Return, der Investmentkommentar von Björn Drescher

"Posing" nennen Bodybuilder das Imponiergehabe ihrer angespannten Muskeln vor dem Spiegel und auf Wettkampfbühnen. In meinen Augen hatte die Jahrespressekonferenz des BVI schon etwas von diesem Schaulaufen und wirft die unter Athleten viel diskutierte Frage auf, wie effizient und stark die aufgepumpten voluminösen Muskelberge eigentlich wirklich sind. Will sagen: wie profitabel ist das Wachstum der Assets für die Branche und ihre einzelnen Vertreter, welchen Rückhalt hat die Fondsidee in der Bevölkerung, wie nachhaltig ist sie verankert?

Hätte der Gedanke anlässlich der BVI-Pressekonferenz schon nahe gelegen, drängt er sich anlässlich der mehr oder weniger parallel veröffentlichten Zahlen des Deutschen Aktieninstituts (DAI) förmlich auf. Während der BVI von 50 Millionen Deutschen spricht, die direkt und indirekt in Fonds investiert sind, von der Rekordsumme von 2,4 Billionen Euro, die in Fonds verwaltet werden, von 30 Mrd. Euro, die alleine den Publikumsfonds im vergangenen Jahr netto zuflossen und von 23 Mrd. Euro, die davon in Mischfonds investiert wurden, ernüchtert das DAI die Öffentlichkeit mit der Meldung, den tiefsten Stand der Aktien- und Mischfondsbesitzer seit 15 Jahren ausgemacht zu haben. Das Institut lässt über das Jahr verteilt repräsentative 28.000 Bundesbürger befragen, über welche Geldanlagen sie verfügen. Den Zahlen zufolge besitzen keine 13% der Deutschen mehr Aktien oder Aktienfonds.

Auf Seite 2: Kein Widerspruch



Was nach Widerspruch klingt, ist keiner. Beide Seiten treffen glaubhafte Aussagen und veröffentlichen belastbares Zahlenmaterial. Die einen haben nie mehr Geld als heute verwaltet (BVI) und absolut betrachtet wurde der größte Teil der den Publikumsfonds 2014 anvertrauten Mittel tatsächlich in Mischfonds investiert. Umgekehrt konstatiert das DAI berechtigterweise rückläufige Zahlen der Aktionäre und Aktien-/Mischfondsbesitzer. Wer den Dissens verstehen will, kommt nicht umhin, sich mit dem Gebirge hinter den BVI-Zahlen zu beschäftigen, das Interpretationsspielräume lässt (z.B. was wurde in Deutschland umgesetzt, was international) und auch abseits des Spezialfonds-Segments von einem Fussabdruck institutioneller Großanleger im Publikumsfondsgeschäft zeugt. Dieser wird an keiner Stelle so schön deutlich, wie bei den Nettomittelabflüssen aus Aktienfonds im Jahr 2014: etwas mehr als -10 Mrd. Euro flossen ab und der Verband beeilt sich, auf einen Sondereffekt im Herbst hinzuweisen, anlässlich dessen institutionelle Großanleger in kürzester Zeit rund acht Mrd. Euro aus dem DAX-ETF des Hauses I-Shares in amerikanische Aktien umgeschichtet haben sollen. Wurde auf die Besonderheit dieses Effektes eigentlich ebenso deutlich hingewiesen, als die Mittel zuflossen?

Auf Seite 3: Zunehmende Institutionalisierung des Fondsgeschäfts



Wenngleich Staatsfonds und andere Einrichtungen nicht jeden Tag solche Bugwellen vor sich herschieben, belegt das Zahlenmaterial beider Einrichtungen, dass sich das Fondsgeschäft zunehmend institutionalisiert und industrialisiert, auch und vielleicht sogar gerade das mit Mischfonds. Angesichts des schwierigen Marktumfeldes gehen zunehmend öfter auch institutionelle Anleger dazu über, ihre Asset Allocation schrittweise externen Managern zu überlassen. Das bleibt nicht ohne Konsequenz für Margen, Abhängigkeiten und Zahlungsströme. Die privaten Anleger misstrauen dem Wertpapiergeschäft nach den gesammelten Erfahrungen leider nach wie vor und sind mehrheitlich, wenn überhaupt, allenfalls indirekt über Lebensversicherungen und andere Vorsorgeeinrichtungen an den Aktienmärkten investiert. Dieser Umstand ist vor allem von daher zu bedauern, als die Deutschen angesichts ihrer drohenden Rentenlücken und des anhaltenden Niedrigzinsumfeldes jeden Opportunitätsgewinn bräuchten, den sie kriegen können.

Auf Seite 4: Mehr Selbstreflexion wäre sinnvoll



Von daher ist es verständlich, dass ein Verband, der die Interessen der zusammengeschlossenen Fondsanbieter repräsentiert und vertritt, sich der eigenen Erfolge erfreut und in Szene zu setzen sucht. Etwas weniger zur Schau getragenes Selbstbewusstsein und eine kritischere Selbstreflexion, wären der Fondsidee indes wahrscheinlich dienlicher gewesen.

Schließlich wäre es aus der Sicht eines objektiven Beobachters fahrlässig, aus diesem Zahlenmaterial auf die Akzeptanz der Fondsidee in der Öffentlichkeit, das "Anlageverhalten" und die "Vorsorgementalität" des sprichwörtlichen "Deutschen Michel" schließen zu wollen. Die haben, gleich welcher Eindruck vermittelt werden soll, nur bedingt etwas mit einander zu tun.

Björn Drescher ist Gründer des auf Fonds spezialisierten Finanzinformationsdienstleisters Drescher & Cie (www.drescher-cie.de).