WAS IST DIE KALTE PROGRESSION?

Von kalter Progression spricht man, wenn eine Lohnerhöhung lediglich die Inflationsrate ausgleicht, die durchschnittliche Steuerbelastung eines Arbeitnehmers aber trotzdem steigt.

Dazu nennt das Bundesfinanzministerium dieses Beispiel: Die Inflation beträgt zwei Prozent, der Einkommenszuwachs ebenfalls zwei Prozent. Real hat sich an der wirtschaftlichen Situation des Arbeitnehmers also nichts geändert: Seine Kaufkraft ist im Vorjahresvergleich konstant geblieben. Weil er aber ein höheres Einkommen erzielt, steigt seine Durchschnittssteuerbelastung.

Der Grund dafür ist der ansteigende Steuertarif von 14 bis 45 Prozent. Weil der Staat davon ausgeht, dass Bezieher hoher Einkommen einen größeren Teil ihres Einkommens zur Gemeinwohl-Finanzierung abgeben können, steigt der Durchschnittssteuersatz.



WIE HOCH IST DER EFFEKT DER KALTEN PROGRESSION?

Die kalte Progression bringt dem Fiskus im Jahr zwischen zwei und drei Milliarden Euro mehr ein. Das sind weniger als 0,4 Prozent des gesamten Steueraufkommen von 670 Milliarden Euro.

Wie stark der Effekt wirkt, hängt vor allem von der Preissteigerungsrate und der Einkommensentwicklung ab. Für 2015 beziffert das Bundesfinanzministerium die kalte Progression auf rund 2,4 Milliarden Euro, für 2016 auf rund 2,9 Milliarden Euro.

Würde sich die große Koalition dazu entschließen, die kalte Progression für mehrere Jahre komplett zu korrigieren, müsste der Staat also spürbare Steuerausfälle verkraften.

Da sich Bund, Länder und Gemeinden die Einkommensteuer-Einnahmen teilen, müssten sie die Einnahmeausfälle gemeinsam schultern. Dies stößt aber in den Bundesländern auf Widerstand, die bis 2020 ihre Haushalte für die Schuldenbremse im Grundgesetz fitmachen müssen. Denn ab dann dürfen sie keine neuen Schulden mehr aufnehmen. In der vergangenen Wahlperiode fand sich deshalb im Bundesrat keine Mehrheit für eine Korrektur der kalten Progression. Auch derzeit ist dafür keine Mehrheit in Sicht.



WAS SPRINGT FÜR DIE STEUERZAHLER HERAUS?

Wie stark die kalte Progression bei jedem Steuerzahler wirkt, lässt sich nur individuell beantworten. Bezogen auf den Schnitt müssen alle deutschen Steuerzahler 2015 wegen der kalten Progression rund 60 Euro mehr Steuern im Jahr zahlen. 2017 dürften es dann 70 Euro mehr sein. Relativ am stärksten getroffen werden dabei Bezieher unterer und mittlerer Einkommen. Bei ihnen beträgt die Mehrbelastung allerdings nur wenige Euro.

Reuters