Der neue französische Präsident Emmanuel Macron wird von der Presselandschaft als Erlöser gefeiert. Auch in seiner Antrittsrede war von Bescheidenheit wenig zu spüren. Er sprach davon, dass Frankreich "am Beginn einer außergewöhnlichen Renaissance" stehe und von einer "Wiederaufrichtung der Nation" sowie der "Neubegründung Europas". Zudem will er "die Auswüchse des Weltenlaufs" korrigieren. Er hat sich also Großes vorgenommen. Armin Zinser, der seit über 30 Jahren in Frankreich lebt und seit 2009 bei Prevoir Gestion zwei Publikumsfonds managt, sieht den jungen Präsidenten vor immense Aufgaben gestellt. "Frankreichs Wirtschaft lahmt und sie haben ein riesiges Problem mit der inneren Sicherheit und zudem liegt die Staatsquote mit 57 Prozent jenseits von Gut und Böse", sagt er. Laut Zinser muss und will Macron das Rentensystem komplett umbauen und die Privilegien für die ganzen Staatsfunktionäre abbauen, die heute absurd hohe Renten beziehen. "Dann soll es einen Rentenpunkt pro eingezahltem Euro für jeden geben. Der Kandidat der Les Républicains, François Fillon, wollte noch viel drastischer an die Staatsquote und gleich 500 000 Staatsdiener rauswerfen."

Zinser hält es grundsätzlich für möglich, jedes Land zu reformieren. Aber in Frankreich seien die Gewerkschaften traditionell sehr stark, und daher glaubt Zinser, dass Macron die fünf Jahre Amtszeit möglicherweise nicht reichen, um das Land auf den richtigen Weg zu bringen. "Jeder Präsident seit Mitterand hat sich daran versucht und ist bislang gescheitert, und nun ist Frankreich im Grunde genommen bankrott. Nur die EZB hält die Südländer, zu denen ich auch Frankreich zähle, mit dem Niedrigzins am Leben. Würden die Zinsen auf das normale Niveau von vier bis fünf Prozent steigen, würde das Licht ausgehen. Daher wird in den kommenden Jahren das Zinsniveau weiter sehr niedrig bleiben", so Zinser. Zumal der Experte auch nicht davon ausgeht, dass Frankreichs Wirtschaft wieder auf einen hohen Wachstumspfad zurückkehrt. "1,5 Prozent Wirtschaftswachstum halte ich für möglich. Zwei Prozent sind meiner Meinung nach nicht drin." Zinser weist auch darauf hin, dass in Frankreich in den kommenden zehn bis 25 Jahren die 58 zwischen 1969 und 1985 gebauten Atomkraftwerke aufgrund ihres Alters vom Netz müssen. "Man hat in Deutschland gesehen, mit welchen Kosten dies verbunden ist, und die Meiler gehören dem staatsdominierten EDF-Konzern. Rund 300 Milliarden wird dies mindestens kosten. Das Unternehmen hat aber dafür nur 30 Milliarden in französischen Staatsanleihen zurückgelegt, also quasi in eigenen Schulden und noch dazu mit Nullzinsen", schüttelt Zinser den Kopf. Als weiteres urfranzösisches Problem sieht Zinser die Kaderschmiede ENA. "Der ganze Staatsapparat wird mit Absolventen der École Nationale d’Administration besetzt. Dort wird nur der gleiche Typus von Karrieristen produziert. Sie geben sich abgehoben gegenüber der Bevölkerung. Es kommen so nie neue Ideen dazu und Macron gehört auch zum Establishment", so Zinser. Gleichwohl erhofft er sich, dass Macron durch eine Steuerreform die mittelständischen Unternehmen entlastet und Subventionen abbaut. "Bisher habe ich lieber auf italienische Titel gesetzt, denn deren Chefs kommen morgens ins Büro und überlegen sich, wie sie Geschäft machen, da sie vom Staat nichts erwarten können. Die Franzosen setzen sich an den Schreibtisch und überlegen zuerst, was der Staat für sie tun kann", sagt er. Wenn Macron nicht wirklich knallhart Reformen durchzieht, ist Frankreich laut Zinser auf dem besten Weg, eine DDR light zu werden.

Vor den Präsidentschaftswahlen hatte Zinser seine Frankreich-Quote, die typischerweise bei 20 Prozent liegt, auf zwölf reduziert. "Man weiß ja nie, was passiert. Aber ich werde die Quote vielleicht noch vor den Parlamentswahlen am 11. und 18. Juni wieder hochfahren", sagt Zinser. Er erhofft sich, dass Macron die Freibeträge für Vorsorgesparpläne auf Aktien von 150 000 auf 300 000 Euro erhöht. "Das würde die Nachfrage nach französischen Aktien deutlich anheizen", sagt Zinser.