Herr Stasso­poulos, wie kommt man auf die Idee mit den Kühlschränken?

Der Auslöser war die Frage eines Kunden. Er wollte wissen, wie man langfristig am besten vom Aufstieg der Mittelschicht in den Emerging Markets profitieren kann. Wir stellten fest, dass wir nicht weiterkommen, wenn wir nur die großen Unternehmen unter die Lupe nehmen. Denn die spiegeln nur die vergangenen Erfolgsgeschichten wider. Wir aber wollten wissen, was die künftigen Erfolgsgeschichten sind.


Und wie findet man die heraus?

Die Antwort klingt wie ein Klischee, ist aber wahr: Sie müssen wissen, in welche Richtung die Unternehmen steuern, bevor diese es selbst wissen. Mit den klassischen Research-Ansätzen ließ sich diese Frage nicht beantworten. Denn dabei werden meist die Firmenchefs befragt: Was denken Sie, was Ihr Unternehmen in einem oder in fünf Jahren macht?


Auf welchen neuen Ansatz sind Sie gekommen?

Dass wir genauso wie ein Unternehmen vorgehen müssen, das in die Schwellenländer expandieren will. Wir müssen die gleichen Berater anheuern, wir müssen in die Haushalte der Verbraucher gehen, mit ihnen reden und möglichst viel über ihre Konsumgewohnheiten und -wünsche herausfinden.


Was haben Sie die Verbraucher denn so gefragt?

Eine Frage war: Gibt es etwas, das Ihr Leben komplett verändern würde? Und ich erinnere mich noch gut an die Antwort einer Frau in Indien. Sie sagte: ein Kühlschrank. Ich war überrascht und fragte sie, warum. Sie sagte: Weil ich dann nicht mehr alles, was ich für die Familie koche, frisch am Markt einkaufen müsste und viel Zeit spare. Ich könnte mehr arbeiten, mehr verdienen und sparen und dadurch unseren Lebensstandard verbessern.


Klingt vernünftig.

Absolut. Und es hat uns deutlich vor Augen geführt, welch enorme Auswirkungen Dinge, die wir in der westlichen Welt als selbstver- ständlich hinnehmen, auf das Leben der Menschen in den Schwellenländern haben. Um es plakativ auszudrücken: Mit einem Kühl- schrank fängt die Emanzipation an. Denn solange eine Frau an ihr Zuhause gebunden ist, um die Hausarbeit zu erledigen, hat sie für nichts anderes Zeit. Mit einem Kühlschrank und anderen Geräten, die die Hausarbeit effizient machen, kann sie rausgehen. Sie kann Geld verdienen, das Familieneinkommen aufbessern und so den allgemeinen Wohlstand steigern.


Und welche Erkenntnisse haben Sie in den Haushalten gewon­nen, in denen bereits ein Kühl­schrank stand?

Wir haben uns angeschaut und fotografiert, was in den Kühlschränken drin war. Und wir stellten fest: Wenn gerade ein Kühlschrank angeschafft worden war, finden sich darin hauptsächlich Grundnahrungsmittel wie Eier, Gemüse und ein paar fertige Speisen. In den Kühlschränken der Mittelschicht sind schon mehr Produkte vorhanden, die auf Genuss ausgerichtet sind und mit denen sich die Menschen selbst belohnen. Bier, Wein, Eiscreme oder Schokoriegel zum Beispiel. Und je reicher die Verbraucher werden, desto mehr sorgen sie sich um ihre Gesundheit. Also sind im Kühlschrank fettarmer Joghurt oder Diät-Cola.


Und wie unterscheidet sich das je nach Land?

Im Allgemeinen dient der Kühlschrank in Indien eher der Effizienz, also der Aufbewahrung von Grundnahrungsmitteln. China ist schon einen Schritt weiter und befindet sich in der Genussphase. Und in Ländern wie Brasilien oder Chile spielt der Gesundheitsaspekt bei den Lebensmitteln schon eine sehr große Rolle.


Welche Erkenntnisse für Investments gewinnen Sie aus den Kühlschrank­Analysen?

Wir wollen Antworten finden auf die Frage: Wie verändert sich das Konsumverhalten der Menschen in den Schwellenländern, wenn sie reicher werden? Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus dem ländlichen Raum Indiens: Der Konsum von Reis nimmt von der ärmsten bis zur reichsten Bevölkerungsschicht um knapp das Doppelte zu. Der Verbrauch von Milchprodukten wächst um das 13-Fache. Das zeigt, dass bei Lebensmitteln, die eine Kühlung benötigen, die Wachstumsraten enorm sind.


Wie profitieren Sie davon?

Es liegt zunächst nahe, nach Unternehmen zu schauen, die Käse oder Joghurt herstellen. Doch mit zunehmendem Wohlstand erwarten wir, dass in die Kühlschränke der Inder auch Eiscreme und später probiotischer Joghurt Einzug finden wird. Wenn ich das weiß, habe ich als Fondsmanager einen langfristigen Investitionsplan, um diesen Trend aufzugreifen.