Schon bald wird auf den meisten Smartphones nicht mehr "Made in China", sondern "Made in Vietnam" stehen. Samsung, der weltgrößte Hersteller der Geräte, will in den kommenden Jahren große Teile seiner Produktion aus China in dessen Nachbarland verlegen. Schon 2015 sollen 40 Prozent der Smartphones aus Vietnam kommen. Damit reagieren die Koreaner auf stark gestiegene Löhne in China. In Vietnam sind die Gehälter erheblich niedriger. Auch andere Elektronikkonzerne wie Intel oder LG lassen inzwischen dort fertigen. Zudem dürfen ausländische Unternehmen seit Kurzem die Mehrheit an heimischen Firmen übernehmen.

Dies dürfte dazu beigetragen haben, dass der Aktienmarkt in Ho- Chi-Minh-Stadt seit Januar mit 16 Prozent Plus zu den besten weltweit zählt - während viele andere Emerging- Markets-Börsen litten. Doch Viet nam wird bei Anlegern auch nicht als Schwellenland, sondern als Frontier Market gesehen, ähnlich wie Bangladesch, die Golfstaaten, Tunesien, Peru oder Rumänien.

Zu Ersteren zählen dagegen die BRICS-Staaten - Brasilien, Russland, Indien und China, Südafrika - sowie Thailand, die Türkei oder Mexiko. Dort sind die Kapitalmärkte weiter entwickelt, der Lebensstandard ist höher, und die Industrie hat ein gewisses Niveau erreicht. Der Nachteil für Anleger ist, dass sich wegen des nun erreichten Levels auch das Wachstum verlangsamt. Investoren präferieren daher Länder, die auf einer niedrigeren ökonomischen Stufe stehen und den Aufholprozess noch vor sich haben. Solche Staaten werden als Frontier Markets bezeichnet. Außer geringer Kapitalisierung zeichnen sie sich neben den genannten Kriterien noch dadurch aus, dass sie offen für ausländische Investoren und derzeit ökonomisch sowie politisch relativ stabil sind.

Überraschend waren Aktien aus Vietnam & Co seit Beginn der Turbulenzen in den Schwellenländern vor zwölf Monaten stabiler als Emerging Markets. Sie verzeichneten Kapitalzuflüsse. Der MSCI-Frontier-Markets- Index stieg um 25 Prozent, während das Emerging-Markets-Pendant 2,3 Prozent verlor. Auf Sicht von fünf Jahren liegen die Grenzmärkte mit plus 50 Prozent zwar mit 25 Prozentpunkten hinten, dafür schwanken sie aber weniger. Ihre Jahresvolatilität seit 2009 betrug elf Prozent, die der Schwellenländer 19 Prozent.

Das hat Gründe: Die Anleger in Frontier-Ländern sind meist langfristig orientiert und ziehen ihr Geld nicht bei jeder kleinen Krise ab. Ein weiterer Vorteil: Die dortigen Börsen korrelieren nicht mit Schwellen- und Industrieländern. "Daher eignen sich diese Märkte gut zur Portfoliodiversifikation", meint Stefan Hölscher, Berater des S & H-Globale- Märkte-Fonds. Aber nur in normalen Marktphasen. Als Panik regierte, wie in der Finanzkrise, gaben auch die Grenzmärkte um bis zu 50 Prozent nach. Hölscher mischt daher Frontier-Börsen in seinem weltweiten Aktienfonds bei und empfiehlt einen Anteil von sechs Prozent im Aktiendepot.

Besonders das politische Risiko in diesen Spezialmärkten sei enorm, was eine ständige Beobachtung erfordere, mahnt der Experte. Wem das zu aufwendig ist, dem ist der Erwerb eines Frontier-Markets-Fonds anzuraten (siehe Investor-Info).

Auf Seite 2: Vietnam, die Werkbank der Welt

Vietnam, die Werkbank der Welt

Spekulative Anleger setzen dagegen auf Einzelmärkte, die Chancen bieten - wie Vietnam. "Das Land steht nun da, wo China vor zehn Jahren stand", sagt Florian Schulz, Geschäftsführer des Informationsdiensts Emerging Markets Traders. Außer niedrigen Kosten hat es weitere Vorzüge für Investoren. Es bietet Steueranreize und verfügt über gut ausgebildete Arbeitskräfte.

Bisher waren die wichtigsten Wirtschaftszweige Textil, Fischerei und Tourismus. Bald könnte sich Viet nam mit dem verstärkten Einzug der Elektronikindustrie zur Werkbank der Welt wandeln. Die von 18 auf 7,4 Prozent stark zurückgegangene Inflation und die niedrige Bewertung mit einem KGV von zwölf für 2014 sprechen für ein Anhalten der Hausse. Neben den üblichen Risiken Korruption und fehlende Rechtsstaatlichkeit liegt die größte Gefahr in gewaltsamen Protesten unzufriedener Arbeiter wie kürzlich in einem großen Werk von Samsung in der nördlichen Thai- Nguyen-Provinz. Das bedroht das Image der global tätigen Hersteller und kann Investoren abschrecken.

Das Gegenteil davon ist seit Jahresbeginn an der Börse Lima der Fall. Im Vorjahr stürzten Perus Aktien nach langer Aufwärtsphase um rund 34 Prozent ab, die zuvor überzogene Bewertung ist abgebaut. Mit dem 2014er-KGV von zehn sind die Titel wieder interessant. Zumal die ökonomischen Daten top sind. Mit dem prognostizierten BIP-Zuwachs von 5,4 Prozent für dieses Jahr, einer Inflation von 2,7 Prozent, einem ausgeglichenen Haushalt und einer geringen Verschuldung von 16 Prozent des BIP steht Peru hervorragend da. Zudem strömt viel Auslandskapital ins Land.

Bedenken, der linke Präsident Ollanta Humala werde einen sozialistischen Kurs einschlagen, haben sich zerstreut. Er hat einen marktliberalen Ansatz mit gezielten Sozialprogrammen, um die Unterschiede zwischen Arm und Reich zu reduzieren. Zudem versucht er die Abhängigkeit von Gold, Silber und Kupfer zu senken, die den Großteil der Staatseinnahmen ausmachen, und fördert Branchen wie Textil und Tourismus.

Neben dem Leistungsbilanzdefizit von 5,2 Prozent und der Rohstoffabhängigkeit ist das größte Risiko für Anleger, dass Peru der größte Coca-Produzent der Welt ist und die Drogenmafia an Einfluss gewinnt.

Auf Seite 3: Rumäniens gas treibt die Börse

Rumäniens gas treibt die Börse

Bandenkriminalität ist auch in Rumänien ein Problem, das Brüssel oft anmahnt. Die Regierung tut wenig dagegen. Was Wirtschaftspolitik angeht, befolgt sie aber die Vorgaben von EU und IWF. Mit Erfolg: 2013 wuchs das BIP um 3,5 Prozent. 2014 wird mit 2,3 Prozent Zunahme gerechnet. Die Löhne kletterten um fünf Prozent, was den Konsum beflügeln sollte.

"Die Liberalisierung des Gasmarkts dürfte 2014 die Börse Bukarest treiben", sagt Aaron Alber, Osteuropa- Profi bei der Raiffeisen Bank International. Die allmähliche Freigabe der Gaspreise wird wohl die Erträge rumänischer Energiekonzerne erhöhen, die stark im Leit index BET vertreten sind. Zumal die Bewertung mit dem 2014er-KGV von 9,5 günstig ist. Jedoch könnte eine erwartete Energiepreisanhebung zu Protesten und Instabilität führen.

Rumänien bedarf wie auch die übrigen Frontier Markets ständiger Beobachtung. Die Börsen sind illiquide. Korruption, fehlende Rechtsstaatlichkeit und politische Willkür sind in solchen Staaten üblich. Vor allem über die politische Entwicklung im jeweiligen Land sollten sich Anleger informieren. Gerade in der Verbesserung von Missständen liegt die Chance auf hohe Kursgewinne. Wichtig ist es, nicht gleich bei jeder kleinen Korrektur die Nerven zu verlieren, sondern einen längeren Anlagehorizont zu haben. Dann besteht die Chance, dass der Mut nach einigen Jahren reich belohnt wird.

Auf Seite 4 bis7: Vier attraktive Investments in die Frontier Markets