Von McKinsey zum Value-Experten

Hendrik Leber gründete 1994 die Vermögensverwaltung Acatis. Der Asset-Manager, der Fonds wie den Acatis Gané (s. Investor-Info) oder den Acatis Global Value betreut, verwaltet derzeit rund 2,5 Milliarden Euro. Vor der Gründung von Acatis arbeitete Value-Spezialist Leber als Berater bei McKinsey und beim Bankhaus Metzler. Leber studierte Betriebswirtschaft im Saarland, in St. Gallen, New York und Berkeley und schloss mit Promotion ab.



Herr Leber, finden Sie als Value-Investor nach der starken Kursentwicklung in den vergangenen zwei Jahren momentan denn überhaupt noch unterbewertete Aktien?

Hendrik Leber: Richtig ist, dass die durchschnittlichen Bewertungen generell gestiegen sind. Doch derzeit finde ich mehr Titel, als ich kaufen kann. So ist zum Beispiel die Aktie von Medivation mit einem Kurs-Gewinn- Verhältnis von 20 eigentlich nicht mehr günstig. Doch das USPharmaunternehmen hat ein vielversprechendes Mittel gegen Prostatakrebs im fortgeschrittenen Stadium entwickelt. Trotz der hohen Bewertung sind daher weitere Kurssteigerungen drin.

Welche Unternehmen sind für Sie darüber hinaus interessant?

IT-Werte wie Apple, Microsoft und Cisco sind noch nicht zu teuer. Chancen sehe ich auch bei HP durch den künftigen Verkauf von 3-D-Druckern. Unsere Kriterien für ein Investment sehen wir zudem im Finanzsektor erfüllt. Uns gefallen unter anderem die Bangkok Bank, die China Construction Bank - das ist derzeit das günstigste große Finanzinstitut weltweit - und die Banca Popolare di Milano.

Ist es angesichts der lockeren Geldpolitik der Notenbanken für Sie schwieriger geworden, die Kurschancen von einzelnen Unternehmen abzuschätzen beziehungsweise Marktentwicklungen zu prognostizieren?

Ich muss meinen Referenzrahmen neu justieren. Die niedrigen Refinanzierungskosten für die Unternehmen am Kapitalmarkt erhöhen deren Attraktivität. Bei einem normalen Zinsniveau gäbe es weniger Argumente für ein Engagement bei dem einen oder anderen Unternehmen.

Ihre Vermögensverwaltung Acatis hat 80 Millionen Euro in Coca-Cola investiert. Die Hauptversammlung des US-Getränkekonzerns hat gerade Boni fürs Management von bis zu 24 Milliarden Dollar genehmigt. Sie haben das hart kritisiert. Wieso?

24 Milliarden Dollar sind, auch wenn sie auf rund 7000 Personen in Führungspositionen verteilt werden sollen, schlicht eine Unverschämtheit. Das Coca-Cola-Management hat in der Vergangenheit die Ziele verfehlt. Das liegt sicherlich nicht daran, dass es an finanziellen Anreizen gefehlt hätte, sondern an der Qualität des Managements. Kein Hedgefonds, kein Banker war je so gierig, wie sich die Führungsriege von Coca-Cola nun bedienen will.

Was stört Sie außerdem?

Die konkrete Zahl 24 Milliarden Dollar wird im sogenannten Proxy Statement nicht explizit genannt. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass 14,2 Prozent der Aktien von Coca-Cola an die Manager verteilt werden sollen. Uns gefällt auch die Informationspolitik nicht. So weist der Geschäftsbericht zum Beispiel auf "andere Vermögenswerte" hin. Auf mehrmaliges Nachfragen, worum es sich dabei konkret handelt, haben wir bislang keine Antwort bekommen.

Auf Kritik vonseiten der Aktionäre hat Coca-Cola mit dem Hinweis reagiert, dass die für die Manager vorgesehenen Aktien am freien Markt gekauft werden sollen - dass es sich sozusagen um ein Aktienrückkaufprogramm handelt, von dem die Investoren profitieren sollten.

Mit dieser Begründung werden die Investoren für dumm verkauft. Das Geld, das in die Aktienrückkäufe investiert wird, gehört den Aktionären und nicht dem Management.

Was wäre denn angemessen?

Ein Prozent der Marktkapitalisierung, also rund 1,8 Milliarden Dollar, sind für das Führungspersonal von Coca-Cola vertretbar.

Gibt es weitere Firmen, bei denen Sie Bonusexzesse feststellen?

Ja, David Farr, der Vorstandsvorsitzende von Emerson Electric zum Beispiel. Er hat im vergangenen Jahr über 25 Millionen Dollar verdient. Das ist eindeutig zu viel. Auch bei Oracle sind Übertreibungen feststellbar.

Müssten aus Ihrer Sicht die Aufsichtsräte vehementer gegen Bonusübertreibungen einschreiten?

Solche Bonusvorschläge durchgehen zu lassen ist sicherlich eine eklatante Pflichtverletzung. Doch wenn die Aufsichtsräte ihr Veto aussprechen, laufen sie Gefahr, nicht wiedergewählt zu werden. Um das aber richtigzustellen: Ich bin nicht dagegen, dass Manager, die den Wert des Unternehmens deutlich steigern und die Aktionäre reicher machen, gut verdienen. Doch bei zehn Millionen Euro Jahr pro Jahr ist in vielen Fällen eine Grenze erreicht.

Erachten Sie eine staatliche Begrenzung von Managergehältern als sinnvoll?

Nein, es ist Aufgabe der Aktionäre, das Gehalt der Manager zu bestimmen. Eine staatliche Regelung würde dazu führen, dass die Unternehmen ihre Standorte in andere Länder verlagern würden. Ich halte dies für eine populistische Forderung, die der Neiddebatte neue Nahrung gibt.

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