Weil Ex-Wölbern-Chef Heinrich Maria Schulte Anleger um 115 Millionen Euro prellte, soll er für achteinhalb Jahre in Haft. Doch Schadenersatzklagen richten sich gegen andere. Von Michael H. Schulz




Das Urteil wirkte wie ein Tritt in die Magenkuhle. Dennoch bewahrte Heinrich Maria Schulte Haltung, als ihm die Richter des Hamburger Landgerichts am 20. April eine Haftstrafe von achteinhalb Jahren aufbrummten. Eine härtere Strafe in einem deutschen Wirtschaftsstrafprozess gab es bisher nicht. Es sei erwiesen, dass der Arzt und Ex-Chef des Hamburger Emissionshauses Wölbern Invest 327-mal illegal in die Kassen der Fondsgesellschaften gegriffen habe. Insgesamt 147,3 Millionen Euro habe er aus zahlreichen Geschlossenen Immobilienfonds von Wölbern Invest abgezogen. Abzüglich der rund 32 Millionen Euro, die Schulte zwischenzeitlich zurückzahlte, haben Anleger einen Schaden von 115 Millionen Euro.

Das Urteil des Hamburger Landgerichts ist zwar noch nicht rechtskräftig, da die Staatsanwaltschaft bereits Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt hat. Auch Schultes Verteidiger wollen den Richterspruch in Karlsruhe prüfen lassen. Doch egal wie hoch die Strafe am Ende sein wird, Anleger von Wölbern Invest können aus dem Prozess gegen den Hormonspezialisten und Fondsdoktor Honig saugen.

Dabei müssen sich ihre Ansprüche nicht zwangsläufig gegen Schulte richten. Da der 61-Jährige Privatinsolvenz angemeldet hat, ist bei ihm nicht viel zu holen. Vielmehr haben 29 Wölbern- Fondsgesellschaften mit rund 30 000 Anlegern beim Landgericht Hamburg eine Zivilklage gegen die Anwaltskanzlei Bird & Bird beziehungsweise deren Berater und zwei Ex-Berater eingereicht (Az. 327/0 637/14). Ein außergerichtliches Schiedsverfahren mit der Großkanzlei, die eng mit Schulte zusammengearbeitet hat, ist offenbar zuvor gescheitert. Bird & Bird setzt pro Jahr laut Angaben des Branchendiensts Juve 65,8 Millionen Euro allein in Deutschland um. Dank einer millionenschweren Berufshaftpflicht ist die Kanzlei ein lukratives Ziel für Schadenersatzklagen.

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Anwälte als Mittäter im Visier

Die geprellten Anleger machen Schadenersatz in Höhe von 166 Millionen Euro geltend. Die Begründung: Die Anwälte sollen die eigentlichen Ideengeber der Schulte zur Last gelegten Veruntreuung von Anlegergeldern sein oder zumindest Beihilfe zur Untreue geleistet haben. Schließlich erhielten sie nach eigenen Vorschlägen Anfang 2011 ein Mandat zum Aufbau eines sogenannten Liquiditätsmanagements zwischen den Fonds. Hierbei sollen sie zur Verschleierung der Geldflüsse einen ausgebufften Buchungskreislauf ausgeheckt haben. Laut Schultes Verteidigern basierte das ganze System auf Ideen von Beratern, "die sogar dafür einstehen, dass alles legitim ist." Schulte habe dagegen nur ausgeführt, was ihm gesagt wurde.

"Uns ist es ein großes Anliegen zu klären, wer neben Professor Schulte zum Gelingen eines so großen Schadens beigetragen hat", ergänzt Thomas Böcher, Geschäftsführer der Paribus Fondsdienstleistung. Die Gesellschaft hat Anfang 2014 das Fonds- und Vermögensverwaltungsgeschäft für die Geschlossenen Immobilienfonds von Wölbern Invest übernommen.

Dazu gehört auch der Fonds Wölbern Holland 56. Die Fondsgesellschaft hat wie die übrigen 28 Beteiligungen Klage gegen Bird & Bird eingereicht. Einer der prominenten Anleger ist Ove Franz. Das ehemalige Mitglied der Hamburger Bürgerschaft und Ex-Chef des Bankhauses Wölbern gilt als Erfinder der Geschlossenen Holland-Immobilienfonds. Für ihn geht das Urteil gegen Schulte in die richtige Richtung. Er hätte sich aber eine noch höhere Strafe gewünscht.