"Wir beobachten einen Stimmungsumschwung", sagt Jeffrey Gundlach, Chef des Vermögensverwalters DoubleLine. Investoren schichteten in großem Stil Geld von Anleihen in Aktien um. Sie wetteten auf ein großangelegtes Trump'sches Konjunkturprogramm und versprechen sich daher von Aktien höhere Gewinne.

Der von Bank of America Merrill Lynch berechnet Index für den weltweiten Bondmarkt fiel in der vergangenen Woche um 1,2 Prozent - so viel wie zuletzt im Juni. Sein Pendant für die US-Bonds verzeichnete mit einem Minus von 1,9 Prozent sogar den größten Wochenverlust seit 2009. Parallel dazu kletterten die Renditen der richtungweisenden zehnjährigen Titel aus den USA und Deutschland auf Zehn-Monats-Hochs von 2,238 und 0,37 Prozent.

WIRTSCHAFTSBOOM = STEIGENDE INFLATION = STEIGENDE ZINSEN



Im Gegenzug legte der US-Standardwerteindex Dow Jones binnen weniger Tage rund 1000 Punkte zu und markierte mit 18.873,66 Zählern ein Rekordhoch. Der Kursgewinn von insgesamt 5,4 Prozent war der größte seit Wochengewinn seit fünf Jahren. Der Dax legte zwar ebenfalls zu, bleibt mit aktuell etwa 10.800 Punkten aber rund 1500 Stellen unter seiner bisherigen Bestmarke.

Die Hoffnung auf sprudelnde Unternehmensgewinne sind allerdings nicht der einzige Grund für die Verkaufswelle am Bondmarkt. Börsianer rechnen wegen des Wirtschaftsbooms mit einer anziehenden Teuerung und raschen Zinserhöhungen. Dies macht bereits gehandelte, niedriger verzinste Bonds unattraktiv. Das US-Inflationsbarometer notiert aktuell so hoch wie zuletzt vor gut zwei Jahren. Sein europäisches Pendant kann sich diesem Trend nicht entziehen und erreicht ein Zehn-Monats-Hoch. Eine Zinserhöhung der Notenbank Fed im Dezember gilt an den Finanzmärkten als sicher. Für 2017 erwarten sie meist zwei weitere Schritte.

Eine Ausnahme seien inflationsgeschützte Papiere, sagt Portfoliomanager Brian Smith vom Fondsanbieter TCW. Für diese interessierten sich immer mehr Anleger. Daten der Thomson Reuters-Fondstochter Lipper zufolge steckten Investoren in der Woche bis zum 9. November - einen Tag nach der US-Wahl - eine Milliarde Dollar in derartige US-Titel. Das ist der zweitgrößte Zufluss seit Beginn der Aufzeichnungen 2002.

UNSICHERHEIT WEGEN TRUMPS PLÄNEN STÜTZT ANLEIHEN



Einige Experten warnen jedoch davor, den Anleihemarkt komplett abzuschreiben. Auch bei klassischen US-Staatsanleihen sei ein Crash nicht zu erwarten, betont Mihir Worah, Chef-Anleger der Allianz -Fondstochter Pimco. Versicherer und Pensionsfonds aus Europa und Japan würden sicher weiter US-Titel kaufen, weil die Papiere aus ihren Heimatländern kaum etwas abwerfen oder sogar ein Verlustgeschäft sind. Außerdem sei noch völlig unklar, welchen Kurs der künftige US-Präsident Trump fahren werde, sagt Portfoliomanager Mark Lindbloom vom Vermögensverwalter Western Asset Management. Daher blieben viele Anleger vorsichtig.

Auch für Art Hogan, den Chef-Marktanalysten des Vermögensverwalters Wunderlich, ist es zu früh, um die 'Große Rotation' auszurufen. Ihr stehe die demografische Entwicklung entgegen. Ältere Privatanleger, die meist mehr Geld für Investments zur Verfügung haben als die jungen, bevorzugen risikoärmere Papiere wie Staatsanleihen zur privaten Altersvorsorge. Seit Jahren spekulieren Börsianer immer wieder darüber, ob und wann Investoren in großem Stil und dauerhaft ihr Geld aus Anleihen abziehen und in Aktien stecken.

rtr