Als sicher gilt bereits, dass wohl keine Kasse ohne Zusatzbeitrag auskommen wird, wie AOK-Verbandschef Jürgen Graalmann am Montag deutlich machte. Die Frage ist, wie hoch dieser bei den einzelnen Kassen ausfällt. Allerdings bedeutet die allein von den Versicherten zu tragende Zahlung nicht, dass es für sie teurer wird. Im Gegenteil: Die Mehrzahl der 50 Millionen Kassenmitglieder führt künftig entweder genauso viel wie bisher oder weniger an seine Kasse ab. Spätestens ab 2016 dürfte es dann aber für alle teurer werden.

Durch die im Juni von der Koalition beschlossene Finanzreform sinkt der allgemeine Beitragssatz zum 1. Januar de facto von 15,5 Prozent auf 14,6 Prozent. Diesen tragen Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte. Zugleich fällt ein Sonderbeitrag von 0,9 Prozent weg, den die Kassenmitglieder seit 2009 alleine tragen müssen. Auf die Kassen kommt dadurch eine Finanzlücke von rund elf Milliarden Euro zu. Wohl keine der rund 130 Kassen kann dies so ohne weiteres wegstecken, dafür sei die Lücke zu hoch, heißt es etwa vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

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MEHR ALS 20 KASSEN HABEN NIEDRIGERE BEITRÄGE ANGEKÜNDIGT

Mehr als 20 Kassen haben angekündigt, einen Beitragssatz unterhalb der heutigen 0,9 Prozent zu erheben. Darunter etwa die Techniker Krankenkasse (TK) mit ihren 6,7 Millionen Mitgliedern, die am 12. Dezember entscheiden will. "Wir gehen davon aus, dass der Zusatzbeitrag leicht unterdurchschnittlich ausfallen wird", sagt Sprecherin Dorothee Meusch. Auch andere Kassen werden die 0,9 wohl nur knapp um 0,1 oder 0,2 Prozentpunkte unterschreiten.

Eher selten dürften Zusatzbeiträge von 0,3 Prozent sein, wie sie die auf Sachsen begrenzte AOK Plus und die AOK Thüringen schon beschlossen haben. Die Ausgangslage ist höchst unterschiedlich: Viele Kassen werden nach Einschätzung des Essener Gesundheitsökonomen Jürgen Wasem eher vorsichtig in die Zusatzbeiträge starten und ihr Potenzial nicht voll ausschöpfen, um die Reserven zu schonen. Andere seien mit 0,9 Prozent auf der sicheren Seite, andere hingegen müssten eigentlich einen höheren Satz festsetzen. Allerdings werden sie nach Einschätzung Wasems versuchen, diesen "auf Teufel komm raus" zu vermeiden.

Begründet scheint die Sorge, dass Mitglieder zur preisgünstigeren Konkurrenz wechseln könnten. Denn über die Erhebung der Zusatzbeiträge müssen die Kassen ihre Mitglieder bis Jahresende informieren. Dabei muss auch der vom Ministerium festgesetzte durchschnittliche Zusatzbeitrag von 0,9 Prozent erwähnt sein. Versicherte haben zudem ein Sonderkündigungsrecht.

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KASSEN MÜSSEN BIS SILVESTER MITGLIEDER INFORMIEREN

In dem Schreiben müssen die Kassen auch auf das Informationsangebot des GKV-Spitzenverbandes hinweisen, der online eine Kassen-Übersicht inklusive Zusatzbeiträgen bereithält. Die Experten sind sich daher einig: Die Anzahl an Krankenkassen, die am Ende deutlich über 0,9 Prozent liegen werden, wird begrenzt sein. Für 2015 ist das unter dem Strich keine schlechte Nachricht für die Arbeitnehmer.

2016 dürfte die Kassen-Welt allerdings anders aussehen. Schon jetzt klettern die Ausgaben für Medikamente, Arztbehandlungen und Klinikaufenthalte rapide. Die Koalition plant für 2015 zudem weitere Reformen, etwa zur Stärkung der medizinischen Versorgung auf dem Land und zum Umbau des Krankenhaussektors. Das alles wird nicht ohne neue Kosten für die GKV über die Bühne gehen. Allein durch eine geplante neue ärztliche Honorarregelung drohen Wasem zufolge Kosten von einer halben Milliarde Euro.

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SCHERE ZWISCHEN AUSGABEN UND EINNAHMEN GEHT AUSEINANDER

Der Gesundheitsökonom geht daher für 2016 von einem durchschnittlichen Zusatzbeitrag von 1,15 Prozent und für 2017 von 1,4 Prozent aus - 0,5 Prozentpunkte mehr als heute. Auch die Chefin des Ersatzkassenverbandes vdek, Ulrike Elsner, glaubt, dass die Zeit der großen Überschüsse vorbei ist. Während die Ausgaben um etwa fünf Prozent anwüchsen, stiegen die Einnahmen gerade mal um drei Prozent. "Da die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben weiter auseinandergeht, gehen wir davon aus, dass die Beitragssätze weiter steigen werden", sagte sie Reuters. Die Politik müsse gerade bei den zu erwartenden Kosten durch die nächsten Reformen gegensteuern.

Für die Entscheidung über den Beitragssatz im nächsten Jahr lassen sich die meisten Kassen Zeit. Bei einigen finden die Verwaltungsratssitzungen erst in der Woche vor Weihnachten statt. Die Barmer mit 6,8 Millionen Mitgliedern etwa will erst am 17. Dezember eine Entscheidung fällen. Der späte Zeitpunkt gibt den Kassen die Möglichkeit, länger die Konkurrenz zu beobachten. Zudem möchte niemand als erstes mit unliebsamen Botschaften an die Öffentlichkeit treten.

Reuters