Schotten sagt man in Großbritannien neben ihrer sprichwörtlichen Sparsamkeit auch ein gehöriges Maß an Dickköpfigkeit nach. John Bennett, in der Industriestadt Glasgow geboren und aufgewachsen, bestätigt dieses Vorurteil - zum Glück für seine Anleger, muss man fairerweise hinzufügen. Denn während viele Investoren ihre Investmentstrategien in Zeiten von europäischer Schuldenkrise, Wirtschaftsflaute und Börsencrash über Bord geworfen haben, blieb der Fondsmanager und Europa-Aktienchef der britischen Fondsgesellschaft Henderson Global Investors in dieser turbulenten Zeit seinem Anlagestil treu.

Bennett ordnet sich selbst als Contrarian ein, als Investor also, der sich gegen die herrschende Stimmungslage an den Finanzmärkten stemmt. "Ich werde nervös, wenn alle anderen Anleger glücklich sind", beschreibt er seine Einstellung. "Und ich bin glücklich, wenn alle anderen sorgenvoll sind."

Die Verwerfungen auf dem Alten Kontinent haben dem heute 50-Jährigen, der schon mit 26 Jahren seinen ersten Aktienfonds mit Fokus auf europäischen Nebenwerten gemanagt hat, daher in die Hände gespielt. Die Talfahrt an den Börsen begriff Bennett weniger als große Gefahr, sondern vielmehr als außergewöhnliche Chance für sein Portfolio. "Wenn die Nachrichtenlage am schlechtesten ist, dann ist die beste Zeit, Aktien zu kaufen", erklärt der Schotte seinen antizyklischen Investmentansatz.

Auf Seite 2: Mit 16 Jahren schon spitze

Mit 16 Jahren schon spitze

Und dass es sich sowohl kurz- als auch langfristig lohnt, gegen den Trend zu schwimmen, beweist der von Bennett gemanagte Fonds Henderson Gartmore Continental European. Das Portfolio mit Fokus auf europäischen Schwergewichten zählte im vergangenen Jahr zu den besten zehn Prozent aller in Deutschland vertriebenen europäischen Aktienfonds. Über fünf Jahre hat das Portfolio, in dem auch der vierfache Familienvater Bennett seine Ersparnisse anlegt, ein Plus von über 90 Prozent eingefahren. Gründe genug für €uro und den Finanzen Verlag, Bennett 2014 mit dem Goldenen Bullen als Fondsmanager des Jahres auszuzeichnen.

In Bennetts Leben spielen Preise und Auszeichnungen eine äußerst wichtige Rolle. Schon als 16-jähriger Schüler, der sein Taschengeld als Eisverkäufer und Zeitungsausträger aufbesserte, schloss er seinen ersten Investmentwettbewerb als Sieger ab. Mit 18 folgte der Gewinn einer weiteren Trophäe beim Börsenspiel einer bekannten britischen Sonntagszeitung. 250 Pfund Prämie brachte ihm das ein - sowie die Leidenschaft für Aktien, wie er bei einem Gespräch in seinem Büro in London betont. "Und meine Begeisterung hat sich bis heute nicht gelegt", schwärmt Bennett, der seinen rauen schottischen Akzent mit dem rollenden "R" noch immer nicht abgelegt hat, obwohl er seit einem Vierteljahrhundert in der britischen Hauptstadt lebt.

Ans Aufhören denkt der Fondsmanager, der anders als die Mehrheit seiner Kollegen in der Branche keine Universität besucht hat, noch lange nicht. "Der Gedanke ans Karriereende erfüllt mich ehrlich gesagt mit Horror." Er sieht das Älterwerden als große Chance, seine Qualität als Vermögensverwalter aufgrund des wachsenden Erfahrungsschatzes noch zu steigern. Zudem treibt Bennett immer noch die Lust an, sich "mit den besten Köpfen der Investmentbranche weltweit" auseinanderzusetzen: Wer kauft sich zu welchem Zeitpunkt in welche Branche ein? Wer interpretiert die Konjunktur- und Unternehmensdaten akkurat? Wer mischt sein Portfolio richtig? "Und am Ende entscheiden die Ergebnisse der jeweiligen Fonds, wer besser ist", sagt Bennett und seine Augen blitzen angriffslustig.

Auf Seite 3: Lukrativer Herdentrieb

Lukrativer Herdentrieb

Der Schotte setzt in diesem Wettbewerb darauf, dass "die meisten Finanzexperten blind dem Herdentrieb folgen und somit ausgeprägte Trends an den Börsen immer weiter verstärken". Über- und Untertreibungen am Aktienmarkt sind für ihn daher die Regel, nicht die Ausnahme. Nur wer diesen grundlegenden Zyklus verinnerlicht habe, dürfe sich gute Chancen auf außerordentliche Gewinne und geringere Verluste machen. Gerade dieses immer wiederkehrende Auf und Ab an den Märkten will er als antizyklischer Investor nutzen, um günstig zuzugreifen.

Das sei inzwischen in vielen Sektoren jedoch schwierig geworden: "US-Aktien sind schon viel zu teuer; die Preise von Anleihen ohnehin völlig überzogen." Die Gier nach Sicherheit habe die Kurse beider Anlageklassen extrem in die Höhe getrieben. Enttäuschungen seien hier über kurz oder lang unausweichlich. Europäische Unternehmen sieht er dank der vergleichsweise moderaten Bewertungen als die attraktivste Anlageklasse der kommenden zehn Jahre.

Zwar ist solch ein Lob vom Manager eines Europa-Aktienfonds in der Regel mit Vorsicht zu genießen, doch Bennett ist nicht der Typ, der seinen Investmentschwerpunkt zu allen Zeiten blind anpreist. Das hat er etwa Mitte 1999 bewiesen, als der Euro Stoxx einen Rekord nach dem anderen knackte.

Der Schotte riet damals wegen der viel zu hohen Aktienbewertungen zum Verkauf des von ihm verwalteten Europa- Aktienfonds. "Die Geschäftsführung der Fondsgesellschaft war verständlicherweise alles andere als begeistert", erinnert sich Bennett schmunzelnd.

Doch eine ähnliche Empfehlung würde er - falls nötig - wieder aussprechen. "Sollte das durchschnittliche Kurs-Gewinn- Verhältnis bei europäischen Aktien über den Wert von 18 steigen, würde ich meine Anleger wieder warnen." Derzeit liegt diese Kennziffer zur Preisbewertung von Aktien bei rund 13 - noch kein Grund für Bennett, um von einer Übertreibung zu sprechen. Der leidenschaftliche Fan der Glasgow Rangers ist ohnehin kein blinder Fanatiker, wenn es um europäische Aktien geht. Nach den starken Kursgewinnen der vergangenen Jahre hält er kurzfristig einen Rückschlag von zehn bis 15 Prozent an den Aktienmärkten für durchaus realistisch.

Auch die politische Lage auf dem Alten Kontinent sieht er alles andere als rosig. "Die meisten Politiker sind unfähig, die drängendsten Probleme anzugehen." Immerhin: Die europäische Währungsunion wird seiner Meinung nach wohl erhalten bleiben, die wirtschaftliche Abwärtsspirale dürfte erst einmal gestoppt sein, ohne dass er jedoch in Kürze einen Wirtschaftsboom erwartet.

Lob findet er für die Qualität vieler europäischer Unternehmen, die sich auf dem Weltmarkt sehr gut behaupten. Bestes Beispiel hierfür sind die Pharmahersteller, die "wir vor vier Jahren gekauft haben, als sie von der Mehrheit der Investoren noch links liegen gelassen wurden." Dies macht sich heute bezahlt, Pharmatitel zählen seither zu den großen Gewinnern. Unternehmen wie Roche stehen inmitten einer Phase des Wachstums, die durch neue Medikamente und die demografische Entwicklung getrieben werde, sagt Bennett.

Doch er filtert nicht nur Branchen heraus, die er attraktiv findet, sondern auch solche, die er nicht mag. Telekomunternehmen und Versorger stehen nicht auf seiner Liste, da diese von politischen Entscheidungen stark abhängig sind. Daher kommen solche Werte auf keinen Fall in sein Portfolio, macht Bennett klar. "Man muss gegen den Index wetten, um den breiten Markt zu schlagen", meint er. Da blitzt sie wieder auf, die Dickköpfigkeit eines Schotten.

pg

Auf Seite 4: Dreimal Europa

Dreimal Europa

John Bennett betreut erfolgreich drei Fonds für europäische Aktien. Die Auszeichnung als Fondsmanager des Jahres hat er seinen hervorragenden Ergebnissen beim Henderson Gartmore Continental European Fund zu verdanken.

Henderson G. Continental European Fund, LU0201071890, Aktien Europa ohne UK,1-Jahres-Performance 24,8 %, 3-Jahres-Performance 40,1 %, 5-Jahres-Performance 93,0 % - Kommentar: Exzellenter Fonds

Henderson G. Pan European Fund, LU0201075453, Aktien Europa, 1-Jahres-Performance 26,6 %, 3-Jahres-Performance 42,1 &, 5-Jahres-Performance 99,9 % - Kommentar: Mit Großbritannien-Anteil; FondsNote 2

Henderson Pan European Alpha, LU0264597617, Aktien Europa, 1-Jahres-Performance 20,3 %, 3-Jahres-Performance 27,5 %, 5-Jahres-Performance 81,3 % - Kommentar: Gute Wertentwicklung bei niedriger Volatilität

Rückblick

Im vergangenen Jahr zeichneten wir den Schwellenländer-Pionier Mark Mobius aus. Seine Einschätzung, dass die neuen Schwellenländer wie Nigeria, Vietnam und Ägypten, die Frontier Markets, größere Chancen böten, als Brasilien, Indonesien und Co, hat sich bewahrheitet. Die von ihm geleiteten Fonds Templeton Frontier Markets (ISIN: LU 039 013 673 6) und Templeton Africa (LU 072 712 366 2) verzeichneten als eine der wenigen Schwellenländerfonds 2013 eine positive Wertentwicklung.