Über den Grundsatz besteht Einigkeit: "Steuerhinterziehung ist strafbar und wird auch bestraft." Das sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble vor einiger Zeit. Die umstrittene Selbstanzeige gibt aber Tätern die Chance - ehe sie entdeckt werden - unter bestimmten Bedingungen ihre Steuerbetrügereien in Ordnung bringen und dabei von einer Strafe verschont zu werden. Seit einiger Zeit prüfen Bund und Länder, die Voraussetzungen dafür zu verschärfen. Soll aber die Selbstanzeige grundsätzlich erhalten bleiben? Hier ein Pro und Contra.

PRO

Schäuble gilt als kritischer Befürworter der strafbefreienden Selbstanzeige. Sie habe sich in den 100 Jahren nach ihrer Einführung bewährt, sagte er einmal. Und eine Abschaffung "würde wohl unser rechtsstaatliches Gefühl auch strapazieren". Steuerhinterziehung sei so strafwürdig wie Diebstahl und werde auch so bestraft. "Aber auch ein Dieb, der die Sache, die er klaut, zurücklegt, bevor es der Bestohlene überhaupt merkt, der wird im Zweifel auch nicht stark bestraft werden", sagte der Minister im vergangenen Jahr.

Dass dieses Instrument an enge Voraussetzungen gebunden sein muss, bestreitet Schäuble nicht. Als der Fall Uli Hoeneß im Frühjahr 2013 bekanntwurde, sprach der Minister davon, zu prüfen, ob man ab einer bestimmten Größenordnung die Strafbefreiung ausschließen könne.

Befürworter der Regelung argumentieren, dass Steuerpflichtige, die ihre Taten bereuten oder nicht bewusst Steuern hinterzogen hätten, damit ihre falschen oder unvollständigen Angaben in alten Steuererklärungen berichtigen könnten. Es geht ihnen aber auch um die Staatskassen: Mit dem Instrument kommen Finanzämter an Steuerbeträge, von denen der Fiskus sonst kaum etwas sehen würde. Die knapp 25.000 Selbstanzeigen des Jahres 2013 mit Steuernachzahlungen und Strafzinsen, die sich auf dreieinhalb Milliarden Euro summiert haben sollen, scheinen die These zu stützen.

Was aber die meisten Befürworter auch nicht wollen: Dass die Selbstanzeige für hartgesottene Steuerhinterzieher nur ein taktisches Mittel ist, das man bei drohendem Ärger mit der Justiz nutzt. Daher sollen die Täter alle dubiosen Steuervorgänge der jüngeren Vergangenheit schonungslos offenlegen.

CONTRA

Auch für die Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige gibt es viele Argumente. Zu den Kritikern gehört seit langem der SPD-Finanzpolitiker Joachim Poß. Sein Argument: Hier würden Steuersünder gegenüber anderen Straftätern privilegiert. Ähnlich hat sich auch Linken-Fraktionschef Gregor Gysi geäußert. Es sei niemandem zu vermitteln, dass millionenschwere Steuerbetrüger bei einer Selbstanzeige straffrei blieben, während Parkplatzrempler, Schwarzfahrer oder Ladendiebe auch bei einer Selbstanzeige mit Strafe rechnen müssen. Das Argument lautet also: Hier würden wohlhabende Straftäter geschont.

Kritiker monieren zudem, dass die Strafbefreiung den Status der Steuerhinterziehung als Kavaliersdelikt zementiere. Mit ihr könne man sich nämlich der gerechten Strafe entziehen - wenn auch unter Nachzahlung der Steuerschuld mitsamt Zinsen.

Damit einhergeht der Vorwurf, bei der Selbstanzeige gehe es nicht um Motive wie Reue oder Wiedergutmachung. Wer sich selbst anzeige, habe in der Regel Angst vor Entdeckung und gesellschaftlichen Nachteilen. Es gibt auch rechtsphilosophische Argumente für die Abschaffung. Die strafbefreiende Selbstanzeige passe nicht in die deutsche Gesetzeslogik, lautet der Vorwurf.

Das Argument, die Selbstanzeige spüle dem Fiskus Geld in die Kassen, halten Kritiker für zu kurz gegriffen. Würde man Steuerfahndung und -behörden richtig ausstatten und auf internationaler Ebene die Steuerhinterziehung durch mehr Transparenz wirksam bekämpfen, würde man demnach vermutlich noch mehr Geld in die Kassen zurückholen.

Reuters