Die Klatsche kam mit Ansage: Vergangene Woche hat das Europäische Parlament (EP) die von der EU-Kommission vorgelegten Umsetzungsregeln für europaweit einheitliche Produktinformationsblätter mit überwältigender Mehrheit als "fehlerhaft und irreführend" zurückgewiesen - und damit Parlamentsgeschichte geschrieben. Denn so etwas hat es in der Finanzmarktregulierung bis dato noch nie gegeben. Die Parlamentarier waren mit ihrer Entscheidung aber dem Votum ihres Wirtschafts- und Währungsausschusses gefolgt. Zentraler Kritikpunkt: Die Umsetzungsregeln hätten zu unrealistischen und teilweise überoptimistischen Ertragsprognosen geführt, "Verbraucher wären dadurch in die Irre geführt worden", so Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im EP.

Gleichzeitig betonen Parlamentarier und EU-Verbraucherschützer, dass sie die Infoblätter wichtig finden für mehr grenzüberschreitenden Wettbewerb und Vergleichbarkeit von Anlageprodukten, lediglich die Ausgestaltung gehöre verbessert: "Wir möchten keinesfalls wieder in die Grundsatzdebatte einsteigen, der bereits verabschiedete Rechtsrahmen darf nicht verwässert werden", mahnt Greg van Elsen, Experte für Finanzdienstleistungen der europäischen Dachorganisation der Verbraucherschutzbehörden, BEUC.

Die EU-Kommission muss jetzt nachsitzen - und sich gewaltig sputen. Denn die Verordnung über die einheitlichen Infoblätter (die sogenannte PRIIPs-Verordnung) ist nämlich schon verabschiedet und soll 2017 starten. PRIIPs steht im EU-Sprech für "Packaged Retail and Insurance-based Investment Products", also für verpackte Anlage- und Versicherungsprodukte für Privatanleger. Gemeint sind Offene und Ge- schlossene Investmentfonds, Derivate und andere strukturierte Finanzpro- dukte, auch fondsgebundene Lebensversicherungen, nicht aber reine Risikoversicherungen. Aktien, Anleihen, Giro-, Tagesgeld- oder Sparkonten etwa fallen auch nicht darunter.

Eine verquere Hängepartie ist die Folge der Parlamentsentscheidung: Gut drei Monate vor dem Start wissen die Anbieter besagter Finanzprodukte nun nicht genau, was sie in ihre Beipackzettel in gesetzeskonformer Weise hineinschreiben sollen. Verbrauchern sollen sie vor dem Kauf aus- gehändigt oder zur Verfügung gestellt werden. Kein Wunder, dass die Finanzbranche von "erheblichen Rechtsunsi- cherheiten" spricht und fordert, das Mammutprojekt zu verschieben.

Doch was soll in den Infoblättern eigentlich genau drinstehen? Gefordert wird ein maximal dreiseitiges A4-Dokument, das in verständlicher Form die wichtigsten Eigenschaften eines Finanzprodukts inklusive Kosten und Risiken, aber auch Ertragsszenarien in einem einheitlichen Format darstellt, damit Verbraucher die Produkte vergleichen können. Das klingt eigentlich simpel und sinnvoll. Doch der Teufel steckt im Detail, vor allem in den Prognose- und Kostenberechnungen, wie die Kritik des Parlaments zeigt.

Vergebene Liebesmüh?



In Deutschland wurden bereits ab Mitte 2011 erste Produktinformations- blätter ("PIBs") für Anlageprodukte eingeführt. Dazu zählen derzeit nicht nur "verpackte" Produkte wie Fonds, sondern auch Aktien, die aber künftig nicht unter die EU-PRIIPs-Verordnung fallen. Inzwischen gibt es auch Infoblätter für Vermögensanlagen wie Geschlossene Fonds und Versicherungen, für steuerlich begünstigte Altersvorsorgeprodukte. In der Ausgestaltung gibt es aber Unterschiede. Von den geplanten EU-Infoblättern unterscheiden sich die deutschen vor allem darin, dass sie Risiken und Kosten verbal beschreiben; die EU-Infoblätter sehen berechnete Indikatoren vor. Dadurch sind die EU-Blätter "wesentlich anspruchsvoller", so die deutsche Finanzaufsicht Bafin. Kritiker bemängeln allerdings, ob Verbraucher etwas mit den Indikatoren anfangen können. Ohnehin sei fraglich, ob die Verbraucher den ganzen Papierkram überhaupt lesen, geschweige denn, sich die Mühe machten, etliche Infoblätter von verschiedenen Produkten zu vergleichen. Dann aber wären die Infoblätter einfach nur wieder ein weiterer Haufen Papier - oder vergebene Liebesmüh.