Die am Mittwoch von der Bundesregierung verabschiedete Finanzreform der gesetzlichen Krankenversicherung sieht vor, dass die Beschäftigten die steigenden Kosten durch den medizinischen Fortschritt und die Alterung der Bevölkerung mit Beitragserhöhungen allein schultern müssen. Der Arbeitgeberanteil wird dagegen festgeschrieben. Lediglich zum geplanten Start der Reform 2015 könnten nach Einschätzung von Regierung und Ökonomen Millionen Versicherte von günstigeren Beitragssätzen profitieren. Heftige Kritik kam von Gewerkschaften, Opposition und Sozialverbänden.

Mit der Reform, mit der sich nun der Bundestag befassen wird, sinkt der Beitragssatz zunächst von 15,5 auf 14,6 Prozent. Diesen teilen sich wie bisher Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ein Sonderbeitrag von 0,9 Prozentpunkten, den die Versicherten bislang alleine schultern mussten, soll entfallen. Allerdings gehen dadurch elf Milliarden Euro verloren. Dies dürfte bei vielen Kassen ein Finanzloch verursachen, weshalb sie vermutlich über den Grundbetrag von 14,6 Prozent hinausgehen. Doch längst nicht alle werden nach Einschätzung Gröhes sowie führender Gesundheitsökonomen den bisherigen Umfang von 0,9 Prozentpunkten benötigen. 20 Millionen Bürger gehörten einer Kasse an, die finanziell in der Lage sei, unter diesem Satz zu bleiben, sagte der Minister. Andere Kassen würden genau auf der heutigen Marke von 15,5 Prozent liegen. In dem Fall sollen die Versicherten ein Sonderkündigungsrecht nutzen können.

ÖKONOMEN: BEITRÄGE SCHON 2017 ÜBER 16 PROZENT

Die Möglichkeit für klamme Kassen, pauschale Zusatzbeiträge von ihren Mitgliedern zu erheben, gibt es in Zukunft nicht mehr. Vor allem die SPD hatte gegen diese Kopfpauschale opponiert, die einem langjährigem Modell der CDU entspricht. SPD und Gewerkschaften halten Kopfpauschalen für ungerecht, weil dabei etwa der Manager denselben Betrag zahlt wie eine einfache Bürokraft oder eine Putzhilfe.

"Wir machen mit diesem Gesetz die gesetzliche Krankenversicherung zukunftsfest und stärken ihre finanziellen Grundlagen", sagte Gröhe. Zudem werde vermieden, dass durch steigende Lohnzusatzkosten Arbeitsplätze gefährdet würden. Der Wettbewerb zwischen den Kassen werde sich künftig stärker um Effizienz und Qualität drehen als um den Preis. "Wir wollen genau diesen Effizienzwettbewerb", sagte der CDU-Politiker.

Der Münchner Gesundheitsökonom Günter Neubauer geht davon aus, dass die meisten Kassen ihren Beitrag zumindest im ersten Halbjahr 2015 senken werden und somit leicht unter den 0,9 Prozentpunkten bleiben. Schon in der zweiten Jahreshälfte würden viele den Satz aber auf über 15,5 Prozent erhöhen. 2017 werde er dann im Durchschnitt über 16 Prozent liegen, sagte er Reuters. Auch der Essener Gesundheitsökonom Jürgen Wasem rechnet zum Ende der Wahlperiode mit Sätzen in dieser Höhe oder gar darüber hinaus - also einem Zusatzbeitrag von 1,4 bis 1,6 Prozentpunkte, wie er Reuters sagte.

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach nannte es "unverantwortlich und nachhaltig ungerecht", die Kostensteigerungen allein bei den Versicherten abzuladen. Die SPD-Gesundheitsexpertin Hilde Mattheis nannte den Kompromiss mit der Union an dieser Stelle schmerzlich. Der Arbeitgeberbeitrag sei damit "nicht für alle Zeiten festgeschrieben". Kritik an der Regelung kam auch von Grünen und Linken. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer nannte die Festschreibung dagegen wichtig, um Wachstum und Beschäftigung zu sichern. Zudem stiegen die Arbeitskostenbelastungen für die Firmen durch Sozialbeiträge an anderer Stelle.

Reuters