Laurèl steht das Wasser bis zum Hals. Die Besitzer der Anleihe des Modeunternehmens sollen auf den Zins für dieses Jahr verzichten, den Kupon für die nächsten Jahre senken, die Laufzeit verlängern. Sonst droht das Aus. Schulden zu hoch, Eigenkapital aufgezehrt. Ihre 20 Millionen Euro wollten die Anleger dem Modehaus Ende 2012 für fünf Jahre leihen. Der Damenmodespezialist leidet nun unter dem weggebrochenen Russland- Geschäft. Wegen der Probleme in Putins Reich musste im Mai bereits der russische Landmaschinenhändler Ekotechnika die Gläubiger bitten, die Anleihe in Aktien zu tauschen. 60 Millionen Euro ist der Bond schwer, er notiert bei 13 Prozent. Die Laurèl-Anleihe wechselt für rund 17 Prozent den Besitzer.

BÖRSE ONLINE hat im Mittelstandsanleihen- Check vor einem Jahr geraten, von den beiden Bonds die Finger zu lassen. In der aktuellen Übersicht (nur in der Heftausgabe 34/2015 verfügbar) fehlen Ekotechnika und Laurèl, da nur Anleihen aufgeführt sind, die noch ordnungsgemäß bedient werden. Das dürfte sich bei einigen Anleihen in den nächsten Jahren ändern. Dann müssen die ab 2010 oft mit fünfjähriger Laufzeit emittierten Anleihen zurückgezahlt werden. Stabil ist kaum ein Emittent, die Firmen leiden deshalb schnell, wenn Unvorhergesehenes wie in Russland geschieht. Spätestens die Tilgung ist eine enorme Herausforderung für sie die Refinanzierungswelle wird einige überrollen und zum Kentern bringen. Unser Überblick soll Anlegern Orientierung bieten, damit ihr Kapital nicht mit untergeht.

Komplett verdammt haben wir die Mittelstandsanleihen nie aber davor gewarnt, die Risiken zu unterschätzen. Auch jetzt halten wir die Mehrheit der Anleihen nicht für empfehlenswert, wenn die mögliche Rendite dem Risiko gegenübergestellt wird. Selbst die Bonds, die wir als attraktiv einschätzen, sind keine klassischen Buy-and-Hold-Investments, die, einmal gekauft, unbeachtet bis Fälligkeit im Depot liegen könnten. Anleger müssen die Entwicklung genau im Blick behalten.

Neben der großen Übersicht nennen wir fünf Favoriten, die ihre Anleihen aus heutiger Sicht ohne Probleme bedienen dürften. Dazu fünf Kurzläufer, die in den nächsten rund anderthalb Jahren fällig sind und die für diese Dauer attraktive Erträge versprechen. Dabei haben wir uns auch außerhalb der speziellen Segmente für Mittelstandsanleihen bei kleinen und mittleren Firmen umgesehen.

Zum Start dieser Handelssegmente 2010 war "Mittelstandsanleihe" ein geschickt gewählter Marketingbegriff. Heute ist das Etikett nach vielen Pleiten und Skandalen ein Malus. "Überraschend sind aber nicht die vielen Ausfälle, die es bereits gab, überraschend ist, dass nicht noch mehr Emittenten pleite sind", sagt Hans-Werner Grunow, Chef der auf Unternehmensfinanzierung spezialisierten Beratungsfirma Capmarcon: "Viele Unternehmen, die nicht kapitalmarktfähig waren und woanders kein Geld mehr bekommen haben, drängten an den Markt." Bei vielen genügt ein Blick auf die Zahlen, um zu erkennen, dass sie nicht in der Lage sein werden, ihre Anleihe aus dem operativen Geschäft zu tilgen. Sie brauchen eine Anschlussfinanzierung, was nicht per se verwerflich ist. Bei soliden Adressen würden die Banken Schlange stehen, um dafür Kredite geben zu dürfen.

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Alles hängt an der Anschlussanleihe



"Firmen mit schlechter Bonität werden aber abseits des Mittelstandsanleihemarkts kein frisches Geld bekommen", meint Grunow. Es kommt deshalb darauf an, ob die Unternehmen etwa mithilfe einer bekannten Marke eine Anschlussanleihe platzieren können oder nicht. "Wenn sie das schaffen, könnten sich diese Firmen damit noch einmal ein paar Jahre über Wasser halten", erläutert Grunow.

Wie es laufen kann, hat Katjes International gezeigt: Zahlen ohne Einmaleffekte schlecht, Marke bekannt. Da ist es auch egal, dass der Emittent nicht Katjes Deutschland ist, dessen Produkte jeder aus dem Supermarkt kennt, sondern die Schwester Katjes International. Dort sind einige vor allem ausländische Beteiligungen gebündelt. Um die alte, 45 Millionen Euro schwere Anleihe im Juli vorzeitig abzulösen, konnte die Firma im Mai problemlos 60 Millionen Euro einsammeln.

Während Katjes neben einer Privatplatzierung ein öffentliches Angebot machte platzierten andere Emittenten wie der Schnapshersteller Semper Idem Underberg und die Brauerei Jacob Stauder ihre neuen Anleihen komplett privat bei größeren Investoren. Kleinanleger, um die in den Anfangsjahren der Mittelstandsanleihen aggressiv geworben wurde, blieben bei der Zeichnung dieser Bonds außen vor. Deshalb muss sich aber niemand grämen, denn zum Kauf empfehlen wir keinen der ausstehenden Bonds dieser Firmen. Die Beispiele zeigen aber, wie sich der Markt seit den Boomzeiten 2012 und 2013 verändert hat.

"Das Umfeld für Neuemissionen war in diesem Jahr bisher schwierig", sagt Wirtschaftsprüfer Dieter Pape von der URA Rating Agentur, die für institutionelle Anleger Mittelstandsanleihen analysiert: "Der Trend geht deshalb weg vom öffentlichen Angebot hin zur Privatplatzierung." Diesen Weg können aber nur Unternehmen gehen, die bei größeren Investoren einen guten Namen haben. Auch bei der Aufstockung älterer Anleihen wurden zuletzt gezielt institutionelle Anleger angesprochen, etwa bei der Modefirma Steilmann-Boecker, zu der die Adler Modemärkte gehören.

Zudem fällt auf: Die kurze Liste der Neuemissionen 2015 füllen vor allem alte Bekannte. In den speziellen Börsensegmenten gab es dieses Jahr bisher sogar nur vier neue Bonds: Adler Real Estate, der Versicherer Enterprise Holdings, Katjes International und der Autozulieferer NZWL waren schon am Markt aktiv, und sie gingen mit ihren Folgeanleihen allesamt in den Prime oder Entry Standard der Börse in Frankfurt, den klaren Marktführer.

"Der Markt ist bei Weitem nicht mehr so aufnahmefähig und akzeptiert nicht mehr jedes Unternehmen, das Geld einsammeln will", sagt Berater Grunow. Mehrere ge- plante Emissionen wurden 2015 schon zurückgezogen, das Anlegerinteresse fehlte. Firmen wie Underberg, Jacob Stauder und Steilmann-Boecker haben ihre neuen Anleihen darüber hinaus nicht mehr in den Mittelstandsanleihesegmenten gelistet, sondern in den normalen Freiverkehr eingeführt. Für Anleger ein Nachteil, denn die Börsen wollen in ihren Minibond- Segmenten zumindest für ein Mindestmaß an Transparenz sorgen, etwa mit der Veröffentlichungspflicht für bestimmte Kennzahlen.

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Die Börsenkurse richtig einordnen



Die Aussagekraft der Börsenkurse sollten Anleger, unabhängig vom Handelssegment, allerdings einordnen können. "Der Markt für Mittelstandsanleihen ist kein richtiger Markt dort von einem Börsenbetrieb mit effizienter Preisbildung zu sprechen wäre maßlos übertrieben", warnt Grunow. Wegen des geringen Volumens kommt es an einigen Tagen bei vielen Anleihen zu gar keinen Umsätzen. "Wenn ein unerfahrener Anleger den Fehler macht, einen Verkaufsauftrag ohne Limit abzugeben, und ein erfahrenerer Anleger hat eine Kauforder mit einem Limit weit unter dem aktuellen Kurs platziert, dann führt das zu den enormen Kursschwankungen, die mitunter zu beobachten sind", so Grunow.

Ganz ignorieren sollten Anleger die Kurse nicht. "Wenn eine Anleihe bei 80 oder gar 60 Prozent notiert, kann das ein Hinweis auf die mangelnde Refinanzierungsfähigkeit des Unternehmens sein", sagt Wirtschaftsprüfer Pape. Denn darin spiegelt sich das schwindende Vertrauen der Investoren wider. "Es wird für das Unternehmen extrem schwierig, eine Anschlussfinanzierung zumindest über, den Kapitalmarkt zu stemmen, sei es über eine neue Anleihe oder bei börsennotierten Unternehmen über neue Aktien", so Pape.

Besonders aufpassen sollten Anleger, wenn ein Unternehmen einen bekannten Namen hat, der Kurs der Anleihe deshalb meist von einem Vertrauensvorschuss profitiert und die Notierung deutlich unter 100 Prozent sinkt. Dann trauen die Investoren dem Emittenten, trotz der bekannten Marke, die ordentliche Bedienung der Anleihe nicht mehr zu. Das war bei Laurèl seit einiger Zeit schon der Fall. Aber auch die Papiere der Modefirmen René Lezard und More & More werden zu Preisen weit unter 50 Prozent gehandelt.

Nachdem in den ersten Jahren zunächst nur Emittenten aus dem Bereich erneuerbare Energien pleitegegangen waren, gilt nun vielen die Modebranche als Sorgenkind bei den Mittelstandsanleihen. Die zu befürchtenden Insolvenzen werden sich allerdings kaum auf die Modefirmen beschränken.

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Wem leihe ich was?



Für einen ersten Eindruck sind einige Kennzahlen hilfreich. Erfüllt ein Emittent nicht alle Vorgaben, sollten andere gute Gründe für ihn sprechen.

Bilanz: Je mehr Eigenkapital, desto stabiler und unabhängiger von Fremdkapital. Die Höhe der Eigenkapitalquote hängt von der Branche ab. Faustregel: Werte über 30 Prozent sind gut, unter 15 Prozent vorsichtig sein.

Schulden: Nettoschulden (Total Net Debt) im Verhältnis zum operativen Gewinn (Ebitda) - das ergibt die Zahl der Jahre, die zur Tilgung bestehender Schulden bei konstantem Gewinn nötig wären. Werte unter zwei gelten hier als unproblematisch, Werte ab fünf als eher kritisch.

Zinslast: Der Gewinn im Verhältnis zum Zinsaufwand ergibt den Deckungsgrad. Kleiner als eins bedeutet, dass die Firma die Zinsen nicht aus dem Gewinn zahlen kann. Nimmt man das Ebit, soll der Deckungsgrad größer als 1,5 sein, beim Ebitda soll der Wert höher als 2,5 sein.Kapitalfluss: Um Zinsen zahlen und die Anleihe tilgen zu können, ist ein stabiler Geldzufluss aus dem Geschäft wichtig. Der operative Cashflow sollte nur ausnahmsweise negativ sein.

Rating: Mittelstandsbonds haben meist kein Anleihe-, sondern ein Unternehmensrating. Das Anleiherating würde oft schlechter ausfallen. Denn viele Anleihen sind unbesichert, die Bankschulden mit Sicherheiten hinterlegt. Die Anleihe ist damit effektiv nachrangig. Um die No- ten besser mit den gewohnten Ratings großer Anleihen vergleichen zu können, sollten Anleger zwei bis drei Stufen abziehen. Chancen und Risiken listet der Ratingbericht im Detail auf.

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Wenn das Ziel bereits in Sicht ist



Wenn die Fälligkeit naht und der Emittent stabil ist, können sich Anleger auch mit geringeren Renditen begnügen. Wobei die hier ausgewählten Mittelstandsanleihen für die kurze Restlaufzeit von rund anderthalb Jahren bei vertretbarem Risiko immer noch relativ hohe Erträge versprechen. Jedenfalls dann, wenn man sie mit dem vergleicht, was Anleihen von Konzernen, selbst mit schlechtem Rating, für diesen Zeitraum bieten. Kurzläufer haben den Vorteil, dass ihre Kurse, sollte das Zinsniveau vom rekordniedrigen Stand aus ansteigen, nicht so leiden wie länger laufende Anleihen. Denn wer Bonds mit langer Restlaufzeit hält, muss sich mit der beim Kauf akzeptierten Rendite bis zur Fälligkeit begnügen oder die Papiere zum gesunkenen Kurs verkaufen. Vor allem aber lässt sich leichter einschätzen, ob eine Firma in einigen Monaten Schulden tilgen kann oder nicht. Ohne Risiko sind indes auch die genannten Papiere nicht. Die Gesellschaft für Industrieforschung, kurz GIF, arbeitet als Dienstleister für die Autoindustrie, ein Rating gibt es nicht. Nach dem Einstieg des Investors 3i machte GIF ein Rückkaufangebot für die Anleihe, das umlaufende Volumen ist darum gering. Anleger brauchen Geduld und sollten, wie bei allen Mittelstandsanleihen, unbedingt mit einem Limit ordern. Die österreichische Firma Porr präsentiert sich nun als - Ende 2014 nettoschuldenfreies - reines Bauunternehmen. Die Immobilienentwicklung wurde in UBM Development abgespalten. Über die Eigner sind die beiden Firmen aber weiterhin verknüpft. Die Anleihetilgung sollte für diese Unternehmen, für die es ebenfalls keine Ratings gibt, kaum ein Problem sein. Ebenso wie für den Pflegeheimbetreiber Senivita Sozial, der in diesem Wachstumsmarkt gut aufgestellt ist und jüngst ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem Baukonzern Strabag gegründet hat. Steilmann-Boecker gehört die Mehrheit der Adler Modemärkte, die ausgewählte Anleihe ist jene, die von den drei ausstehenden Papieren als Erste fällig ist.



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Wo Anleger an Bord gehen können



Mittelstandsanleihen eignen sich nicht für ein Buy-and-Hold-Investment. Anleger können die Papiere also nicht nach dem Kauf unbeachtet im Depot liegen lassen wie Witwen-und-Waisen-Papiere und in Ruhe die Zinsen einstreichen. Die Entwicklung der Unternehmen muss im Auge behalten werden. Das gilt generell auch für die in der Tabelle genannten Firmen. Diese sind jedoch so stabil, und der eingeschlagene Kurs weist so deutlich in die richtige Richtung, dass sie ihre Anleihe in einigen Jahren ordnungsgemäß tilgen und bis dahin pünktlich die Zinsen zahlen dürften. Die Kurse von vier der fünf Anleihen sind relativ hoch, die Renditen dennoch attraktiv. Ein hoher Einstandspreis ist vor allem dann ärgerlich, wenn ein Emittent vorzeitig seine Anleihe kündigt - und der Anleger den hohen Kupon nicht so lange kassieren kann wie beim Kauf gehofft. So könnte der Autozulieferer Alfmeier seinen Bond nicht erst 2018, sondern bereits im Oktober 2017 zum Preis von 101,50 Prozent tilgen. Die Rendite wäre dann mit 3,7 Prozent per annum etwas geringer, aber noch immer interessant. Auch der Mischkonzern PCC kann seine Anleihe zu jedem vierteljährlichen Zinstermin kündigen. Das ist kein größeres Problem, denn das Papier wird in Frankfurt derzeit etwas unter pari gehandelt. Über das Unternehmen kann der Bond auch spesenfrei gekauft werden, zum Kurs von 100 Prozent. Von der etwas aggressiv wirkenden, scheinbar omnipräsenten Werbung für diese Anleihen muss sich niemand abschrecken lassen - PCC hat schon viele Anleihen emittiert und sich bisher stets als zuverlässiger Schuldner erwiesen. Das Unternehmen ist vor allem in der Chemie, zudem in Energie und Logistik aktiv. Sowieso alte Bekannte für die Leser von BÖRSE ONLINE sind die Emittenten der anderen drei in der Tabelle aufgeführten Anleihen: das Immobilienunternehmen Adler Real Estate, Constantin Medien sowie die österreichische IT-Firma S & T, deren Aktien wir auch wiederholt zum Kauf empfohlen haben.