung und Entwicklung bis 2023 auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts angehoben. Im Jahr 2002 lag der Anteil bei lediglich einem Prozent.

Zudem will Davutoglu die Abhängigkeit der Türkei von Energielieferungen aus dem Ausland reduzieren. Der aktuell deutliche Rückgang des Ölpreises macht sich schon jetzt positiv in der Leistungsbilanz bemerkbar. Hält der Trend an, dürfte auch die derzeit mit neun Prozent hohe Inflationsrate nach unten gehen. Sicher ist das aber nicht. Anleger, die sich von Davutoglus Reformprogramm angesprochen fühlen, aber keine Währungsrisiken eingehen wollen, engagieren sich daher in türkischen Staatsanleihen, die auf Dollar lauten. Dem Greenback wird gegenüber der türkischen Lira und dem Euro Aufwertungspotenzial unterstellt.

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