Steuerberater Anton Götzenberger erklärt, was für Bankkunden jetzt wichtig wird  Von Stefan Rullkötter



Börse Online: Bereits in diesem Jahr sollen 55 Staaten als sogenannte "Early Adopters" mit dem automatischen Informationsaustausch beginnen. Wird ab 2018 alles reibungslos funktionieren?


Anton Götzenberger: Ohne Startschwierigkeiten wird es nicht abgehen. Denn die Datenflut dürfte beispiellos werden und ist mit den bisher praktizierten Spontanauskünften ausländischer Finanzbehörden im Rahmen der Doppelbesteuerungsabkommen nicht vergleichbar.

Welche Bankkunden-Daten müssen im Rahmen des AIA gemeldet werden?


Dazu gehören persönliche Daten wie Name, Anschrift, Ansässigkeitsstaat, Steueridentifikationsnummer oder Geburtsdatum und Geburtsort, die Kontonummer sowie den Namen des meldenden Finanzinstituts sowie die Kontosalden oder -werte. Bei Lebensversicherungen muss neben der Policennummer der Bar- oder Rückkaufswert gemeldet werden.

Gibt es beim Datentransfer Besonderheiten für bestimmte Kontoarten?


Zusätzliche Meldepflichten bestehen für Verwahrkonten, Einlagenkonten und sonstige Konten. Hier müssen die Erträge von Zinsen und Dividenden sowie andere Einkünfte gemeldet werden, die mittels der auf dem Konto vorhandenen Vermögenswerte erzielt wurden. Auch Erlöse aus der Veräußerung oder dem Rückkauf von Finanzvermögen sind meldepflichtig. Gemeldet werden im Rahmen des AIA die Erlöse in einer Summe - jedoch keine einzelnen Kapitaltransaktionen.

Wo könnte es für die AIA-Beteiligten bei der technischen Umsetzung haken?


Schon die vollumfängliche Identifikation von berichtspflichtigen Kunden durch das jeweilige Geldinstitut ist eine große technische Herausforderung. Daher dürften schon am Anfang der Meldekette nicht alle Meldungen richtig und vollständig übermittelt werden. Dies gilt gerade auch für Trust-Konstruktionen und ähnliche Gebilde. Bei diesen Anlageformen müssen die Finanzinstitute prüfen, wer sich als wirtschaftlich Berechtigter hinter diesen Rechtsträgern verbirgt.

Wie soll die Meldekette zwischen Instituten und Behörden funktionieren?


Die Meldedaten müssen von den zuständigen nationalen Steuerämtern der Auslandsbank an die jeweilig zuständige ausländische Meldebehörde des Bankkunden übermittelt und von dort aus an die für den Geldanleger zuständigen Wohnsitz-Finanzämter verteilt werden. Das sind also mindestens drei Schnittstellen, die aufeinander abgestimmt werden müssen, wenn am Ende kein Datensalat herauskommen soll. Gerade bei der Verteilung der vom Ausland kommenden Daten an die zuständigen Wohnsitzfinanzämter durch das Bundeszentralamt für Steuern wird es anfängliche technische Probleme geben. Doch diese werden nach und nach gelöst werden. Als steuerunehrlicher Geldanleger sollte man sich daher nicht in Sicherheit wiegen.

22 kleinere eidgenössische Geldhäuser haben kürzlich ihre Geschäftsaufgaben mit dem Start des AIA begründet...


Die Geschäftsaufgabe kleinerer Schweizer Banken dürfte eher durch den langjährigen Steuerstreit mit den USA und den Konsequenzen aus dem FATCA-Abkommen, das seit 2010 das Schweizer Bankgeheimnis für US-Bürger außer Kraft gesetzt hat, verursacht worden sein als durch den AIA. Zudem wird der Wettbewerb unter den Schweizer und internationalen Geldhäusern immer schärfer.

Wird der Finanzplatz Schweiz in den nächsten Jahren deshalb schrumpfen?


Die Schweiz ist sicherlich vom AIA besonders betroffen, da immer noch ein hoher zweistelliger Prozentsatz der grenzüberschreitend angelegten Vermögenswerte bei eidgenössischen Instituten liegt. Da der AIA-Standard aber für alle anderen Anlageländer in gleichem Umfang gilt, sind Schweizer Banken aber nicht mehr benachteiligt als beispielsweise Geldinstitute in Liechtenstein. Luxemburg oder Österreich. Wettbewerbsverzerrungen dürfte es daher kaum geben. Denn ein deutscher oder grenzüberschreitend tätiger Geldanleger aus der Schweiz dürfte sein unversteuertes Geld bei anderen ausländischen Banken auch nicht mehr unterbringen können.

Welche Optionen haben Schwarzgeldbesitzer teilnehmender Staaten noch?


Sofern noch nicht geschehen, können sie von einer Steueramnestie nach nationalem Recht Gebrauch machen, - in Deutschland zum Beispiel eine strafbefreiende Selbstanzeige erstatten.

Welche Fehler unterlaufen Anlegern bei einer Selbstanzeige am häufigsten?


Es gibt zahlreiche Fallstricke bei Abgabe einer Selbstanzeige. Zum Beispiel reicht die bloße Übernahme der Erträge aus den Erträgnisaufstellungen ausländischer Banken im Regelfall nicht aus. Die strafbefreiende Wirkung tritt nur ein, wenn die Angaben des säumigen Steuerpflichtigen vollständig sind - und der Fiskus auf dieser Basis korrekt veranlagen kann.

Besonders in Österreich wird noch viel unversteuertes Vermögen deutscher Anlegern vermutet. Welche Stichtage sind in der Alpenrepublik besonders zu beachten?


Österreichische Banken stellen bereits seit dem 30. September 2016 alle Daten zusammen, die nach dem "Gemeinsamer-Meldestandard-Gesetz" (GMSG) weiterzugeben sind. Dieser Stichtag gilt aber nur für Konten, die ab Oktober 2016 eröffnet wurden. Die Meldepflicht bei Neukonten galt erstmals für das vierte Quartal 2016 - die Daten mussten bis spätestens 30. September 2017 weitergeleitet werden.

Gibt es hier einen Unterschied zu Konten, die bereits vor Oktober 2016 in Österreich eröffnet wurden?


Hier sind andere Stichtage maßgeblich: Bei Konten, Depots und Lebensversicherungen mit über einer Million Dollar Guthaben meldet Österreich erstmals zum 30. September 2018, bei weniger als einer Million erstmals zum 30. September 2019. Stichtag für die Wertermittlung der Guthaben war in beiden Fällen aber wieder bereits der 30. September 2016.

Viele deutsche Anleger haben bis zum Sommer 2016 ihre Konten und Depots bei österreichischen Banken aufgelöst. Kann der deutsche Fiskus dennoch bald auch auf diese Kontendaten zugreifen?


Wenn das aufgelöste Depot vor dem 30. September 2016 eröffnet wurde und somit kein Neukonto ist, besteht für österreichische Finanzbehörden keine Meldepflicht nach GMSG. Allerdings waren 2016 Bargeldabhebungen in Österreich von mehr als 50 000 Euro nach dem dortigen Kapitalabfluss-Meldegesetz meldepflichtig. Denkbar ist aber auch, dass Österreich diese Meldedaten dem deutschen Fiskus auf Anfrage weiterleitet. Auflösungen von österreichischen Konten und Depots in diesem Jahr fallen in jedem Fall unter das GMSG - mit den beschriebenen Folgen für in Deutschland Steuerpflichtige.

Was ist zu beachten, wenn man für unversteuerte Österreich-Anlagen jetzt Selbstanzeige erstattet?


Wer 2017 eine Selbstanzeige einreicht, hat mindestens den Zeitraum bis 2007 nachzuerklären, also zehn Kalenderjahre. Darüber hinaus ist die besteuerungsrechtliche Verjährung zu prüfen. Wer die Steuererklärung für 2006 im Jahr 2007 abgegeben hat, muss auch noch 2006 nacherklären. Denn die Verjährung für 2006 endet erst am 31. Dezember 2017.

Zur Person: Anton Götzenberger ist Steuerberater und Inhaber einer Spezialkanzlei für die Legalisierung von Auslandsvermögen. Er ist Autor des Sachbuchs "Optimale Vermögensübertragung", das aktuell in der fünften Auflage im NWB Verlag erschienen ist.

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